Dushan-Wegner

01.03.2021

Small Reset

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Foto von Marek Piwnicki
Früher hatten sie den Großen Krieg, heute haben wir den Great Reset. – Der Große Krieg war das bis dahin größte Zerstörungswerk von menschlicher Hand. Was ist der Great Reset?
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Es gab eine Zeit in der Geschichte, da zählten die Menschen die Weltkriege noch nicht nach dem ersten und zweiten durch. Der Erste Weltkrieg war schlicht der Große Krieg – The Great War (und als er am 11.11.1918 endete, da verkündete etwa der damalige britische Premierminister die Hoffnung, dass damit ein Ende aller Kriege gekommen sei).

The Great War aber blieb nicht nur Horrorszenario. Es klingt ja schon im Titel mit – Great bedeutet eben nicht nur groß, sondern auch großartig. Man höre nur, was Churchill schreibt: »The Great War differed from all ancient wars in the immense power of the combatants and their fearful agencies of destruction, and from all modern wars in the utter ruthlessness with which it was fought…« – zu Deutsch etwa: »Der Große Krieg unterschied sich von allen antiken Kriegen in der immensen Kraft der Kriegsparteien und ihrer schrecklichen Zerstörungswirksamkeit, und von allen modernen Kriegen in der totalen Mitleidslosigkeit, mit welcher er gekämpft wurde…« – das größte Böse bleibt eben doch ein Größtes, und der Mensch fühlt sich zu allem, was groß und mächtig ist, dann doch auch immer hingezogen – auch zum größten Schrecklichen (besonders gern aus der komfortablen Entfernung des bildungsbürgerlichen Wohnzimmers).

»Step into your place«, riefen etwa die britischen Rekrutierungs-Plakate (iwm.org.uk); etwa: »Nimm deinen Platz ein«. Die Realität, wenn man denn seinen Platz eingenommen hatte, war dann die ganz konkrete Hölle, mit Giftgas und Materialschlachten – wir kennen die Bilder (siehe etwa engl. Wikipedia zum Grabenkrieg); der Große Krieg war ja auch der erste, der durchgehend von Foto-Schnappschüssen dokumentiert wurde.

Im Text »Wenn der Staatsfunk ausgedachte Gefahren berichtet und tatsächliche Morde ausblendet« von 2019 zitiere ich Chuck Palahniuks Fight Club, und daraus, ins Deutsche übersetzt: »Wir sind die Dazwischenkinder der Geschichte, Mann! Kein Zweck und kein Ort. Wir haben keinen Großen Krieg. Keine Große Depression. Unser Großer Krieg ist ein spiritueller Krieg…«

Palahniuks Fight Club ist von 1996, Finchers Film von 1999. Ja, auch damals klang das Reden vom Großen Krieg nicht nur heimlich sentimental.

Nun, es ist bald zweieinhalb Jahrzehnte später. (Frage: Wie ist Palahniuks Neuer Große Krieg ausgegangen? Antwort: Weißt du es wirklich nicht? Keinen Schimmer, keine ferne Ahnung?)

Einige derer, die sich gern an die Mächtigen ranwanzen, reden dieser Tage gelegentlich vom Great Reset. – Wir haben heute keinen großen Krieg (noch/ hoffe ich), wir haben den Great Reset. Irgendwie ist es auch peinlich.

»Reset«, das bedeutet so viel wie »Zurücksetzen«. Wenn der Roboter nicht mehr richtig funktioniert, versucht man es mit einem Reset. (»Hast du es mit Aus- und Wieder-Einschalten probiert?«)

Nein, diese Leute wollen nicht einmal die Welt wirklich aus- und wieder-einschalten. Nein, wie Trittbrettfahrer sehen die Great-Resetter doch bloß, dass andere Mächte die Welt via Virus-Panik ausschalten, und dann versuchen sie, sich dranzuhängen (man vergleiche die Klimakinder, die jede Nachrichtenmeldung und selbst den gewöhnlichsten Wetterumschwung derart deuten, dass es ihnen und ihren Strippenziehern in die Klimageschäfte passt).

Dass aber jene, die den Great Reset preisen, mehr so wie Trittbrettfahrer der Zerstörung denn wie die Großverschwörer dahinter wirken, es ändert wenig an der Tatsache, dass die Zerstörung, an welche sie sich dranhängen zu wollen scheinen, durchaus echt sein kann. Deutsche Polizisten wie im Machtrausch. Strafen fürs Verweilen. Bankrotte Unternehmen, beendete Existenzen, Kindheiten im Lockdown – all das ist echt, doch es ist nicht das Werk einiger Great-Reset-Schwafler. Genetisch modifizierte Nahrung, Mieten-statt-Besitzen, Virus-Forschung, Impfungen, Impfpflicht und sogar Tote nach Impfungen, elektrische Autos, Paketdienste und das Sterben der Innenstädte – all das gab es lange vor dem aktuellen Schlagwort – und die Great-Resetter hängen sich dran, als fürchteten sie, der längst rollende Zug würde endgültig ohne sie abfahren. Mich beschleicht die Furcht (ja: Furcht), dass die Great-Resetter in weit höherem Maßen selbst vom auch ihnen unzugänglichen Menschenwerk getrieben sind, als sie öffentlich zugeben würden. Die angeblichen Verschwörer fürchten die Entlarvung weit mehr als die Enttarnung. Was interessiert die Wissenschaftler in Wuhans Laboren, was irgendwer in den Schweizer Bergen plaudert? Seien wir realistisch: wenig. Es gilt auch weiterhin die alte Tao-Weisheit (600 Jahre älter etwa als das Christentum): Der Name, den du nennen kannst, ist nicht der wirkliche Name.

Wir haben keinen Großen Krieg, derzeit und noch nicht (mal schauen, was der Sumpf hinterm lügenden Grabschgreis in den USA uns noch bereitet). Wir bekommen den Great Reset präsentiert, und der wirkt müde bereits bevor er losgelegt hat. Eigentlich ist er eine Beleidigung – das soll sein, womit sie uns knechten wollen? Great Reset? Fake Reset! Da fährt ein Zug, kein Zweifel, doch dies ist der falsche Bahnhof.

Freunde, was wir brauchen, und was wir bewerkstelligen können, das ist der Small Reset – der private, kleine Neustart. Sind Sie denn der Meinung, dass der Mensch, der Sie gestern waren, morgen noch bestmöglich aufgestellt ist, den auf uns zukommenden Irrsinn zu bewältigen? Nein? Geht mir ähnlich.

Wenn mir also einer sagt: »Dushan, fürchtest du nicht den Great Reset?«, dann antworte ich ihm: Du, ich gebe hier alle meine Kraft für den Small Reset, den eigenen, privaten, echten Neustart – und das, wenn die Kraft reicht, jeden Tag.

Weiterschreiben, Wegner!

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