Dushan-Wegner

31.05.2019

Der Glaube, es würde einen selbst nicht treffen

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Bild von Adriel Kloppenburg
Journalisten, welche seit Jahren eine Kampagne zum totalen Gehorsam gegenüber der Regierung fahren, sind angezickt, dass eben diese ihnen Sonderrechte nehmen will. – Dachtet ihr wirklich, ihr wärt mehr als nützliche Idioten?
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»What goes up, must come down«, sagt man im Englischen, und im Deutschen sagt man: Was hochfliegt, muss auch runterkommen. (Notiz: Die Varianten »hochfliegt« und »hoch fliegt« unterscheiden sich auf interessante Weise in der Bedeutung.)

Am Dienstag, den 30. Oktober 2012, endete eine Hochzeitsfeier in der Nähe von Abqaiq (Osten Saudi-Arabiens, siehe Google Maps) deutlich anders als geplant. Zur Feier des Ereignisses hatte man aus der Hochzeitsgesellschaft in die Luft geschossen, wie es der dortigen Tradition entspricht (so wird etwa von reuters.com, 31.10.2012 berichtet).

So weit man das Unglück rekonstruieren konnte, so die Berichte, hatten die Kugeln das Kabel einer Stromleitung gelöst, welches dann auf eine Metalltür fiel – 23 Menschen starben durch Stromschlag und 20 weitere wurden verletzt.

Unfälle mit Pistolen- und Gewehrkugeln, die aus freudigem Anlass abgefeuert wurden, sind längst nicht so selten, wie jene, die sie abfeuern, in dem Moment meinen; es verwundert wenig, dass vor allem aus den gewehrfreudigen und zugleich medial gut dokumentierten USA über eine Zahl von Toten durch herabfallende Projektile berichtet wird.

Am 1. Juli 2017 wurde ein dreizehnjähriger Junge von einer herabfallenden Kugel am Kopf getroffen, während er Basketball spielte – er starb (siehe chicagotribune.com, 10.7.2017 – nicht in der EU abrufbar).

Am 1. Januar 2015 wurde ein 43-jähriger Mann von einer Kugel am Kopf getroffen, während er mit seiner Familie das Feuerwerk in Houston bewunderte – er starb (siehe reuters.com, 2.1.2015).

Am 1. Januar 2010 wurde ein Junge kurz nach Neujahr von einer Kugel getötet, während er sich  in einer Kirche befand; es wird vermutet, dass die Kugel das Kirchendach durchschlagen hatte (siehe etwa wsbtv.com, 1.1.2010).

Man könnte die Liste fortsetzen. Alle diese Fälle haben gemeinsam, dass die Schießenden nie in »böser Absicht« handelten – die Schießenden wollten einfach nur feiern, ihrer Freude am Leben einen Ausdruck verleihen – kann das denn »böse« sein?

Ein Extraehrlicher

Das deutsche Innenministerium plant, so wird berichtet (etwa welt.de, 29.5.2019, welt.de, 30.5.2019), »die Kompetenzen der Geheimdienste zu erweitern«; und – oh Wunder! – nun soll es auch einfacher sein, Journalisten geheimdienstlich im Blick zu behalten, ohne dass ein Richter vorher drüberschaut. Zu Deutsch: Wenn Sie mit einem Journalisten sprechen, der für seine Enthüllungsstories bekannt ist, und Sie ein auf Sie angemeldetes Smartphone in der Tasche haben, wäre es nicht das taktisch Klügste, davon auszugehen, dass niemand weiß, dass Sie gemeinsam an einem Ort sind.

Einige Journalisten merken auf, und sie versuchen einen Gegenprotest zu wecken, doch es wird und will nicht gelingen. – Deutsche Journalisten haben weite Teile der Bevölkerung dazu erzogen, dass alle Zweifel am Regierungshandeln böse und rechts sind, und wer will schon rechts sein? Und, vor allem, haben sich nicht die Journalisten – nicht nur beim Staatsfunk – wie eine geschlossene Presseabteilung des Kanzleramts betätigt, ewig im Wahlkampf gegen Abweichler und Andersdenkende? Was sollte uns motivieren, für die Rechte von Journalisten einzutreten?

Sehen wir einmal davon ab, dass es denkbar wenig gibt, was eine moralisch-gesellschaftliche Sonderstellung von Journalisten rechtfertigen würde! Journalisten haben die Mehrheit der Bürger dazu erzogen, willig zu ertragen, was auch immer die Regierung tut, bis hin in den Tod. Deutsche Journalisten betreiben seit einigen Jahren etwas, das als größte Quasi-Kampagne in Deutschland seit Ende des sogenannten »Dritten Reiches« bezeichnet werden kann – eine ununterbrochene Dämonisierung von Abweichlern und Andersdenkenden, welche die Handlungen der Regierung in Frage stellen.

Was haben die Journalisten denn gedacht, dass passieren wird, nachdem sie die Mehrheit der Bevölkerung in den totalen Gehorsam gefaselt und die Andersdenkenden eingeschüchtert und ausgegrenzt haben? Dann wird die Regierung eben sagen: »Danke soweit, und jetzt ziehen wir die Kandare etwas an – für alle!« – In einem Text über Erdoğans Auftreten in Deutschland schrieb ich über Gutmenschen: »Wenn der nützliche Idiot nutzlos geworden ist, dann ist er eben nur noch ein Idiot.« – Ich überlasse es den heimlich mitlesenden Journalisten, selbst zu beurteilen, ob sie nützliche Idioten waren, einfach nur Idioten oder doch etwas ganz anderes.

Auf gewisse Weise wirkt der Staatsfunkler Mario Sixtus (ZDF) wie ein extra ehrlicher unter den Journalisten – er fordert inzwischen offen etwas, das an eine Diktatur erinnert, die keine Rücksicht aufwenden kann bezüglich »privatem Eigentum oder persönlichen Lebensplanungen« (@sixtus, 30.5.2019/archiviert) – man fragt sich, wie viele Leute beim deutschen Staatsfunk ähnlich schalten, aktuell aber nur zu feige sind, es zu äußern.

Was in die Luft fliegt, kommt auch wieder runter. Journalisten, die das Volk auf Gehorsam und Unterwerfung drillen, welche den blinden Gehorsam preisen und das Selbstdenken zu bestrafen suchen, wären nun wirklich selbst für Journalisten außerordentlich naiv, zu meinen, der Kelch der schleichenden Entdemokratisierung würde an ihnen vorbeigehen.

Das Prasseln

Manche Nachricht liest sich heute wie eine herabfallende Pistolenkugel, und oft ist es recht einfach herauszufinden, wer eine von den Kugeln abgefeuert hat.

Familienunternehmen, die für »Weltoffenheit werben«, was Code ist für »Grenzen auf, wir zahlen alles!« (siehe handelsblatt.com, 26.3.2019) – und dann doch doof finden, dass der Staat so viel Geld braucht, um das alles zu finanzieren (handelsblatt.com, 30.5.2019: »Unionsfraktionschef Brinkhaus erteilt weiteren Steuersenkungen eine Absage«), und dennoch das Land verkommen lässt – so ist das mit den Kugeln, die man in die Luft schießt!

In Berlin findet am kommenden Sonntag wieder die Al-Kuds-Demo statt, und damit wird Berlin wieder einmal zur Hauptstadt des Antisemitismus in Europa (siehe etwa tagesspiegel.de, 30.5.2019); einige derer, die nun über den offenen Antisemitismus mitten in Berlin schockiert sind, haben durch ihr Toleranz-Islamophobie-Hat-nichts-mit-nichts-zu-tun-Gefasel den gesellschaftlichen Rahmen geschaffen, innerhalb dessen auch antisemitische Demos mitten in Berlin erst möglich wurden – auch hier gilt die Metapher: so ist das mit den Kugeln, die man in die Luft schießt!

Ja, man könnte viele, viel zu viele Beispiele listen – das Prasseln der niederfallenden Kugeln, metaphorisch gesprochen, wird dichter und lauter.

In Parabeln

Pistolenkugeln fliegen in Parabeln. Einige derer, die von herabfallenden Pistolenkugeln getötet werden, sind Kinder, die eigentlich mit etwas Abstand zum Geschehen zugeschaut hatten, an der Hand ihrer Eltern.

Viele Opfer des neuen deutschen Wahns waren selbst keineswegs daran beteiligt – zum Teil sind es Kinder, die glücklich hätten aufwachsen können, wenn sie nicht in eine weitere Periode deutscher Verwirrung hineingeboren worden wären.

Wir wollen unser Bestes geben, all die Guten und Gehirngewaschenen daran zu hindern, noch mehr Munition in die Luft zu ballern. Bis dahin aber bleibt nur der Aufruf: Passt auf euch auf!

Weiterschreiben, Wegner!

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