Es war einmal ein Hund, der fürchtete sich immerzu. Vor dem Staubsauger fürchtete er sich. Vor dem Sturm fürchtete er sich. Wenn sein Frauchen am Klavier sich zum Stakkato in die Tasten stemmte, auch dann fürchtete er sich, und dann zitterte er ganz erbärmlich an allen vier seiner viel zu kurzen Gliedmaßen!
Die Besitzer jenes Hundes, sie fanden es beinahe niedlich, wenn der bange Hund wieder mal Nerven zeigte. Wenn das Tier wieder tippelte, wenn es wieder mal winselte, wenn es wieder hilflos die Zähnlein fletschte, dann juchzten sie: »Oh, wie süß!«, und sie bedauerten es auch: »Kleines Dummerchen!«
Ja, wenn das Tier sich fürchtete, dann streichelten sie ihren kleinen Hund, dann nahmen sie ihn hoch, und sie waren lieb zu ihm, sie waren außerordentlich lieb zu ihm – und doch, bei alldem, sie verachteten ihn.
Ja, sie verachteten das Tier, und sie verachteten es aus demselben Grund, aus welchem sie das Tier niedlich fanden, aus welchem sie das Tier trösteten, und warum sie das Hündchen, wörtlich wie bildlich gesprochen, auf den Arm nahmen.
Einen feigen Hund werden wir immer verachten, und dass wir ihn zugleich niedlich finden können, widerspricht dem nicht.
Geist als Funktion
Ein Anfänger in den Angelegenheiten der Meditation wird versuchen, mit viel Kraft all seine Gedanken zu verbannen und an nichts zu denken. Jedoch, der wahre »Trick« ist nicht, nicht zu denken, sondern sich vielmehr seiner Gedanken bewusst zu werden.
Die Gedanken loszulassen beginnt damit, die Gedanken zu betrachten, und zu sagen: »Oh, liebes Gehirn, jetzt denkst du an die anstehenden Rechnungen. Und du denkst an böse Worte, welche mir dieser oder jener sagte. Jetzt denkst du an den Urlaub nächstes Jahr. Nun denkst du wieder an die Rechnungen.«
Indem der Meditierende seine Gedanken akzeptiert und betrachtet, schafft er die Möglichkeit, eben diese Gedanken loszulassen. Indem der Denkende sich seiner Gedanken als solcher bewusst wird, begibt er sich auf eine höhere (oder zumindest: andere) Ebene, von der aus er sie loslassen kann.
Ich vermute, dass es sich mit unserer Furcht ähnlich verhält.
»Fürchte dich nicht!«, so hören wir, doch es klingt mir wie: »Habe keine Zahnschmerzen!«
Angst ist eine Funktion des Geistes, der Geist aber ist eine Funktion des Gehirns und damit des Körpers.
Meine Hoffnung ist ja, dass ich, wie der Meditierende, sagen kann: »Oh, da ist meine Angst, das ist ja interessant – und jetzt lasse ich meine Angst los.«
Lernen Sie, Ihre Angst zu akzeptieren und sie dann loszulassen, und wenn Sie es gelernt haben, dann lehren Sie es bitte auch mich.
Vor Spinnern und Verantwortung
Ein jeder Mensch kennt die Furcht. Angst ist ein Stück Lebenskraft. Wer überhaupt keine Furcht kennt, der ist, vulgär gesagt, »krank im Kopf«. Wir Übrigen aber, die wir uns in den vielen Schattierungen von »normal« bewegen (wollen), wir gleichen uns darin, dass wir zur Angst befähigt sind. Wir unterscheiden uns nur ganz wesentlich darin, was es ist, wovor wir Angst haben.
Manche Menschen fürchten sich vor Spinnen, manche vor Spinnern und andere vor Verantwortung (eine kluge Leserin merkt an, sie fürchte sich vor Spinnern in Verantwortung). Manche Menschen fürchten sich vor Arbeit und andere vor der Armut. Manche Menschen fürchten sich davor, die Freiheit zu verlieren, und andere fürchten die Freiheit selbst.
Manche Leute fürchten die Freiheit mehr als die Gefangenschaft – und ich fürchte diese Leute.