Am 21. April 2021 holte sich die deutsche Regierung vom Parlament die Ermächtigung, die Bürger Deutschlands automatisch und nach willkürlichen, auch wissenschaftlich nicht zu begründenden Kriterien als Gefangene in ihren Wohnungen einzusperren (siehe auch »Der ganze Preis der Corona-Panik«).
Ein Bundestagsabgeordneter äußerte sich zum Anti-Grundrechte-Gesetz und seinen Handlungen hierzu wie folgt:
Ich halte das Gesetz über die »Bundes-Notbremse« für falsch. Trotzdem habe ich zugestimmt. […] (@fritzfelgentreu, 21.4.2021/ archiviert)
Er fügt noch den Link zu seiner ausführlichen Verteidigungsschrift an (hier ist sie). Darin heißt es, er sei zwar noch immer dagegen, wolle sich aber nicht »gegen Fraktion und Koalition« stellen. (Ja, wir hören unsichtbare Stimmen, wie sie »Die Partei hat immer recht« summen. Laut seiner Witwe schrieb Louis Fürnberg jenes »Lied der Partei«, um sich selbst wieder zur Ordnung zu rufen; siehe Wikipedia.)
Mit Verlaub, es muss nicht weiter kommentiert werden, außer soviel: Dieser eine Politiker verschafft uns eine Verständnisebene für die uralte Frage zu ach-so-vielen Ereignissen in der Geschichte, jene dröhnende Frage: „Wie konnte es bloß dazu kommen?«, und wir verstehen die Antwort plötzlich in einer Tiefe, die selbst hundert Geschichtsbücher uns nicht eröffnet hätten.
Was sind das für Menschen, die all das Unrecht und Unheil der Geschichte gewähren ließen? Wir beginnen es zu ahnen, wenn wir die Ereignisse und ihre Akteure betrachten, wir erleben es live, etwa wie man die Glasbläser oder Schafscherer im Freilichtmuseum live erlebt.
Wir könnten eigene Bibliotheken füllen mit manch klugen Erklärungen zum Niedergang des Westens, doch niemand wird sie lesen wollen – sie werden überflüssig sein, denn die Todesursache des Westens als Heimat der gelebten Aufklärung und klugen kollektiven Selbstbestimmung ist schlicht in einem Satz zusammengefasst: Zu viele von uns taten, wovon sie wussten, dass es falsch ist – und zu viele von uns taten nicht, wovon sie wussten, dass es richtig gewesen wäre.
Nach den Diktatoren
Die uns bekannte Gegenwart läuft dieser Tage aus, wie eine Welle, die den Strand mit ihrer Präsenz ehrte, die mit den Zehen des barfüßigen Strandgängers spielte, und sich dann nach ihrem eigenen Rhythmus wieder ins Meer zurückzog, dessen Teil sie noch immer war. Eine Zeit lang werden unsere Zehen trocken und allein dastehen, und dann wird die nächste Welle sich ihrer annehmen – wie wird die nächste Welle wohl sein?
Die Zukunft existiert bekanntlich nicht, außer natürlich in unserer Erwartung. Wir werden die Zukunft, wenn sie eintritt, dann wieder unsere Gegenwart nennen (wobei der Futur in dieser Formulierung ja bereits eine Existenz der Zukunft zu implizieren scheint, weshalb wir hier gefährlich nah an der Zirkularität manövrieren). – Was lässt sich heute über die nächste Gegenwart sagen?
Wir kennen sie ja alle, diese klugen Sätze, welche die Erfahrung aus der Vergangenheit in die Zukunft hinein spiegeln. Wir kennen den Satz vom wiederkehrenden Faschismus, der sich Anti-Faschismus nennen wird. Wir kennen die Mahnung, dass wer in der Demokratie schläft, in der Diktatur aufwacht. Wir kennen alle die Varianten der Redeweise von der sich wiederholenden Geschichte (siehe auch Essay vom 15.02.2019: »Kleine Teile der sich wiederholenden Geschichte«).
Ich kenne diese Sprüche, und ich habe sie mehr als einmal selbst benutzt, doch heute tue ich mir schwer, irgendeinen politischen Epochenbegriff in die Zukunft zu spiegeln. Ja, es könnte sogar konkret gefährlich sein, alte Begriffe für neue Zeiten zu nutzen – während man in alten Kategorien denkt und sich gegen alte Feinde rüstet, kann das neue Böse ungehindert seine Wirkung entfalten (und wahrscheinlich wieder mit der Unterstützung jener, die sich für »die Guten« halten).
Wein und Schläuche
Aus der Geschichte zu lernen bedeutet nicht, mit deutender Gewalt die alten Begriffe auf neue Konstellationen anzuwenden. (Oder, um eine alte, geschichtsbewährte Metapher heranzuziehen: Man füllt »nicht jungen Wein in alte Schläuche«, so Jesus in Matthäus 9,14-17, denn dann »reißen die Schläuche« und »der Wein läuft aus«.)
Wenn wir die uns sichtbaren Linien in die Zukunft weiter zeichnen, werden wir für das, was wir bereits heute zu erkennen meinen, neue Begriffe benötigen.
Ich will an dieser Stelle einen Begriff für die Zukunft ausprobieren (dessen Voraussetzungen ich an anderer Stelle behandelt habe, etwa in »Künstliche Intelligenz und Mäusespeck« von 2019).
Ich will als Begriff für die nächste Epoche ausprobieren: »Automatic Happiness«, zu Deutsch etwa: Automatisiertes Glück. (Nachdem ich den Begriff entwickelte, googelte ich, und stieß zuerst auf einen Kaffee-Anbieter, was ich charmant finde.)
Ich halte es inzwischen für potentiell irreführend (auf bestimmte Weise sogar verharmlosend!), alte Begriffe wie »Faschismus« oder »Diktatur« für die Zukunft anzuwenden. Die alten Begriffe beinhalten stets, dass es Menschen gibt, Diktatoren und Potentaten, welche die Strippen ziehen. Während auch die neue Epoche mächtige Menschen und Institutionen kennen wird, so werden wir uns immer seltener direkt ihren Entscheidungen ausgesetzt fühlen.
Ampel und Gesichter
In China wird ja bereits, seit vielen Jahren schon, das Verhalten von Menschen mit dem automatischen Sozialkredit-System gesteuert (siehe Wikipedia). Interessanter noch als die Überwachung selbst ist die Tatsache, dass die Auswertung zu einem wachsenden Teil von Software und künstlicher Intelligenz erledigt wird.
Schon 2018 wurde berichtet (outride.es, 25.10.2018), dass erste chinesische Ampel-Kameras nicht nur erkennen, dass ein Fußgänger die Straße bei Rot überquerte, sondern mit Gesichtserkennung auch sagen können, wer es war. Die Daten des ungehorsamen Fußgängers werden an die chinesische Polizei gemeldet, welche innerhalb von 20 Minuten bereits via Smartphone ein Bußgeld an den Bürger sendet, der es dann sogleich via Weibo (chinesisches PayPal) bezahlen kann/muss/sollte.
Aber auch in Deutschland und Europa wird bereits das Verhalten der Bürger automatisch gesteuert. Die Benutzer der Sozialen Medien gewöhnen sich auch im Westen allmählich daran, bestimmte Worte nicht zu benutzen und kritische Gedanken so zu formulieren, dass die automatische Filter-Software der Anbieter gar nicht erst anspringt (die meisten Sperren passieren ja automatisch, und oft schaut wohl erst nach einem Schreiben vom Anwalt ein echter Mensch über die Angelegenheit).
Automatisch ohne Automaten
Nein, die alten Begriffe für Epochen scheinen mir nicht wirklich präzise zu greifen – die Zukunft wird nicht in erster Linie demokratisch, faschistisch oder vulgär diktatorisch sein, die nächste Gegenwart wird man zuerst automatisch nennen wollen. (Es ist auf eine für die Merkel-Ära typische, prä-technische Art tatsächlich »modern«, dass das unter dem Corona-Vorwand beschlossene Anti-Grundrechte-Gesetz automatische Mechanismen enthält, wonach bei einer bestimmten Inzidenz bestimmte Freiheitseinschränkungen greifen, automatisch und mit Entmachtung der zuständigen Gerichte. Es ist »automatisch« ohne Automaten – und ohne »happiness«.)
Die Zukunft ist, entgegen manches dystopischen Gefühls heute, keineswegs notwendigerweise »unglücklich«. Meine Argumentation ist so einfach wie möglicherweise zynisch: Es ist langfristig finanziell einträglicher für Konzerne wie auch für Staaten, wenn Menschen »halbwegs glücklich« sind – oder zumindest »nicht unglücklich«.
Ein unglücklicher Mensch ist in den Berufen der Zukunft schlicht weit weniger produktiv als ein Mensch, der realistisch aufs Glück hofft, dessen Tag mindestens so viel Glück bereithält, dass er sich ein wenig auf den nächsten Tag freut. (Es ist nicht Nächstenliebe, warum Google & Co. ihren Top-Programmierern den Arbeitsplatz wie einen Kindergarten mit allerlei Spielzeug gestalten – und manchmal sogar einen buchstäblichen Kindergarten für die Kinder der Programmierer betreiben.)
Schon lange genügt es nicht mehr, wenn die Kirche den Menschen ein besseres Leben nach dem Tode verspricht, damit sie sich durch jahrzehnte- und generationenlanges Elend quälen. Selbst der iPhone-Hersteller Foxconn beginnt zu merken, dass es wichtig für die Qualität der Produkte ist, dass die Fließbandarbeiter »optimistisch« sind – und dass erfahrene, relativ gut verdienende, aber unzufriedene Arbeiter sich neue Jobs suchen (businessinsider.com, 7.5.2018).
Der Mensch der »neuen Gegenwart« wird nicht einmal bis zum jeweils nächsten Wochenende warten wollen, um ein wenig Glück zu finden. Um produktiv zu sein, wird der Mensch im Zeitalter der Automatic Happiness einen Grund verlangen, warum er sich auf den nächsten Tag freuen soll – und dank moderner Psychologie und Konsumentenforschung können Konzerne und konzernartige Staaten auch ein tägliches kleines Glück liefern, das weit über »Bier und Glotze« hinausgeht (solange er sich an die neuen, automatisch durchgesetzten Regeln hält, selbstverständlich).
Die nächste Gegenwart
Wahrscheinlich würde uns ein Leben lang das Gewissen plagen, wenn wir heute nicht zumindest unseren Protest gegen das Treiben der Merkelbande zu Protokoll geben würden.
Ich will es wagen, Ihnen und mir gleichermaßen diesen Mut zuzusprechen: Was auch immer du tust im Leben, ob du kämpfst oder dich in Sicherheit bringst, sei nicht wie jener Abgeordnete, der das Falsche stärkt, wohl wissend, dass es falsch ist!
Darüber hinaus aber will zumindest ich versuchen, mindestens mich selbst auf die nächste Gegenwart einzustellen.
Automatic Happiness bedeutet, dass die Jobs der Zukunft direkt oder indirekt mit Automatisierung zu tun haben werden. Wer auf praktische Art nützlich (und dadurch im Arbeitsmarkt gutes Geld wert) sein will, sollte in irgendeiner Form die Automatisierung der Welt vorantreiben und instand halten.
Regierungen erforschen ja seit Jahren schon, was wir für Glück halten – und dann: halten sollen (vergleiche in Deutschland etwa die »gut leben in Deutschland«-Kampagne – siehe gut-leben-in-deutschland.de). Konzerne wie Apple und Nike geben sich ja seit Jahrzehnten schon zuerst als Quasi-Religion und Glücks-Garanten, nicht als die Verkäufer von in China geklebten Telefonen und Turnschuhen, die sie doch tatsächlich sind.
Politische Debatte ist in China bereits seit Jahren quasi verboten. In Deutschland wird in diesen Jahren jede Kritik an der Moral-des-Tages mit hohen sozialen und potentiell finanziellen Kosten belegt, wodurch jede politische Debatte heute reduziert wird auf: »Bist du gut, also denkst du genau das, was du denken sollst, oder bist du böse, indem du die aktuellen Hauptmaßnahmen der Regierung in Frage stellst?«
Neue Debatten, zur Vollständigkeit
Die Debatten in der nächsten Gegenwart drehen sich für den Bürger nicht mehr um die Wahrung nationaler Interessen (Regierungen wie in China treiben sie voran, Regierungen wie in Deutschland arbeiten massiv gegen die Interessen des eigenen Landes, in beiden Fällen kann der Bürger wenig tun). Die Debatten der Zukunft drehen sich um den »Happiness«-Teil von »Automatic Happiness«.
Für den »Automatic«-Teil von Automatic Happiness ist es für den einzelnen Bürger ratsam, sich Kenntnisse rund um Automatisierung anzueignen. Für den »Happiness«-Teil aber wäre es ratsam, darüber nachzudenken, was man unter »Happiness« versteht. Was bräuchte es für mich, damit ich mich »glücklich« nennen kann?
Ich halte sehr viel vom »lebenslangen Lernen« – ja, wäre ein Leben ohne Lernen überhaupt ein vollständiges Leben?
Ich rate einem jeden von uns, ob Sie 10 oder 100 Jahre alt sind, sich nach bestem eigenen Vermögen über die bei Automatisierung eingesetzten Technologien zu informieren. Auch wenn man nicht selbst für Geld zu programmieren beabsichtigt, so helfen die Kenntnisse doch, die nächste Gegenwart zu verstehen. (Starten Sie doch eine Tabellenverarbeitung wie Google-Tabellen (oder natürlich Microsoft Excel) und nutzen Sie Funktionen, um Ihre täglichen Ausgaben zu erfassen – jedes kleine Bisschen an Automatisierungs-Wissen ist nützlich!)
Ich rate jedem von uns, keinen Tag vorübergehen zu lassen, ohne sich in Verbindung mit den alten Weisheitslehren zu setzen, sei es die Bibel, das Dhammapada oder die alten Griechen – manche sagen, die Stoiker zu studieren sei heute besonders nützlich.
Das also, liebe Leser, halte ich heute, im April 2021 für einen Begriff, der unsere nächste Gegenwart beschreiben könnte: Automatic Happiness, das automatisierte Glück.
Ich will loslassen, was verloren ist. Ich will dem ins Auge sehen, was auf uns zukommt. Ich will nützlich sein, meine Anwesenheit auf diesem Planeten soll sinnvoll gewesen sein.
Ich wünsche mir, dass wir und unsere Kinder tatsächlich etwas Glück finden können, auch und gerade in einer automatisierten Welt, vielleicht sogar Glück, dass über den Tag hinaus geht.
In technischen und manchen sozialen Aspekten wird die Welt sehr bald eine sehr andere sein. Wir Menschen aber, wir werden noch immer dieselben Menschen sein, mit denselben Hoffnungen und Ängsten, Schwächen und Stärken, und auf diese Weise wiederum wird die Welt dann doch die gleiche bleiben – das immerhin, liebe Leser, das ist ein wenig beruhigend.