Dushan-Wegner

09.08.2020

Heute wegen Covid, morgen wegen falscher Meinung

von Dushan Wegner, Lesezeit 10 Minuten, Foto von Peter Oswald
Eltern wird gedroht, dass man ihnen Kinder wegen Covid wegnimmt. Wer die Regierung hinterfragt, wird übel beschimpft (»Nazi«, etc). Nächster logischer Schritt: Wenn Eltern für IRGENDEINE Regierungs-Kritik denunziert werden, nimmt man ihnen die Kinder weg.
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Zwei Schüler kamen zum Meister, sie waren Beamte am Hof des Königs. – »Man spricht im Land«, sagte der Meister, »dass wichtige Beschlüsse anstehen.«

Die Beamten, die ja als Schüler gekommen waren, bestätigten es nicht, und sie verneinten es nicht.

»Richtig«, sagte der Meister, »richtig. Lasst uns nun lernen! Ihr seid kluge Beamte, also versteht ihr euch gewiss auf die Kunst des Chrysanthemenpflanzens, nicht wahr?«

»Sicherlich, Meister, wir verstehen uns auf das Pflanzen der Chrysanthemen«, sagten die Beamten, die nun Schüler waren, doch sie sagten es auf eine Weise, die zu verstehen gab, dass sie diese Kunst keineswegs beherrschten, dass es lediglich arg unhöflich gewesen wäre, dem Meister zu widersprechen.

»Wohlan, hier sind Stecklinge«, sagte der Meister, »und hier sind Matten für die Knie, denn die Erde ist noch nass, und die nasse Kälte soll uns ja nicht in die Knie gehen, das wäre ein ganz falsches Pflanzen!«

Die Schüler lachten. Jeder Schüler nahm seinen Setzling und jeder seine Kniematte.

Es fehlte noch etwas!

»Ich habe nur eine Handschaufel«, sagte der Meister, »wir werden uns im Gebrauch der Handschaufel abwechseln müssen.«

»Wir werden uns abwechseln im Gebrauch der Schaufel!«, bestätigten die Schüler.

»Ich pflanze hier«, sagte der, »pflanzt ihr doch dort und dort! Ist euch das recht?«

Die Schüler stimmten zu und platzierten ihre Kniematten vor die Stellen, wo sie die Stecklinge pflanzen würden.

Die Stellen, auf welche der Meister zeigte, waren jeweils zwei Armlänge voneinander entfernt.

Das Pflanzen der Chrysanthemen war eine spaßige Angelegenheit. Die Schüler beugten sich jeweils vor, um einander die Schaufel zu reichen. Als die Löcher ausgehoben waren, mit Schaufel und mit Händen, fiel ihnen ein, dass sie noch Wasser bräuchten. Der Meister tat entsetzt und ratlos. Die Schüler ließen sich auf das Spiel ein. Zwei Armlängen voneinander kniend debattierten sie die Lage, bis sie beschlossen, dass einer von ihnen aufstehen, einen herumstehenden Eimer nutzen und Wasser holen würde, damit sie alle drei die Erde befeuchten könnten.

Es war eine unterhaltsame Angelegenheit, ein Spiel, dieses Pflanzen der Blumen.

Schließlich waren drei Blumen gepflanzt. Der Meister und die Schüler standen wieder auf ihren Beinen und streckten ihre Rücken.

Der Meister fragte den ersten Schüler: »Was hast du getan?«

Der erste Schüler antwortete: »Ich habe einen Setzling in die Erde gelegt, eine Blume gepflanzt!«

»Gut«, sagte der Meister, und er fragte den zweiten Schüler ebenso, und der antwortete nicht anders: »Ich habe einen Setzling in die Erde gelegt, ich habe eine Blume gepflanzt!«

»Richtig«, sagte der Meister, »das ist richtig. Und was haben wir gemeinsam getan?«

Die Schüler verstanden die Frage nicht. Der Meister sagte: »Wir haben gemeinsam am Garten gearbeitet!«

Die Schüler nickten, weitere Erklärungen abwartend.

»Jeder von euch hat einen Setzling gepflanzt. Ihr habt einander geholfen, das ist wahr und klug, doch jeder hat seinen eigenen Setzling in die Erde gelegt, jeder war für seinen eigenen Setzling verantwortlich. Zugleich aber haben wir gemeinsam am Garten gearbeitet, haben den Garten verschönert für jene, die nach uns kommen. Indem wir jeder seinen Setzling gepflanzt haben, hat ein jeder am Garten gearbeitet.«

Die Schüler nickten wieder, und sie nickten wieder höflich, wie es sich für Beamte des Königs gehört.

Der Meister ergänzte: »Ich aber war der Beamte.«

Die Beamten verstanden nicht, und sie fragten: »Ihr wart der Beamte?«

Der Meister lächelte. Er sagte: »Ich habe jeden seinen Setzling pflanzen lassen. Indem jeder von uns seinen eigenen Setzling in die Erde legte, und indem wir einander halfen, arbeiteten wir gemeinsam an einem schöneren Garten für die, die nach uns kommen. Wenn das Land klug und gerecht regiert wird, spüren viele Bürger Lust, einen Setzling in die Erde zu legen, Nützliches zu erfinden und Wertvolles zu erschaffen. Der Beamte überwacht, dass die Bürger ihre Geschäfte derart treiben, dass gemeinsam ein schönerer Garten entsteht für die, die nach uns kommen.«

Die Beamten verstanden. Der ältere der beiden Beamten fragte nach: »Was aber ist die Aufgabe des Bürgers?«

»Der Bürger hat seine Chrysanthemen zu pflanzen«, sagte der Meister, »und er hat darauf zu hoffen, dass die Beamten für genug Wasser und den richtigen Abstand sorgen, auf dass die Arbeit des Bürgers größer ist als diese eine Chrysantheme, größer als die Blüten eines Sommers, so prächtig diese auch leuchten mögen.«

Kinder-Isolation?!

Niemand wird noch ernsthaft an der Illusion festhalten, dass die Maßnahmen gegen das China-Virus ausklingen und bald vorbei sind. Anfang August 2020 versammelten sich viele Tausend Menschen in Berlin zum Protest gegen das, was sie als »Corona-Willkür« empfanden (mehr dazu im Essay vom 6.8.2020).

Im Namen des China-Virus drohen inzwischen Maßnahmen, die sogar für China arg drastisch wären: Man droht, Eltern ihre Kinder wegzunehmen, wenn »Corona-Verdacht« herrscht (siehe etwa hessenschau.de, 6.8.2020). Gleichzeitig wird versucht, die Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierung mit »Nazis« und »Rechtsextremen« in Verbindung zu bringen (vergleiche etwa bild.de, 8.8.2020), obwohl sogar der zuletzt nicht gerade durch übersteigerte Neutralität auffallende Verfassungsschutz verneint, dass Extremisten die Corona-Demonstrationen prägen würden (vergleiche zeit.de, 7.8.2020). Wie weit sind wir davon entfernt, dass die Denunziation, die Eltern seien »Nazis« oder »Rechte«, genügt, um Eltern ihre Kinder fortzunehmen?

Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, und ich sehe nicht, wer von den Staatsfunkern und staatlich co-finanzierten Journalisten seinen Job riskieren sollte, um sich auf die Seite von Familien zu stellen, die in den Augen der »Guten und Gerechten« doch nur »Nazis«, »Abschaum« und »Ratten« sind. Es fällt immer schwerer, jenen zu widersprechen, die in der ganzen Mundschutzpflicht eine zynische Schikanierung der Untertanen sehen, einen symbolischen Knebel – zu offen zeigen Politiker, dass für sie selbst die Regeln nicht zu gelten scheinen. Der Bürger ohne Maske wird als »Covidiot« beleidigt (Esken, SPD) – sind in der Meinung der SPD-Chefin denn auch Bundespräsident Steinmeier (siehe welt.de, 8.2.2020) oder ihr extra-enger Parteifreund Kühnert (siehe ruhrnachrichten.de, 8.8.2020) ebenfalls »Covidioten«? Was ist denn falsch daran, wenn Bürger dasselbe Recht für sich einfordern, wie Politiker in eigener Sache gelten lassen? Haben sich deutsche Politiker wirklich so sehr in ihre Überzeugung hineingesteigert, sie seien nicht nur im gesellschaftlichen Wert, sondern auch bei Genetik und Immunsystem uns, dem Pöbel, der ihnen zu dienen hat, weit überlegen? Oder, »auf gut Deutsch« gefragt: Sind die Corona-Maßnahmen eine einzige riesige Verarsche?

Sein kleines Stück Deutschland

Ich erinnere mich lebendig daran, als ich – im selben Moment! – die wahre und große Bedeutung öffentlicher Politik verstand, und zugleich ein schwärender, bis heute wahrlich nicht verloschener Zynismus vor meinen Blick auf die Politik zog, wie ein Schleier, eine Trübung, die einem partout nicht von der Linse des Auges verschwinden will.

Ein Lokalpolitiker – nomina odiosa – berichtete mir von den klugen Absichten seiner Partei, von den vielen Maßnahmen, die seine Partei beabsichtigt, von den angestrebten Ge- und Verboten – ach, mir wurde vor lauter edler Absicht und elender Details schwindelig im Kopf.

Ich fragte zurück: »Sollte nicht jeder Bürger sich um sein kleines Stück Deutschland kümmern, und dann wird es für alle gut werden?!«

Ich weiß, ich weiß – welch schwärmerische Naivität meinerseits, welche unbedarfte Dummheit! Ähnliches ließ auch er mich wissen, wenn auch in eines angesehen Lokalpolitikers würdigen Worten. Die Essenz seiner Replik war: »Das müssten durch und durch anständige Menschen sein, die man einfach so machen lassen könnte!«

Will man jenem Ungenannten denn widersprechen? Ja, man will widersprechen – und wie! – doch wie wasserdicht wäre unser Widerspruch?

Manche politische Nachricht, mancher gesellschaftliche Funkenschlag heute entzündet sich an der Reibung zwischen politischen Absichten (ob gerechtfertigt oder nicht) und dem inneren Feuer des Einzelnen, sein Leben nach seinem Gusto und seiner besten Einsicht zu leben, oder wie wir Liberalen-im-Wortsinn (nicht jenes Parteiwrack in Berlin) es nennen: in Freiheit.

Behörden sagen, sie seien »missverstanden« worden (focus.de, 8.8.2020). Es wirkt ein klein wenig komisch, wenn die üblichen »Gewinner« von Merkel-Maßnahmen, hier: Wohlfahrtskonzerne und ihre Zweigstellen, bereits Stellenanzeigen schalten für Isolations-Aufseher, pardon, ich meine, für eine »Pädagogische Fachkraft (m/w/d) in einer Inobhutnahme für Kinder und Jugendliche in Quarantäne« (jobs.diakonie-michaelshoven.de, Stellenanzeige vom 6.8.2020, am 9.8.2020 abgerufene Version). – Etwas später würde man die Stellenanzeige umformulieren (hier das archivierte Original / hier die jeweils aktuelle Version, solange sie online ist), gemeint seien natürlich nur Kinder, die bereits in Obhut waren und sich dann später als infiziert erwiesen, siehe auch diakonie-michaelshoven.de nach. Die Original-Formulierung »Kinder und Jugendliche, die aufgrund eines Covid-19 (Corona) Verdachts oder aufgrund eines bestätigten Falles im nahen Umfeld unter Quarantäne stehen« wurde durch etwas weniger »Missverständliches« ersetzt.

Der Landkreis Offenbach weist die Vorwürfe zurück, man habe die Eltern einschüchtern wollen, als man von Strafgeldern und Isolation redete (op-online.de, 1.8.2020), man wolle vielmehr den Eltern die Angst nehmen. Es passt zum orwellschen Zeitgeist: Krieg ist Frieden, Zensur ist Meinungsfreiheit, Angst einjagen ist Angst nehmen.

In jeder wachen Minute

Jedes Wort, das die Mächtigen in Hörweite der Untertanen sagen, beeinflusst deren Verhalten – insofern ließe sich jedes Wort, das die Mächtigen sagen, richtig »Propaganda« nennen. (Die in Deutschland übliche Unterscheidung, wonach »Propaganda« das ist, was Regierungen sagen, welche Berlin heute nicht mag, diese Fake-Unterscheidung ist mir zu blöd, um sie weiter zu debattieren. Es ist einfach: Deutschland ist ein Propaganda-Land, insofern als der Bürger vom Aufstehen an, auf der Fahrt zur Arbeit, beim Lesen oder Hören der Nachrichten durchgehend bis zum erzieherischen Unterhaltungsfilm vorm Schlafengehen politisch auf linksgrüne Linie gebracht wird.)

Die Propaganda, welche auf den »normalen« deutschen Bürger in jeder wachen Minute seines Tages einwirkt, ist nicht das einzige Problem, nicht der alleinige Kern. Es wäre mir gewiss lieber, wenn der Bürger mehr Freiheit hätte, mehr Raum und Zeit fürs eigene Denken – es wäre jedoch viel gewonnen, wenn die Propaganda nicht seit Jahren nun offen zerstörerisch wäre, die Menschen zu innerer Verwahrlosung, Wurzellosigkeit und geistiger Sklaverei erziehend.

»Sollte nicht jeder Bürger sich um sein kleines Stück Deutschland kümmern, und dann wird es für alle gut werden?!«, so fragte ich jenen Politiker damals zurück. Seine Antwort war gewesen, sinngemäß: »Das müssten durch und durch anständige Menschen sein, die man einfach so machen lassen könnte!«

Damals stimmte ich ihm zu, wenn auch mit Bauchweh, so weit ich mich erinnere. Heute widerspreche ich noch immer nicht, außer darin – und das mit Nachdruck! – dass »es nun mal so ist«, dass es nicht anders sein kann.

Nicht nur meine ich (oder: hoffe ich…), dass eine traditionsbewusste, auf kluge Weise ethische und tief im Anstand verwurzelte Gesellschaft möglich ist, ich denke auch, dass es die einzige Art ist, langfristig irgendeine Art von Freiheit möglich sein zu lassen.

In der Geschichte vom Meister und den beiden Schülern pflanzt jeder der Schüler seine Chrysantheme, nach seinem besten Können und Wissen, und wenn der Meister die Pflanzorte klug zugeteilt hat, wird aus der Mühe der Einzelnen ein gemeinsamer Garten entstehen, dessen Schönheit und Wert die Leistung jedes Einzelnen überschreitet, ja, sogar von anderer Art ist. Dass der Meister die Schüler überzeugte, mit ganzem Einsatz jeweils ihre Chrysantheme zu pflanzen, dass könnte man im Staat den Anstand nennen, die Werte und die Tradition.

Ein schöner, kräftiger Garten

Durch Technik und Kommunikation, aber auch durch die global-kollektive Erfahrung, sind die Werkzeuge des Einzelnen tausendfach vielfältiger und mächtiger als die eines gewöhnlichen Einzelnen noch vor wenigen Jahrzehnten.

Ich widerspreche dem gefährlichen, giftig grünen Geist des politischen Globalismus so laut ich kann. Ich meine nicht, dass eine Welt ohne Grenzen eine bessere, lebenswertere Welt wäre.

In einer hoch-komplizierten Welt lässt sich nicht jede einzelne Handlung der Menschen regulieren – es sind schlicht durch die Mathematik der Kombination zu viele verschiedene Handlungen möglich.

In einer komplizierteren Welt braucht es weniger Gesetze, nicht mehr (wenn sie befolgt werden sollen, statt nur Drohung und Unfreiheit zu sein). Die wenigen Gesetze jedoch müssen ineinandergreifen mit der Erziehung der Menschen zu Anstand, durchdachten Werten (nicht die dumme Bauchgefühl–Moral der Baizuos) und, ja, bewährter Tradition.

Je vielfältiger und mächtiger die Möglichkeiten des Einzelnen, umso dringender braucht es täglichen Anstand, echte Klugheit und bewährte Werte.

Spätestens wenn sie uns androhen, unsere Kinder wegzunehmen – heute wegen »Corona«, morgen wegen »falscher Meinung«, ahnen wir, dass das Denken des Propaganda-Landes Deutschland aus der Spannbreite des Anständigen herausgleitet.

Um es mit der kleinen Geschichte zu Beginn dieses Essays zu sagen: Pflanzt eure Chrysanthemen, denn für die – und nur für die, seid ihr verantwortlich – und sucht euch eine Regierung, die dafür sorgt, dass genug Wasser zur Verfügung steht, keine bösen Leute in den Garten kommen um die Chrysanthemen zu zertrampeln, und ansonsten natürlich dafür, dass ihr eure Blumen in einem Abstand pflanzt, der zum Schluss einen schönen, kräftigen Garten ergibt.

Pflanzt eure Blumen – und sucht eine Regierung, die euch dabei hilft – statt euch zu beschimpfen und euch anzudrohen, die Kinder fortzunehmen!

Weiterschreiben, Wegner!

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