Nur weil zwei das Gleiche tun, so sagen wir in Deutschland, ist es noch lange nicht dasselbe. Für die Lateiner heißt das natürlich: »Quod licet Iovi, non licet bovi«, was wörtlich bedeutet: »Was Jupiter darf, darf der Ochse noch lange nicht.«
Wenn Sie selbst sich etwa vor den Behörden allzu vorteilhaft »nicht erinnern« können, dann ist das sehr verdächtig und könnte den Verdacht wecken, dass Sie ein böser Finger sind. Wenn der Bundeskanzler aus der Rent-a-Sozi-Partei sich nicht erinnern kann – oder sich sogar in Widersprüche zu verstricken scheint! – dann ist das natürlich eben so.
Und auch wenn zwei Leute dasselbe sagen, dann bedeutet das Wort noch lange nicht dasselbe. Ich habe mir etwa mal ein Schloss gekauft, und ein Bekannter von mir hat das ebenfalls getan. Mein Schloss war fürs Fahrrad, und seines steht in Polen.
Ja, und auch in politischen Angelegenheiten kann es zu lustigen Missverständnissen kommen! Das ist geradezu zum Schmunzeln, wenn nicht sogar zum lauten, lebensfrohen Lachen!
Letztens etwa, da sprach die Regierung von Freiheit, und ich dachte, die meinen Freiheit, und tatsächlich meinten die Einschüchterung, Einheitsmeinung und Angst vor Andersdenken. Haha, so kann man sich irren. Gut, dass wir das geklärt haben.
Was ist schon absolut?
Der deutsche Propagandastaat hat sich ein neues Wort ausgedacht: »digitale Gewalt«. Und dagegen will man ein Gesetz erlassen. Auf der Website des Justizministeriums heißt es, man wolle so gegen »besonders herabwürdigende Ausdrücke – oder Morddrohungen« vorgehen (bmj.de, 12.4.2023). Und der Staatsfunk des Propagandastaates berichtet, dass wer »wiederholt andere im Internet schwerwiegend persönlich angreift«, nun »mit schärferen Konsequenzen rechnen« muss (tagesschau.de, 11.4.2023).
Das Problemchen ist, dass in der Außenkommunikation sehr wichtige Informationen fehlen. Wäre das Verhältnis von Bürger und Justizministerium eines von Geschäftsleuten, wäre das FDP-Justizministerium an diesem Punkt womöglich ein Fall für die Justiz wegen Betrugsversuch nach § 263 StGB – und der Staatsfunk gleich mit, wegen aktiver Beihilfe – oder wir haben auch das missverstanden. Immer diese Missverständnisse!
Der Kerngedanke des Gesetzes soll sein: Wer meint, dass ihm »digitale Gewalt« angetan wurde, kann sich künftig einfacher mit Hilfe des Staates als Geheimdienst-in-eigener-Sache betätigen, und herausfinden lassen, wer es war, der anonym etwas Böses gegen ihn sagte.
In der propagandistischen Begleitung dieser Maßnahme heißt es immer wieder, es ginge um den Kampf gegen »Hass«.
Schon 2018 im Essay »Deine Meinung ist Hass, und Hass ist keine Meinung« habe ich herausgearbeitet, wie problematisch die an die DDR angelehnten Propagandastaat-Begriffe »Hass« und »Hetze« sind. (Müsste man nicht die Bibel verbieten? Die ruft doch oft genug zu »Hass« auf, im Alten Testament (etwa Sprüche 8:13, Psalm 119:104) oder im Neuen Testament (etwa Römer 12:9, Hebräer 1:9).)
Hakt man näher nach, warum der Propagandastaat denn ein Gefühl verbieten will, weicht der dann seit Jahren regelmäßig aus, man habe gar nicht wirklich ein Gefühl verbieten wollen (tatsächlich will man vermutlich vor allem die permanente Angst im Volk schüren, negative Gefühle zu äußern), man gehe lediglich gegen Volksverhetzung oder herabwürdigende Beleidigungen vor.
Nun, schon das war bislang wenig glaubwürdig. Wenn es gegen die aktuellen Gegner des vorgegebenen Narrativs geht, scheint man im Propagandastaat recht wenig Hemmungen in dieser Hinsicht zu kennen. Es ist linker Usus, auch im Staatsfunk, beim Angriff auf Andersdenkende etwa auf das Sprachbild »Ratten« zurückzugreifen (Essay vom 16.02.2019, vom 4.3.2019, vom 6.11.2022).
So problematisch also die Verwendung des Propagandawortes »Hass« ist – dieses Vorhaben der Regierung von Olaf »Erinnerungslücke« Scholz und des sehr glaubwürdigen FDP-Justizministeriums geht in seiner Perfidie darüber hinaus.
In den Eckpunkten (via bmj.de, April 2023, S. 3 von 6, Stand 16.4.2023) zu diesem Papier heißt es, das Gesetz solle sich auf »alle Fälle der Verletzung absoluter Rechte« erstrecken.
Im offiziellen Eckpunkte-Dokument selbst heißt es als Beispiel, das Gesetz beziehe sich etwa auf Fälle wie eine »Restaurantkritik« online, wenn der Restaurateur eine »Schädigung durch wahrheitswidrige Nutzerkommentare« fürchte.
Eine »Restaurantkritik« explizit als Fall digitaler Gewalt zu nennen, das klingt selbst für ein FDP-geführtes Ministerium reichlich absurd.
Meine Vermutung ist, dass es auch absurd klingen soll.
Man beachte nämlich den erwähnten Titel ebendieses Abschnitts. Es geht angeblich um »Verletzung absoluter Rechte«. Zu den »absoluten« Rechten zählen aber nicht nur das Persönlichkeitsrecht, sondern auch weitere »Immaterialgüterrechte« wie Urheberrecht oder Markenrecht.
Wenn Sie jemals ein Bild teilten, eine Nachricht zitierten oder eine Marke namentlich erwähnten, könnten Sie potentiell damit gegen ein absolutes Recht verstoßen haben – was in der orwellschen Sprache des Jahres 2023 nun als »digitale Gewalt« gilt und damit die Vorratsdatenspeicherung für Sie aktivieren, zur Accountsperre führen und zur Herausgabe Ihrer persönlichen Daten wie E-Mail und IP an Ihren Gegner führen kann. (Siehe dazu auch netzpolitik.org, 14.4.2023.)
Oder ist das alles nur ein Missverständnis?
Hiermit getan!
Ach ja, so manches Missverständnis kann eintreten, wenn man nicht vorab klärt, was man mit Worten meint.
Wenn junge Männer eine »Kartoffel« zusammenschlagen, dann ist das wohl ein »Zwischenfall«, doch wenn einer etwas Böses über einen Politiker oder ein Restaurant schreibt, oder wenn er gar einen Videomitschnitt vom Staatsfunk postet, um der Propaganda ihre Heuchelei zu belegen, dann läuft das bald wohl unter »digitale Gewalt«. (Ich habe von Fällen gehört, da ließ ein ARD-Sender online die Clips löschen, in denen er Warnungen vor Corona als »rechte Verschwörungstheorie« verhöhnt hatte – angeblich wegen Urheberrechten, keinesfalls weil es selbst für Staatsfunkverhältnisse peinlich ist. – Journalisten ihren eigenen Bullshit vorzuhalten, auch das ist wahrscheinlich »digitale Gewalt«.)
Wir beobachten, seit Merkel, das Abgleiten Deutschlands in Denkweisen, die wir laut einstigem Geschichtsunterricht eher unter Totalitarismus und nicht unter freiheitliche Demokratie einsortiert hätten.
Natürlich stellt sich die Frage, ob und was wir tun können.
Nun,wir können diese Entwicklungen brandmarken und kritisieren – hiermit getan. Vielleicht bringt es ja was.
Vor allem aber will ich lernen.
Ich will mich in nützlichen Denkregeln üben, und ich will mich darin üben, immer im Kopf zu behalten, dass Wörter für unterschiedliche Leute unterschiedliche Bedeutung tragen können.
Wenn zwei das Gleiche tun, ist das noch lange nicht dasselbe.
Und wenn die Regierung etwas sagt, dann bedeutet das noch lange nicht dasselbe, wie wenn du es sagen würdest.
Womöglich bedeutet es etwas ganz anderes, das Gegenteil gar, und das solltest du im Hinterkopf behalten – sonst stehst du schnell als Ochse da.