12.01.2025

Was ist in Großbritannien los?

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Bild: »Blind gehts«
In Großbritannien wird der ehemalige Minister Ivor Caplin verhaftet. Caplin gehört(e) zu Keir Starmers Verteidigern gegen Elon Musk (Thema »Grooming Gangs«). – Man sollte lieber nicht sagen, was man wirklich denkt über manche der »Eliten«.
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Am Samstag, dem 11. Januar 2025 wurde in Großbritannien ein Herr namens Ivor Caplin verhaftet (thesun.co.uk, 11.1.2025) und seine Wohnung durchsucht (dailymail.co.uk, 11.1.2025).

Laut Wikipedia wurde Caplin im Jahr 1991 zum ersten Mal in ein politisches Amt gewählt. Caplin war Member of Parliament von 1997 bis 2005, von 2003 bis 2005 diente er sogar Tony Blair als Verteidigungsminister. Caplin betreibt heute eine Beratungsfirma und ist Chef einer privaten Kapitalverwaltung.

Ivor Caplin trat für die britische Labour Party an, ebenso wie übrigens auch der derzeitige britische Premierminister Keir Starmer.

Im Juni 2024 aber wurde Caplin plötzlich von der Labour Party suspendiert, doch es wurden öffentlich keine Gründe angegeben. Es handelte sich wohl um »schwerwiegende Anschuldigungen« (brightonandhovenews.org, 11.06.2024).

Das Jahr 2025 ist noch keine 2 Wochen alt, und es fühlt sich bereits wie ein Jahrzehnt an Ereignissen an. Zu Beginn dieses absehbar ereignisreichen Jahres also wurde Ivor Caplin verhaftet, und nun erfahren wir auch von den Anschuldigungen: Caplin hatte versuchte, einen vermeintlichen 15-jährigen Jungen zu treffen, den er als solchen online angechattet hatte.

Die Zivilisten müssen’s richten

Eine zivile Aktivistengruppe namens »STOP Stings« (online auf facebook.com) hatte den Labour-Politiker online in eine Falle gelockt und so getan, als spreche er mit einem 15-jährigen Jugendlichen. Das vereinbarte Treffen des 66-Jährigen mit dem vermeintlich 15-Jährigen wurde dann live als Facebook-Video übertragen – die Polizei war dabei, und konnte wohl nicht anders, als den ehemaligen Verteidigungsminister zu verhaften.

Ja, es waren private »Aktivisten« (die diesen Namen auch verdienen). Wenn es nicht um böse Facebook-Posts geht, muss die britische Polizei wohl eher »zum Jagen getragen werden«.

Auf einem X-Profil mit seinem Namen steht in der Bio, dass er unter anderem ehemaliger Verteidigungsminister ist, außerdem schwul, man erwähnt »Pride events« und beschreibt ihn als »LGBT-Schirmherr«.

In den X-Posts betont jener Account, dass Caplin für den Verbleib Großbritanniens in der EU war (tatsächlich sagt dies der letzte X-Post vom 11.1.2025). Falls ihr euch wundert, warum ich es bis jetzt nicht verlinkte: Das X-Profil enthält zwischendurch, warum auch immer, auch sehr eindeutige pornografische Inhalte. Das könnte dafür sprechen, dass es ein Fake-Account ist – warum aber folgen ihm dann so viele seiner politischen Kollegen? (Nur der archivarischen Vollständigkeit halber: X-Profil @ivorcaplin (archiviert Stand 11.1.2025))

Natürlich hat ein Verdächtiger und auch ein Angeklagter bis zur Verurteilung als unschuldig zu gelten. Im Video von seiner Festnahme sagt Caplin, er sei unschuldig und bloß in die Stadt unterwegs gewesen.

Doch seien wir stets ehrlich: Gegeben die bisherigen Umstände, widerspräche es doch aller Lebenserfahrung, wenn da wirklich nichts dran wäre.

Und die Labour Party wird gegebenenfalls versichern, dass Caplin eine Ausnahme war – bis auf das Dutzend oder so weitere Labour-Politiker, aber sonst total die Ausnahme, ehrlich versprochen –, dass man bis zum Juni 2024 nichts von dessen Treiben wusste und dass alle anderen Labour-Politiker grundanständige Leute seien, für die solche Berichte genauso schockierend sind wie für dich und mich.

Lieber nicht noch mal untersuchen

Anfang dieses Jahres lehnte die Labour Party im britischen Parlament es ab, zu untersuchen, welche Rolle der heutige Premierminister Keir Starmer beim Grooming-Gang-Skandal spielte (bbc.com, 06.01.2025), als er von 2008 bis 2013 der Chef des Crown Prosecution Service und als solcher für die Bekämpfung dieses massenhaften und eigentlich recht offen bekannten Missbrauchs tausender britischer Mädchen durch migrantische Gangs zuständig war. Dieselbe Labour Party, der Irov Caplin angehörte, will auf keinen Fall, dass die Grooming Gangs untersucht werden – warum?

Warum schaut die britische Politik seit Jahrzehnten so aggressiv weg, wenn es um den Missbrauch von Kindern geht? In Großbritannien ist es keine zynische Zuspitzung, sondern tägliche Realität, dass Vergewaltiger frei herumlaufen, während man für böse Facebook-Posts von gewissenlosen Richten zu Knaststrafen verurteilt wird.

Dieselben Leute, denen Ivor Caplin viele Jahre ein geschätzer Parteikollege war, sind dagegen, die Rolle Keir Starmers als oberstem britischen Staatsanwalt beim Grooming-Gang-Skandal zu untersuchen. Ich kann verstehen, dass so eine Untersuchung nicht für Keir Starmer, sondern vielleicht auch für seine Frau und seine Kinder nervenaufreibend wäre. Doch das ist eben der Preis, den eine Familie zahlt, wenn sich der Vater in die ganz große Politik begibt (die reiche Entlohnung kommt ja auch der ganzen Familie zugute).

Keine Erkenntnis

Es ist ein wesentliches Merkmal von Kunst, dass sie das Unsagbare eben doch sagt, und zwar indem sie die Umrisse des Unsagbaren nachzeichnet. Es bleibt dem Rezipienten der Kunst überlassen, das Umschriebene mit jedem Unsagbaren und doch so Wichtigen selbst aufzufüllen.

Dieser Essay lässt Lücken, und auch hier ist der Grund für die Lücken die Unsagbarkeit. Doch anders als bei der Kunst ist die Unsagbarkeit hier nicht »prinzipiell«. Es wäre prinzipiell sagbar, die Worte und Sätze existieren im Möglichkeitsraum der Sprache – anders als bei den Themen der Kunst. Die Unsagbarkeit rührt hier eher aus einer Art von »Idi-Amin-Dunya-Hayali-Meinungsfreiheit«. (Hayali: »Sie können in Deutschland eigentlich alles sagen, man muss dann manchmal halt mit Konsequenzen rechnen«.)

Vollständig und rundweg unbegründet

Ganz ohne ausformulierten Lerninhalt will ich uns aber auch nicht lassen, deshalb nur so viel: Großbritannien mag trotz des Bedauerns von Vorzeigepolitikern wie Ivor Caplin aus der EU ausgetreten sein. Wenn man aber den britischen Premier Keir Starmer hört, klingt er ganz wie einer dieser anti-demokratischen, offen totalitären EU-Bürokraten.

Wir ahnen, wie Keir Starmer auf die Forderungen nach einer Untersuchung seiner Rolle beim Grooming-Gang-Skandal reagieren wird: Er wird auf »Lügen« und »Desinformation« (bbc.com, 06.01.2001) schimpfen. Wer britische Mädchen gegen pakistanische Männergangs schützen wolle, sei laut Keir Starmer »far right«. Auch in Großbritannien gilt: »Rechtsextrem« bist du schon, wenn du dagegen bist, dass deine Tochter vergewaltigt wird.

Auch Elon Musk ging Keir Starmer öffentlich an. »Starmer war an den Massenvergewaltigungen im Austausch gegen Wählerstimmen beteiligt«, schrieb Musk, dann: »Gefängnis für Starmer« und: »Starmer ist böse«.

Britische Politiker protestierten, setzten ihren eigenen guten Ruf ein, um ihren Boss gegen Elon Musk zu verteidigen.

»Die Beschimpfungen, die er gegen Keir Starmer auffährt, sind vollständig und rundweg unbegründet«, so versicherte ein britischer Politiker … nämlich ein gewisser Ivor Caplin.

Die These sei gewagt, dass sich nicht nur in Großbritannien noch erschreckend viel »Desinformation« davor fürchtet, ans Tageslicht gezerrt zu werden.

Weiterschreiben, Wegner!

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