Am 18. Juni 2018 interviewte Cathy Newman im privaten britischen TV-Sender Channel 4 parallel den polnischen Politiker Dominik Tarczyński (PiS, polnisches Parlament ›Sejm‹) und die deutsche Politikerin Barbara Lochbihler (Grüne, Europäisches Parlament).
Newman ist eine Journalistin im modernen Sinn des Wortes, also eine »Aktivistin« mit »Haltung«. Sie wurde jüngst in Internet-Meme-Kreisen bekannt für ihr Interview mit Jordan Peterson, dem sie mit der Formulierung »you’re saying« am laufenden Band ihre eigenen Vorurteile als Behauptungen unterstellte (ähnlich wie Slomka es im deutschen Haltungs-TV tut), welche Peterson dann widerlegen musste. (Wenn Sie sich vor Fremdscham winden wollen: »you’re saying«-Zusammenschnitt auf YouTube)
Lochbihler ist Mitglied der Grünen und ehemalige Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International. Tarczyński ist Abgeordneter der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). In Tarczynskis Vergangenheit finden sich einige wilde Stories. Er soll Lech Wałęsa zum Faustkampf aufgefordert und ihn ein Vieh genannt haben. Er prahlt öffentlich mit seinen Luxusreisen. Er arbeitete als »weltlicher Assistent« des britischen Exorzisten Jeremy Davies (siehe teleshow.wp.pl, 8.8.2017). Er erinnert in Vita und Auftritt ein wenig an den Tschechen Tomio Okamura – laut, berechnend Skandale inszenierend, islamkritisch. Ich habe mich im Rahmen der Recherche für diesen Text mit einigen Polen unterhalten. Ich sage es mal so: Er ist Trump-Fan. Sogar einige Polen, die Merkels Politik falsch und übergriffig finden, könnten Tarczynskis Art etwas harsch und, ja, »populistisch« finden. Eines scheint jedoch klar: Unter den möglichen Vorwürfen, die man ihm machen könnte, ist definitiv nicht Doofheit.
Newman stellt Tarczyński folgende Frage (meine Übersetzung, ab 2:00 im Video auf channel4.com): »Wenn Sie an 100 unbegleitete Kinder denken, sieben schwangere Frauen, auf einem Schiff, im Mittelmeer treibend, während Politiker sich streiten, fühlen Sie keine Scham darüber?«
Tarczyński schüttelt den Kopf und antwortet: »Nun, zuerst ist Scham ein Gefühl, welches in den Eltern vorhanden sein sollte, welche nach meiner Meinung, ich würde sagen, unreif sind. Sie sollten diese Kinder nicht mitnehmen. Sie sollten nicht da sein. Sie sollten ihre Kinder nicht in Gefahr bringen, indem sie die Bestimmungen verletzen. Das also ist die erste Frage. Warum sind diese Eltern nicht verantwortlich für ihre Kinder? Warum lassen sie sie in diese Art von Situation geraten? Das ist absolut lächerlich, dass .…«
Newman unterbricht: »Okay, aber wenn sie es einmal sind, wenn sie einmal in der Situation sind, haben die Politiker von Europa nicht eine moralische, humanitäre Pflicht, einzugreifen?«
Tarczyński (Hinweis: T. ist Pole, spricht hier aber Englisch. Ich übersetze bewusst recht wörtlich.): »Nein! Nein, denn es geht darum (T. korrigiert sich) es geht nicht darum, jemandem zu helfen, der eine sehr harte Situation aufgrund des Krieges mitmacht, es geht nicht um Flüchtlinge, sondern um illegale Immigranten. Es ist ein Gesetz. Es ist ein Unterschied zwischen illegalem Immigrant und Flüchtling. Sie müssen sich merken: Wenn Sie versuchen würden, die Grenze zu übertreten, Sie würden getötet werden. In England. Überall sonst. Sie können die Grenze nicht übertreten, nur weil Sie zu hundert oder zweihundert sind.«
Newman: »Okay, offensichtlich wissen wir nicht, wie viele legale oder illegale Einwanderer sind, wie viele Wirtschaftsmigranten waren und wie viele Asylbewerber waren –« – Newman wendet sich dann an die Grüne und Barbara Lochbihler und diese sagt, was Grüne eben sagen, spricht von syrischen Babies und dankt Angela Merkel. (Es ist wie gesagt, bei channel4.com online.)
Newman unterbricht Lochbihler und wendet sich wieder an Tarczyński: »Wie viele Flüchtlinge hat Polen aufgenommen?«
Tarczyński: »Null! (T. hält Hand hoch und formt mit Daumen und Zeigefinger eine Null.)«
Newman: »Und Sie sind stolz darauf?«
Tarczyński: »Wenn Sie mich fragen – wenn Sie mich fragen über Muslime, über muslimische illegale Immigration: Keine. Nicht einmal einer wird nach Polen kommen. Nicht einmal einer, wenn es illegal ist. Wir haben über zwei Millionen Ukrainer aufgenommen, welche arbeiten, welche friedlich in Polen sind. Wir werden nicht einmal einen Muslim aufnehmen, denn das ist, was wir versprochen haben. Das Quoten-System (unklar, denn Newman spricht darüber) ist gescheitert.«
Newman: »Ich habe nicht nach illegalen Einwanderern, ich habe nach Flüchtlingen gefragt. Jean-Claude Juncker, der Kommisionspräsident, sagt, dass Sie rassistisch sind. Sie klingen stolz darauf, dass Sie keine Flüchtlinge aufgenommen haben.«
Tarczyński: »Selbstverständlich, denn dies ist, was unsere Menschen von unserer Regierung erwarten. Das ist Nummer eins. Das ist, warum unsere Regierung gewählt wurde. Das ist, warum Polen so sicher ist. Das ist der Grund, warum wir nicht einmal einen einzigen Terror-Anschlag hatten. Schauen Sie die Straßen in Polen an. Wir können Populisten genannt werden, Nationalisten, Rassisten – es ist mir egal. Mir liegen meine Familie und mein Land am Herzen.«
Newman wendet sich wieder an die Grüne Lochbihl, welche in einem Akt unfreiwilliger Selbstironie sagt, eine oft wiederholte Lüge bliebe eine Lüge – und dann die Statistiken zur gesunkenen Kriminalität zitiert sowie von Tausenden von Freiwilligen in ihrem konservativen Wahlbezirk berichtet, die nicht nach Muslim, Hindu oder Unreligiös unterscheiden. Die Zeit läuft aus. Newman beendet das Gespräch, während Tarczyński zu Lochbihler ausruft: »Nehmen Sie sie alle! Nehmen Sie sie alle nach Deutschland!«
Ja, wenn man die Ablehnung der Angehörigen einer Religion als »Rassismus« bezeichnet, könnte man »Rassismus« nennen – wobei ich selbst nicht verstehe, was an einer Vorsicht z.B. gegenüber Zwölf Stämmen oder Raelianern »rassistisch« sein soll. Staaten wie Tschechien und Polen fragen, sinngemäß: »Liebes Merkelland, wenn die ungeprüfte Einwanderung aus den Krisenregionen Afrikas positiv für ein Land ist, warum wollt ihr solchen Segen unbedingt mit uns teilen? Habt ihr nicht selbst Fachkräftemangel? Wenn bedingungslose Immigration aber schlecht fürs Land ist, mit welchem Recht wollt ihr uns, die wir noch immer an den Folgen von Kommunismus und Nazi-Invasion leiden, auch noch diese schwere Last aufbürden? Wir denken noch immer an den LKW-Fahrer und zweifachen Vater Lukasz, der auf dem Breitscheidplatz gestorben ist, weil Ihre Behörden versagten, Ihr Volk vor dem unter 14 Identitäten im Land befindlichen, mehrfach im Ausland verurteilten Gewalttäter Anis Amri zu schützen.«
Menschen sehnen sich danach, ihre »Kreise zu ordnen«. Der innerste Kreis ist die Familie, der äußerste ist für die meisten Menschen das Land (oder: Nation, Volk, manchmal: Stamm). Es sind nicht zuerst die anti-islamischen Aussagen, die Politiker wie Tarczyński populär machen, zumindest würde es lange nicht genügen. Es genügt in der Politik noch immer nicht, gegen etwas zu sein. Die heutige »progressive Linke« tut zwar, als ob sie für etwas wäre, doch immer mehr wird deutlich, dass ihre positiven Ziele nur dünn verkleideter Negativismus sind, und Hass auf alles, was die Elterngeneration aufgebaut hat. Diese als Positivität verkleidete Negativität wird von immer mehr Menschen durchschaut, was den Graben zwischen Links und Nicht-Links weiter aufreißt. Linksprogressive sagen »Open Borders« doch es klingen Rufe wie »Nie wieder Deutschland« und »Deutschland, du mieses Stück Scheiße« mit. »Bleiberecht für alle« und »Deutsche raus«. Die grüne Jugend pinkelt auf die Fahne, die Kanzlerin wirft sie fort, die Vize-Bundestagspräsidentin wünscht, dass sie weniger geschwenkt wird – es ist vor allem Negativität. Sie sagen »Social Justice«, doch in der Praxis lehnen sie einfach alles ab, was den Westen stark, erfolgreich und für Menschen weltweit attraktiv gemacht hat. Ob grüner Anti-Intellektualismus, die gruselig kalte Normalisierung von Abtreibungen oder die Aufgabe westlicher Frauenrechten zugunsten orientalischen Patriarchats – linker Progressivismus mündet heute zuverlässig in Unordnung und Selbstzerstörung. Der Konservatismus gewinnt seine Attraktivität aus der Ordnung der real existierenden relevanten Strukturen. Konservative Staaten werden links, weil ihnen der Wohlstand langweilig wurde – linke Staaten werden konservativ, weil sie nicht mehr ertragen können, dass Kinder vor Hunger sterben.
Die Zukunft gehört den Ländern und Kulturen, die ihre relevanten Strukturen in Ordnung gebracht haben. Wenn Deutschland eine Zukunft haben möchte, sollte es seine relevanten Strukturen in Ordnung bringen – und zwar dringend!