Es hätte ja bald etwas Ironisches, doch Ironie grenzt an Spaß, und »spaßig«, das bezeichnet etwas anderes. Es ist mehr grenzwertig als spaßig. Ja, es hat mit Grenzen zu tun.
Einst flehten wir die über uns herrschenden Gewalten an, sie mögen doch die Grenzen schützen, welche zu schützen sie sich so üppig bezahlen lassen, doch die Höheren ließen uns beschimpfen, an Schutz von Grenzen auch nur zu denken, das sei aufs Gröbste unmoralisch.
Grenzenlosigkeit zu ertragen, das war die Parole der Stunde, und sie nannten das Ertragen die Toleranz.
Auf eine Krise folgt die nächste, zumindest in unserem Bewusstsein. Tatsächlich sind die alten Krisen ja nicht ausgestandenen, sie werden nur von neuen Krisen überlagert. Immer neue Superkrisen sedimentieren zur neuen deutschen Ursuppe.
Ja, einst hieß es, Grenzen seien allesamt des Teufels, und heute stehen wir selbst, bildlich gesprochen, als Gesellschaft und auch als Individuen nah an der Grenze, kurz vorm Übertritt.
»Grenze«, das klingt weniger bedrohlich als »Punkt, an dem es zu kippen droht«.
Sinn und Realität
Am 7.1.2022 wollen Scholz & Co. die Schikane-Verschärfung »2G+« beschließen (bild.de, 6.1.2022). Das bedeutet: Nur wer entweder Covid-19 hatte und wieder genesen ist, oder wer sich im Impf-Abo brav die jeweils neuesten »Booster« injizieren lässt, darf am öffentlichen Leben teilnehmen. Sogar wer sich impfen ließ, muss einen aktuellen negativen Test vorweisen, wenn er nicht die neuesten »Booster« im System hat.
Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob es wirklich noch um Gesundheit geht. Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass auch »Geboosterte« sich infizieren, erkranken und wohl auch ansteckend sein können. Der angebliche Vorteil soll sein, dass bei einer eventuellen Behandlung im Krankenhaus durch das Impf-Abo etwas weniger dramatische Maßnahmen notwendig werden.
Wenn das so stimmt, dann wären die »2G+«-Maßnahmen tatsächlich zuerst Schikane – und die Impfung wäre ein Selbstzweck und Gehorsamsbeweis.
Die Covid-Impfung ist die erste Impfung, nach welcher die Geimpften mehr Angst vor der Krankheit haben als vorher. Nein, es ergibt keinen Sinn. Ja, es ist die Realität.
Es ist ja fast schon lustig: Wer sich irgendwann nach Doppelimpfung und fünfzehn Boostern das Zeug nicht weiter injizieren lassen will, der wird ganz genauso als »Schwurbler«, »Querdenker« oder »unsolidarischer Faschist« beschimpft und bekämpft werden, wie einer, der sich von vornherein der »Kontrollgruppe« anschloss.
Vom Durchwurschteln
Ja, natürlich bereitet es mir Angst, zu erleben, wie leicht sich in gewissen Ländern ein Teil der Bevölkerung gegen den anderen Teil aufstacheln lässt.
Wenn ich den Autobahnbau in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Autobahnbau im Dritten Reich oder in der DDR vergleiche, dann habe ich genau das getan – und nicht irgendwas verharmlost oder insgesamt gleichgesetzt. In ähnlichem Geiste: Es ist spannend und lehrreich, wie willig Menschen heute einer Anordnung folgen und Andersdenkende ausgrenzen, und wie sie geradezu aggressiv weghören, wenn man ihnen aufzeigen will, wie widersprüchlich und gefährlich ihre Handlung ist – oft genug wissen sie es ja auch selbst, beschließen aber, es zu ignorieren.
Und doch, bei all dem sehe ich auch einen möglichen Anlass zur Ruhe (und einen zur resignierenden Panik, wenn man denn will), und das hat mit Erfahrung, Logik und möglichen Szenarien zu tun.
Deutschland war lange Jahre recht gut darin, sich »irgendwie durchzuwurschteln«. Nicht nur Helmut Kohl, auch die Deutschen insgesamt haben »Probleme ausgesessen«. Das wurde in den letzten 16 Jahren anders.
Wenn unter der Kapitänin Merkel ein Eisberg am Horizont auftauchte, wurde der nicht klug umschifft, man steuerte vielmehr mit Verve und moralischem Hurra mitten drauf zu.
Der Propagandastaat Deutschland kann gar nicht mehr anders, als extrem zu reagieren und so zusätzliche Probleme zu schaffen: Der Atomausstieg als populistisch-extreme Reaktion auf Fukushima, das Offenhalten der Grenzen als extreme Reaktion auf Migrations-Bewegungen, und so weiter.
Die deutsche Reaktion auf Covid-19 ist an diesem Punkt so übertrieben, dass es ab hier einfach kein »gutes deutsches Durchwurschteln« geben kann.
Sprich: Wir sind bald an der Grenze dessen angelangt, was ein Staat tun kann, wenn er sich noch demokratisch und freiheitlich nennen will.
In welche Richtung
Auf einer Grenze lebt es sich schlecht, der Aufenthalt dort ist instabil. Ab hier sind zwei Wege in die Zukunft denkbar.
Den einen Weg hat Scholz vorgezeichnet, als er offen sagte, dass es für die Regierung »keine roten Linien« mehr gäbe (siehe Essay vom 15.12.2022).
Der andere Weg ist, dass man sich endlich jener guten alten Redensart bewusst wird: Fester als fest ist ab.
Ab hier kann es in Deutschland (und einigen anderen Staaten…) eigentlich nur »kippen«, und die Frage wäre dann lediglich, in welche Richtung.
Deutschland tanzt seit Monaten auf der Grenze zu einem Zustand, der nicht nur bei »Querdenkern« die Erinnerung an den Geschichtsunterricht oder selbst erlebte Diktaturen weckt.
Die andere logisch denkbare Richtung ist aber, dass es wieder zurück kippt, dass das Pendel wieder zurück schlägt – und sich dann vielleicht sogar, gegen die Praxis der Merkel-Jahre, eben doch in der vernünftigen Mitte einpendelt.
In dieser Form instabil
Wer Anfang 2020 vor Corona warnte, der wurde von Politik und Propaganda als Rechter und Verschwörungstheoretiker beschimpft.
Dann schlug das deutsche Pendel von extremer Unvorsicht ins andere Extrem, und wer nun vor diesem anderen Extrem warnte, der galt dann wieder als Rechter, Verschwörungstheoretiker und so weiter.
Deutschland tanzt heute aber auf der Grenze zwischen Demokratie und Nicht-Demokratie, zwischen Freiheitlichkeit und Impfterror.
Wir stehen auf der Grenze. Es ist grenzwertig – und in dieser Form instabil. Es könnte schneller kippen, als viele glauben.
Die eine Richtung, in die es kippen kann, ist sehr schrecklich. Also beschließe ich, die Hoffnung hochzuhalten, dass es in die andere, in die gute Richtung kippen wird.