»Es gibt keine roten Linien«, heißt es dieser Tage (welt.de, 15.12.2021), und weiter: »Die Bundesregierung wird nicht einen einzigen Augenblick ruhen, und wir werden jeden nur möglichen Hebel bewegen, bis wir alle unser früheres Leben und alle unsere Freiheiten zurückbekommen haben.«
Längst fürchtet mancher Deutsche die Maßnahmen gegen das Virus weit mehr als das Virus. Politik »ohne rote Linien« – wer irgendwas über irgendwas weiß, wessen Bildung auch nur ein wenig über die allabendliche TV-Propaganda hinausgeht, dem stellen sich wieder die Nackenhaare auf.
Es ist nicht das erste Mal, dass im Zungenschlag des Olaf Scholz etwas Totalitäres klingt. 2002 forderte er etwa für den Staat die »Lufthoheit über den Kinderbetten« (welt.de, 10.11.2002).
Nach der Gewissenlosen aus der Uckermark nun also ein roter Ideologe, der »keine roten Linien« kennt – vom Regen in die Sturzflut.
Im Text »Bergsteiger des Bullshits« (29.11.2020) zitierte ich die Bullshit-Definition des Philosophen Harry G. Frankfurt als eine »Aussage, die überzeugen will, ohne sich um die eigene Wahrhaftigkeit zu scheren«.
Was Scholz sagt ist aber nicht nur gruselig – es ist auch begrifflich falsch. Es ist politischer Bullshit, sprich: es soll beruhigen und zum Gehorsam motivieren, doch es ist in sich falsch.
Man wolle nicht ruhen, sagt die Regierung, und man wolle »keine roten Linien« respektieren, »bis wir alle unser früheres Leben und alle unsere Freiheiten zurückbekommen haben«.
Wenn man das einmal vom Politischen ins Deutsche übersetzt, erkennt man schnell den Bullshit: Man wird den Menschen ihre Freiheit nehmen, bis die Menschen ihre Freiheit wiederhaben. – Aha.
Selbst wenn der Bullshit-Talking-Point des Herrn Scholz nicht begriffslogisch Unsinn wäre, also klassischer Bullshit, der wahrhaftig klingen soll, es aber gar nicht sein kann, selbst dann bliebe es Fakt, dass die Erfahrung uns das Gegenteil lehrt.
Zunächst: Regierungen und Behörden sind nicht dafür bekannt, ihre Möglichkeiten und Macht wieder zurück zu geben. Welche der Befugnisse, die Regierungen sich nach 9/11 gaben, wurden denn aufgehoben? Welche Behörden und Abteilungen wieder aufgelöst oder verkleinert? Nicht so viele.
Und dann: Sogar wenn dem Bürger alle Freiheiten zurückgegeben würden, so wäre die Welt doch eine, in welcher die deutsche Regierung sich erfrischend einfach eine »Ermächtigung zur Grundlage« geben und die Freiheit ein weiteres Mal nehmen kann.
Auch wenn die Regierung wieder hinter die »roten Linien« zurücktreten wollte, so bliebe Deutschland auf absehbare Zeit ein Land, in welchem Bürgern, die sich nicht einer Umprogrammierung ihrer Zellen im Impf-Abo unterziehen wollen, elementare Grundrechte entzogen und die Existenz vernichtet werden können – zum Applaus des Staatsfunks und manches gehirngewaschenen Mitbürgers.
Die Regierung will »keine roten Linien« kennen, und dass das Verfassungsgericht ihr diese Linien aufzeigt und erklärt, darauf will man sich auch längst nicht mehr verlassen. Spätestens wenn die Regierung »keine roten Linien« kennen will, sollten nun wirklich auch beim letzten denkfähigen Bürger die extra lauten Alarmsirenen schrillen.
Die Zahnpasta der Unfreiheit lässt sich nicht zurück in die Tube pressen. Der Ungeist des rechtmäßigen Unrechts lässt sich nicht zurück in die Flasche sperren.
Rote Linien, einmal überschritten, bleiben überschreitbar.
Das »frühere Leben« ist vorbei, und wer das auch nach der Keine-Roten-Linien-Drohung von Olaf »Lufthoheit über den Kinderbetten« Scholz nicht begreift, der will und wird ohnehin nicht viel begreifen.
Das alte Leben ist vorbei. Wohl dem, der mit uns einstimmte, als wir zum ersten Mal das »Lied der Innenhöfe« sangen – oder besser noch früher. Glücklich, wer nicht erst heute darüber nachdenkt, was seine relevanten Strukturen sind.
Das alte Leben ist vorbei. Politiker haben ihre eigenen Pläne für unser neues Leben. Es liegt am Einzelnen, es liegt an dir und mir, selbst zu planen und selbst zu handeln, und so selbst ein Wörtchen dabei mitzureden, wie unser neues Leben sich anfühlen wird.