Dushan-Wegner

19.08.2019

Syrienurlaub, singende Engel und der Mut zur Wahrheit

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Bild von Julian Hanslmaier
Die Politik stellt fest, dass einige »Flüchtlinge« dort Urlaub machen, von wo sie angeblich »fliehen« mussten. Nein! Doch! Oh! – Hat da gar jemand ein wenig geflunkert?! Deutschland braucht eine Obergrenze... und zwar der Lügen, die uns erzählt werden.
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Wenn ein Chor himmlischer Engel herabstiege und verkündete, dass du drei Hände besitzt, egal wie es dir selbst erscheint, würdest du dann sogleich einen dritten Ärmel an deine Hemden nähen lassen? Wenn eine Bande von scheelen Buben dir sagte, das Gift des Conium maculatum sei schlecht für dich, würdest du auch ohne Gerichtsbeschluss den Schierlingsbecher trinken, denn was ein Scheeler sagt, davon muss immer das Gegenteil wahr sein? – Nein und nein, gewiss nicht. – Selbst wenn wir uns bei der Bewertung von Aussagen danach richten, welchen Ruf der Sagende hat, so ahnen wir doch, dass die Wahrheit der Wahrheit doch unabhängig vom Sprecher wahr sein sollte. (Randnotiz: Wenn ein Chor von Engeln zu Ihnen spricht, und sagt, Sie hätten drei Arme, dann sollten Sie eventuell mit einem Experten darüber sprechen.)

Auf Heimaturlaub

Von Anfang dieser neuen Zeitrechnung an, schon 2015, gab es Bedenkenträger, die Zweifel hatten, ob all diese Männer im wehrfähigen Alter, die da ohne Papiere nach Deutschland marschierten, auch wirklich »Flüchtlinge« waren. Zum Glück gab und gibt es die »kleineren« Medien (siehe auch: /freie-denker/), die schon früh dokumentierten, was wirklich passierte:

Seit Jahren reisen zahlreiche »Flüchtlinge« in ihre Herkunftsländer, um dort Urlaub zu machen. Ihr Schutzstatus als Asylbewerber blieb bislang bestehen. – In Baden-Württemberg sind »Flüchtlinge» einem Bericht zufolge aus dem Südwesten zeitweise wieder in ihre Herkunftsländer gereist. (…) Derzeit fliegen allein in Nordrhein-Westfalen zwischen 10 und 50 Fälle auf – täglich. (tichyseinblick.de, 17.8.2017)

Die Behörden und die Politik wussten also davon, von Anfang an – sogar vor dem deutschen Schicksalsjahr 2015. Es brauchte aber gelegentlich etwas Nachhilfe und etwas Nachforschen – raten Sie mal, von welcher Partei? Nein, es waren nicht die Grünen, die hatten die Hände voll mit Teddybären.

Sterbende kurz vorm Tod und Politiker kurz vor Wahlen entdecken regelmäßig Wahrheiten, von denen sie selbst (beziehungsweise ihre Wähler) wünschen, dass sie viel früher darauf gekommen wären.

In Deutschlands frechem Osten wird bald gewählt – oh, welch Horror! Den Hurra-Merkel-Parteien drohen unfreundliche Wahlergebnisse. Herr Seehofer, Merkels Innenminister von der traurigen Gestalt, entdeckt – nicht zum ersten Mal – plötzlich nicht ganz unwichtige Wahrheiten, aktuell etwa die von den »Syrern auf Heimaturlaub«, und Seehofer entwickelt wieder einmal forschen Forderungsaktionismus.

Im Kommentar auf welt.de wird ganz erstaunt dies festgestellt:

Es gibt in Deutschland als Flüchtlinge anerkannte Syrer, die in Syrien Urlaub machen. (…) Woraus sich die Frage ergibt, inwieweit es sich bei diesen Personen tatsächlich um Flüchtlinge handelt. (welt.de, 18.8.2019)

Nein! Doch! Oh! – Die Welt zitiert die Bild am Sonntag, welche Herrn Seehofer zitiert:

»Wer als syrischer Flüchtling regelmäßig in Syrien Urlaub macht, der kann sich ja nicht ernsthaft darauf berufen, in Syrien verfolgt zu werden. Dem müssen wir seinen Flüchtlingsstatus entziehen« sagte Seehofer der »Bild am Sonntag«. (welt.de, 18.8.2019)

Es wäre eine Verschwendung von Lebenszeit, darüber nachzudenken, wie viele Konsequenzen diese Kurz-vor-Wahlen-Ankündigung haben werden. – Ich erlaube mir, statt dessen eine schmunzelwürdige Sequenz aus dem wilden Dschungel sozialer Medien zu berichten.

Von ???? zu ❤️

Vor ziemlich genau einem Jahr witterte die kluge Politikerin Sawsan Chebli:

Lieber @ArasBacho, bitte lass Dich niemals einschüchtern von diesen ganzen Hatern, Nazis, Hetzern. Deutschland braucht Dich! Bin froh, dass Du da bist! (@SawsanChebli, 18.9.2018)

Mittlerweile wurde jener Tweet gelöschthier ist der Tweet noch, archiviert.

Charmant ist auch der Austausch, der dem Tweet folgte.

Herr Bacho schrieb:

????
(@ArasBacho, 18.9.2018)

Woraufhin die ehemalige stellvertretende Pressesprecherin von Frank-Walter »nichts mit Eikonal zu tun« Steinmeier und heutige Berliner Staatssekretärin für Irgendwas antwortete:

❤️
(@SawsanChebli, 18.9.2018)

Anders als der Ausgangstweet sind die Herzchen im Moment (19.8.2019) noch online.

Warum wurde die ursprüngliche Sympathiebekundung gelöscht? – »ARAS B. (20) – Flüchtlings-Blogger als Grapscher verurteilt« lesen wir in bild.de, 11.12.2018. Sind die Sympathiebekundungen diverser »Zeichensetzer« deshalb verschwunden? So heuchlerisch wäre ein Guter doch nicht. Es wird sich um technische Fehler handeln. Die »Fakten« zu Aras Bacho von Patrick »antifamäßig« Gensing sind ja weiterhin beim Staatsfunk nachzulesen, siehe tagesschau.de, 10.9.2018.

Im Juli 2019 teilte der vielgeliebte Herr Bacho:

Vor zwei Wochen haben 6 Syrer, die ich kenne, Urlaub in Syrien gemacht, um ihre Familienmitglieder zu besuchen und bisschen Ruhe zu haben, vor allem von Deutschland. Man vermisst sein Heimatland und es ist mittlerweile Alltag, dass Syrer das machen! #Urlaub #Syrien (@ArasBacho, 3.7.2019/archiviert)

Ich habe es damals zitiert und sarkastisch kommentiert:

Ich wünsche allen Followern ein ruhiges Wochenende und allen Flüchtlingen, die im Sommer für ein paar Wochen aufbrechen, den wohlverdienten Syrien-Urlaub! Deutschland ist ein schlimmes Land, Syrien ist eine schöne Heimat und ihr habt euch die Erholung vom Nazi-Stress verdient! (@dushanwegner, 5.7.2019)

Was muss ich nun aber lesen!

Als jemand, der viele #Flüchtlinge kennt, die in ihrem Heimatland Urlaub machen, kann ich nur sagen: Diese Menschen haben es sich verdient Ruhe von Deutschland zu nehmen, bei dem Hass, und ihre Familienmitglieder zu besuchen und zurückkommen. Sie brauchen das! #Seehofer #noafd (@ArasBacho, 18.7.2019, archiviert)

Der Account »Aras Bacho« wirkt an diesem Punkt ja mehr wie ein zynisch ironisches Team-Projekt, bei dem der einzelne Autor nicht jederzeit weiß, was die anderen Autoren schreiben, und doch wäre es freundlich gewesen, wenn das »Team Bacho« zumindest die Quelle ihrer möglichen Inspiration angegeben hätten – und nein, das meine ich nicht im Wortsinn ernst, sondern will skizzieren: Die Debatte um Flüchtlinge ist auf Ironie-Ebenen angekommen, die an einen schiefgegangenen Drogentrip erinnert, von dem kein Herunterkommen mehr gelingen kann.

In der Lügengesellschaft

Wann hat Ihr Hund, Ihr Hamster oder die Fliege, die in Ihrem Zimmer umherfliegt, Sie jemals angelogen? Ja, es kann sein, dass Tiere sich verstellen, um ein anderes Tier zu fressen oder um eben nicht gefressen zu werden, doch die aktive und bewusste Lüge, auch sich selbst gegenüber, und das Bewusstsein und schlechte Gewissen um die eigenen Lügen, und damit auch das Ringen um die Wahrheit – um irgendeine Wahrheit – das ist menschlich.

Man kann die AfD für ein Himmelsgeschenk und für einen Chor der Engel, oder für eine Höllenausgeburt und eine Bande von Teufeln halten – weder noch ist richtig – der berühmteste Slogan der AfD, »Mut zur Wahrheit«, beschreibt die notwendigste Eigenschaft des aufgeklärten Menschen in der Lügengesellschaft.

Die Lüge hat Milliardenbudgets, »friends in high places«, und die schnellsten aller Beine hat sie sowieso, seit jeher. Die Wahrheit bastelt noch an ihrem Blogpost, da ist die Lüge schon um die halbe Welt gelaufen.

Die glattesten der Gestalten

»Mut zur Wahrheit« ist die wichtigste der Geisteseinstellungen heute.

Doch, es gilt, auch weiterhin: Wenn die Wahrheit zu sagen bedeutet, alles verlieren zu können, dann werden bald nur noch jene die Wahrheit sagen, welche wenig zu verlieren haben, und das sind oft eben nicht die glattesten der Gestalten. Wer eine Wahrheit ablehnt, weil derjenige, der sie sagte, eine »schwierige« Gestalt ist, der glaubt auch die gefährlichsten der Lügen, wenn und weil das Unwahre nur treuherzig in die TV-Kameras des Staatsfunks gesprochen wird.

Abgründe und Abgelegtes

Unsere Gefühle stammen aus der Steinzeit, unsere Philosophie stammt aus der Bronze- und Eisenzeit, und dies ist eben die Lügenzeit. Wir leben in der Lügenzeit, und heute die Wahrheit zu sagen kann bekanntlich ein revolutionärer Akt genannt werden.

Die Wahrheit kann es sich nicht aussuchen, wer es ist, der sie ausspricht. Wenn ein Höcke sagt, das »Asylrecht sei lediglich ein Gastrecht auf Zeit« (mdr.de, 16.8.2019), ist es denn falsch, nur weil sein Tonfall an anderer Stelle schon mal wild ist (um es höflich zu sagen)?

In den dunklen Abgründen des Internets driften die abgelegten Wahrheiten manches Neulinken von heute auf (siehe etwa @ExGruene, 18.8.2019). Der heutige CDU-Linksaußen Ruprecht Polenz kritisierte einst im Bundestag die »multikulturelle Beliebigkeit« und er sah, dass es »zu nicht hinnehmbaren Konflikten kommen kann« wenn man die Absolutheitsansprüche von Religionen ignoriert – heute äußert er vor allem gutmenschlichen Weichkäse, und er wird für sein naives Geschwätz selbst von der TAZ in den linksgrünen Himmel gejubelt (taz.de, 10.7.2019).

Dies ist die Lügenzeit. – Die Wahrheit ist wohl: Deutschland und die Deutschen werden weiter ausgenommen werden.

Die CDU verkündet aktuell:

Wenn wir im September einen Regierungskonsens gefunden haben, dann führen wir Gespräche mit der Opposition. #Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben. Alles andere ist eine Illusion. (@cdu, 18.8.2019)

Deutschland kann sich an diesem Punkt nicht mehr aussuchen, ob es ausgepresst wird, sondern höchstens mit welchem pseudo-ethischen Geschwätz jede einzelne Drehung begründet wird – bis die ganz große Hand nichts als die ausgekratzte Schale in der Hand hält.

Nicht drei Hände

Wenn ein Chor von Engeln uns in himmlischen Harmonien süße Lügen vorsingen würde, oder wenn ein Haufen böser Buben uns sagen würde, was wirklich passiert, wem wollten wir glauben?
Der Mensch hat nicht drei Hände, egal wie viele Journalistenpreise, jener der es sagt, an der Brust trägt. Lasst den Regen regnen und die Lügner lügen. Sagt die Wahrheit, auch wenn sie euch dafür Teufel nennen – und lebt so, dass auch und zuerst deren Vorwürfe an euch Lügen sind. Sagt die Wahrheit – so viel ihr euch traut – und traut euch täglich mehr!

Weiterschreiben, Wegner!

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