Dushan-Wegner

27.03.2021

Lauter Karikaturen

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Foto von Bjorn Snelders
In Großbritannien protestieren muslimische Schüler gegen einen Lehrer, der jene Karikaturen gezeigt haben soll. Der Lehrer musste in Sicherheit gebracht werden. Was stimmt mit einer Gesellschaft nicht, die das zulässt?
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»Noch besser aber«, so schreibt Platon in den Nomoi (Gesetzen) über die Unwissenheit, »wenn der Gesetzgeber zweierlei Arten von ihr unterscheidet, die einfache, welche nur leichtere Vergehen verursacht, und die doppelte, wo jemand fehlgreift, nicht bloß von Unwissenheit befangen, sondern von dem Wahn der Weisheit, als verstünde er vollkommen, wovon er doch gar nichts versteht.«

Diese vom Griechen beschriebene doppelte Unwissenheit kennen wir heute als den Dunning-Kruger-Effekt (ich habe ihn meines Wissens zuerst im Essay vom 5.3.2018 verwendet: »Millennials: Wer Zusammenhänge nicht versteht, der kann noch immer Details kritisieren!« – und die »Millennials« nannte ich die »Generation Dunning-Kruger«).

Wikipedia erklärt den Dunning-Kruger-Effekt als »kognitive Verzerrung im Selbstverständnis inkompetenter Menschen, das eigene Wissen und Können zu überschätzen«, gespeist von der »Unfähigkeit, sich selbst mittels Metakognition objektiv zu beurteilen«.

Die Idee, auf Platon zurückzugreifen, kam mir übrigens durch die konkrete Nachfrage eines geschätzten Lesers (liebe Grüße!), der den Verdacht äußerte, ein heute populäres Bonmot über »Bekloppte« habe ein antikes Vorbild – es stimmt!

Der neben mir einzig relevante heute lebende deutsche Philosoph aktualisiert die Erkenntnisse Platons und des Dunning-Kruger-Duos in einer heute sprichwörtlich gewordenen Formel: »Das Problem ist: Mach einem Bekloppten klar, dass er ein Bekloppter ist!«

Der zitierte Philosoph ist natürlich Dieter Bohlen. Er wird hier zitiert nach einem Spiegel-Text aus weniger blöden Zeiten, als noch ein Henyrk Broder für das heutige Relotiusmagazin schreiben konnte (spiegel.de, 6.2.2008), und Broder ordnet Bohlens Platon-Neuphrasierung exakt richtig ein: »So einfach kann Philosophie sein.«

Schülerstreik(s)

Jede Jugendgeneration hat ihre Moden, mal von Musikindustrie, mal von Modeindustrie, mal von Meinungsindustrie gesteuert. Wir erinnern uns noch an »Fridays for Future«, diese von Propaganda-NGOs ferngesteuerte Kinder, die für die Profite von CO2-Zertifikats-Milliardären und gegen die deutsche Wirtschaftskraft demonstrierten, und damit im Effekt natürlich gegen den deutschen Sozialstaat und für Chinas Macht.

In Großbritannien wird auch und aktuell wieder von Schülern gestreikt. Im britischen West Yorkshire musste diese Woche eine Schule zeitweilig ganz geschlossen werden (siehe welt.de, 26.3.2021), weil Schüler ihr ansonsten gewiss sehr dichtes und fleißiges Lernpensum hintan stellten, um an der Batley Grammar School gegen die Behandlung der sogenannten »Mohammend-Karrikaturen« im Unterricht zu protestieren.

Wir sehen Bilder bärtiger Männer (sind es wirklich alles Schüler?), und sie fordern die Entlassung eines Pädagogen (siehe etwa dailymail.co.uk, 26.3.2021), der die Karikaturen im Unterricht gezeigt haben soll. Zyniker sagen, der Islam sei so lange tolerant, bis seine Anhänger die Mehrheit haben, doch das vorliegende Bespiel lässt diesbezüglich Fragen aufkommen: Es braucht nur etwa 50 demonstrierende muslimische Studenten, um 980 Kinder von der Bildung fernzuhalten. Wie konnte es so weit kommen? Dass es woanders nicht passiert, ist doch nur Beleg dafür, dass dort die Lehrer bereits ausreichend eingeschüchtert sind, gar nicht erst so viel Aufklärung zu wagen.

Der betreffende Lehrer wurde zwischenzeitlich und an einen unbekannten Ort in Sicherheit gebracht. Man fürchtet um sein Leben, und man denkt an den Fall des geköpften Lehrers Samuel Paty in Frankreich (siehe Essay vom 18.10.2020). (Der Fall Samuel Paty ging übrigens von der Lüge einer muslimischen Schülerin aus, die gar nicht im Unterricht gewesen war und ihrem Vater etwas vorlog; siehe welt.de, 9.3.2021 – nicht nur das Weltbild von Linken ist auf Lügen gebaut.)

Nicht meine Gegner

Nein, diese demonstrierenden Fanatiker sind fürwahr nicht meine ersten Gegner – und meine Angst ist nicht einmal der erste Grund. Wie sollte ich jemanden meinen »Gegner« nennen, wenn er und ich auf keiner einzigen Ebene ein Spielfeld teilen?

Islamisten und ihre Geistesgenossen auf der Linken akzeptieren beide nicht die Grundregeln der aufgeklärten Argumentation (den bekannten Habermasschen »zwanglosen Zwang des besseren Arguments«), und ein Argument besitzt in deren Denkweise keine in Realität und Logik eigene Richtigkeit, sondern wird dadurch »richtig«, dass es ihre Ideologie bestätigt – das ist keine »Argumentation« nach meinem Begriffsverständnis, und also können sie nicht meine »Gegner im Argument« sein.

Auf der in Linken und Islamistischen Kreisen höher als Ratio und Realität angesiedelten Ebene der charismatischen Autorität – ich habe weder die Absicht noch den Willen, und wohl auch nicht die Geduld oder die notwendige Fähigkeit, mir die in diesen Kreisen notwendige charismatische Autorität zu erarbeiten – insofern sind sie auch auf diese Ebene nicht meine Gegner. Und auch als Gesellschaft können wir nicht – oder: nicht leicht – charismatisch oder auch »nur« emotional gegenhalten – siehe dazu aber etwa meinen Essay vom 17.5.2018: »Wie soll man sich integrieren in ein Land, das nicht Heimat sein darf?«

Wenn man das vibrierende Wort »Gegner« schon nutzen möchte – und gegen einen Gegner zu kämpfen ist ja (mindestens) dem Mann angeboren – sollte unser erster »Gegner« nicht stets die eigene Dummheit sein?

Wir – im Sinne von »Wir, der einst sich ›aufgeklärt‹ nennende Westen« – wir sind es, die es möglich machen.
Unsere Illusionen – und »unsere« meint: die Gestalten, die sich »Intellektuelle« nennen und die öffentliche Debatte prägen – unsere Illusionen beschrieben eine nicht-existierende Heia-Popeia-Welt. Am Ende gewinnt immer die Realität, und wenn sie gewonnen hat, dann tritt sie nach – nicht einmal, nicht zweimal, sondern immer und immer wieder, über Jahrzehnte und über Generationen.

Tatsächlich wissend

»Das Problem ist: Mach einem Bekloppten klar, dass er ein Bekloppter ist!«, so Philosoph Bohlen – wie stellt man es an? Wohl dem, der nach Weisheit sucht, doch einer, der sich bereits für weise dünkt, ist der nicht bereits für alle Weisheit verloren? Schon in der Bibel lesen wir die Klage: »Wenn du einen siehst, der sich weise dünkt, da ist für einen Toren mehr Hoffnung als für ihn.« (Sprüche 26:12)

Wie erklären wir dem bekloppten Nachbarn, dass er bekloppt ist? Ach, es sind ja nicht nur die Nachbarn, ja nicht mal »nur« die Kollegen! Im Essay »Hast du deinem Verräter die Windeln gewechselt?« von 2018 beschreibe ich etwa die bittere Lage von Eltern, deren Kinder von Propaganda gehirngewaschen und umgedreht wurden.

Dem Bekloppten erklären zu wollen, dass er bekloppt ist – es erinnert an jene Zange, zu deren Herstellung es eine Zange braucht.
Woher wissen wir, dass wir nicht selbst die Bekloppten sind? Wir wissen es nicht (wir wissen eigentlich nur, spätestens seit Sokrates, dass nichts mit letzter Sicherheit wissbar ist).

Platon rief damals die Regierung auf, Gesetze derart zu formulieren, dass sie auch den Fall erfassen, dass ein Bürger nicht »nur« grob unwissend ist, sondern sich dazu auch noch im Glauben wähnt, tatsächlich wissend zu sein.

Eines aber sah nicht einmal Platon voraus: Was, der Regierende selbst es ist, der »fehlgreift, nicht bloß von Unwissenheit befangen, sondern von dem Wahn der Weisheit, als verstünde er vollkommen, wovon er doch gar nichts versteht«?!

Erklär mal den Zeiten

Frei also nach Philosoph Bohlen: Wie erklärst du einer bekloppten Regierung, dass sie bekloppt ist? Wie erklärt man es einer gesamten bekloppten Gesellschaft, einer bekloppten Zeit? (Man könnte versuchen der Regierung wie auch der Gesellschaft ins Gewissen zu reden, doch ein Zyniker würde zurückfragen: Wie redest du einem ins Gewissen, der keines hat?)

Wie erklärt man dem Bekloppten, dass er bekloppt ist? Es ist ein ungelöstes Rätsel.

Ich habe ja alle Hände voll damit zu tun, aufrichtig zu prüfen, ob ich nicht selbst der Bekloppte bin! – Weiß ich es? Nein, ich weiß nur, dass ich es nicht weiß.

Wenn ich jedoch diese Ereignisse auf mich wirken lasse, wenn ich Nachrichten wie etwa die von jener britischen Schule höre, dann meine ich immerhin so viel sagen zu können: Diese Zeiten oder ich – einer von uns ist bekloppt. Wenn ich es nicht sein sollte, der bekloppt ist, dann sind es diese Zeiten – doch mach mal den Zeiten klar, dass sie bekloppt sind!

Weiterschreiben, Wegner!

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