14.11.2024

Hausdurchsuchung als Strafe für Witz-Weiterleitung

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Bild: »Witz, du bist umzingelt«
Rentner retweetet Witz über Habeck, Staatsanwaltschaft geht wegen »Volksverhetzung« gegen Bürger vor, inkl. Hausdurchsuchung. Es ist eine demütigende Strafe – ohne Anklage und Verfahren. Aber Deutschland will ein »Rechtsstaat« sein?!
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Im Juni 2024 hatte der 64-jährige Rentner Stefan Willi Niehoff auf X eine Bildmontage retweeted, auf welcher ein grinsender Herr Habeck zu sehen ist, und darunter, als Persiflage einer bekannten Haarspray-Werbung, der Slogan »Schwachkopf PROFESSIONAL« (siehe etwa nius.de, 13.11.2024).

Daraufhin eröffnet man in Bamberg ein Ermittlungsverfahren gegen ihn, und zwar wegen Volksverhetzung.

Welches Volk verhetzt wird, wenn man den Scherz über die Eitelkeit eines für seine öffentliche Eitelkeit bekannten Ministers lustig weitergibt, können uns weder Staatsanwaltschaft noch das Amtsgericht Bamberg direkt erklären.

Und natürlich beruft sich die Staatsanwaltschaft unter anderem auf den berüchtigten Paragrafen 188 StGB. Dort werden Politiker – im krassen und skandalösen Widerspruch zum Geist der Demokratie – unter besonderen Schutz gegen scharfe Kritik gestellt.

Man mag sich fragen, ob das alles noch Rechtsstaat ist, und ich habe dazu einen Essay geschrieben, der die logisch-begrifflichen Grundlagen für solche Fragen stellt! Der Essay heißt »Was Deutschland ist (und was »ist« bedeutet)«.

Vor der Tür

Sie fragen sich aber vielleicht an dieser Stelle: Was nun? Volksverhetzung oder Majestätsbeleidigung? Es ist auch egal, denn der entscheidende Punkt ist: Das Amtsgericht Bamberg genehmigte die Hausdurchsuchung bei Herrn Niehoff.

Und also stand nun um 6 Uhr morgens die Polizei vor Herrn Niehoffs Tür, um sein Haus zu durchsuchen. Herr Niehoff hat eine Tochter mit Down-Syndrom, und die musste das mit ansehen.

Was genau erhoffte sich die Polizei, als Beweismittel zu sichern? Herr Niehoff bestritt nichts, und sein »Verbrechen« war es, einen Scherz über einen recht eitel wirkenden Politiker geteilt zu haben.

Die mit »umstritten« noch euphemistisch beschriebene Innenministerin Nancy Faeser postet auf X aktuell, unter anderem, zu einem weiteren »Aktionstag gegen Hasspostings«: »Wenn die Polizei vor der Tür steht, wird jedem Täter klar, dass Hasskriminalität Konsequenzen hat.« (@NancyFaeser, 12.11.2024)

Damit hat Frau Faeser de facto öffentlich zugegeben, dass Deutschland kein Rechtsstaat ist – oder nur nach einer metaphysischen, totalitären Bedeutung von »ist«.

Lieber die Klappe

Es gibt keine legale Kategorie, die »Hasskriminalität« heißt. Es ist ein erfundenes Propagandawort, bei welchem auf Anfrage eine Liste anderer möglicher Straftaten und ihrer Motivation vorgelegt wird (siehe etwa polizei-nds.de).

Warum also verwendet Faeser das unscharfe Propagandawort? Die Antwort findet sich im Ansatz in meinem Essay »Deine Meinung ist Hass, und Hass ist keine Meinung« aus dem Jahr 2018. In deutscher Propaganda wird »Hass« sowohl für tatsächliche Straftaten (wie Morddrohungen gegen Minderheiten), also auch für Kritik an aktueller Politik verwendet.

Der Bürger will nicht die Straftat »Hasskriminalität« begehen, und also wird er zur Sicherheit lieber gar nicht erst die Regierung kritisieren.

Das Kampfwort »Hass« wird im Propagandastaat täglich verwendet, doch nirgends wirklich scharf definiert – also hält der vorsichtige Bürger, ganz im Sinne des Propagandastaates, lieber präventiv die Klappe.

Er ist alles mögliche

Ein Staat, der dem Bürger aktiv Angst macht, eine Meinung deutlich zu äußern, ist alles Mögliche, aber doch kaum ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat.

Vor allem aber: »Wenn die Polizei vor der Tür steht, wird jedem Täter klar …«

In einem Rechtsstaat gilt man nicht als Täter, bis der Richter einen nach einem ordentlichen Verfahren verurteilt – und selbst dann kann man in Berufung gehen.

Nicht so in Deutschland. Wenn du in Deutschland einen Witz über einen für gewisse Eitelkeit bekannten Politiker weitergibst, giltst du damit automatisch als Täter.

Keine Anklage, kein Verfahren, keine Verteidigung und kein Urteil, nichts davon. In Deutschland kommt »schuldig« direkt von »beschuldigt«.

Schon länger kein Geheimnis

Faeser macht schon länger kein Geheimnis daraus, dass die Hausdurchsuchung in Deutschland als Strafe ohne Gerichtsverfahren dient.

Im Juni dieses Jahres schrieb ich den Essay »Rechtsstaat in Zukunft ohne Gerichtsverfahren«, und schon im Intro zitierte ich: »Wenn die Polizei vor der Tür steht, wird jedem klar, dass der Rechtsstaat Hasskriminalität entgegentritt und rote Linien überschritten wurden.«

In Deutschland wird die frühmorgendliche Hausdurchsuchung öffentlich und aggressiv als Strafe ohne Anklage, Verteidigung und Gerichtsverfahren eingesetzt.

Eine Bestrafung ohne Anklage, ohne Verteidigung und ohne Verfahren ist schlicht ein Widerspruch zu Rechtsstaat.

Faesers Aussagen sind kein Ausrutscher. Sie sagt es öffentlich, und sie wiederholt es auch, immer wieder und fast wortgleich.

»Krimineller« und »Täter« ist im besten Deutschland aller Zeiten, wer wegen noch so absurden Behauptungen auch nur von einem der vielen politisch abhängigen Anwälte beschuldigt wird – und irgendein Richter wird die demütigende Hausdurchsuchung schon noch unterzeichnen.

Es wurde beantwortet

Deutschland ist kein Rechtsstaat, wenn Rechtsstaat zwingend eine genaue Definition von Straftaten voraussetzt, statt etwa Gefühl wie »Hass« zu kriminalisieren. Deutschland ist kein Rechtsstaat, wenn Rechtsstaat zwingend voraussetzt, dass kein Bürger bestraft wird, ohne dass Anklage, Verteidigung und faires Verfahren vorangehen.

Ob Deutschland eine Demokratie ist, lässt sich am Umgang etablierter Machtzirkel mit der AfD beurteilen – manche sagen, diese Frage wurde 2020 in Thüringen vorläufig endgültig beantwortet.

Einen schicken Morgenmantel

Wenn man Deutschland einen Rechtsstaat nennt, muss man dies im »metaphysischen« Sinne tun: Deutschland erfüllt nicht zwingend notwendige Kriterien, die es braucht, um ein Rechtsstaat zu sein. (Die Bedeutung von »metaphysisch« erkläre ich näher im Essay »Was Deutschland ist (und was »ist« bedeutet)«.)

Durch Propaganda-Autorität wird festgelegt, dass Deutschland dennoch metaphysisch ein Rechtsstaat »ist«. Ähnlich also, wie ein Mann im Frauenkleid eine Frau »ist« – »metaphysisch« eben.

Der einzelne Bürger aber sollte sich darauf vorbereiten, wie seine persönliche Existenz und Zukunft aussehen wird, in einem Deutschland, das nur noch metaphysisch ein Rechtsstaat »ist«.

Oder, wie Birgit Kelle fragt: Habt ihr alle einen schicken Morgenmantel für die Hausdurchsuchung?

Weiterschreiben, Wegner!

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