16.10.2022

Unsere Filme, Teil 1 von 3

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
Der deutsche Film hatte etwa hundert gute Jahre. Jeder von uns hat nun persönliche Lieblingsfilme – und Lieblingszitate, die immer wieder in die Situation passen. Welche deutschen Filme sollten unbedingt »bleiben«?

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Diese Essay-Trilogie schrieb ich im Austausch mit meinen Twitter-Followern, siehe dazu die Antworten auf diesen und diesen Tweet. – Dankeschön!

Die Krankenschwester tippt auf ihrer Schreibmaschine, und sie fragt: »Gibt es in Ihrer Familie erbliche Geisteskrankheiten?« – Willy Winzig aber antwortet: »Jaaa, jaaa, wir sind ja schon in der vierten Degeneration Staatsbeamte!«

Der freche Willi Winzig wird von Heinz Erhardt gespielt, und zwar 1970 im Film: »Was ist denn bloß mit Willi los?«

Kurzer Exkurs vom Scheitern

Der Filmtheoretiker Siegfried Kracauer schreibt: »Die Filme einer Nation reflektieren ihre Mentalität unvermittelter als andere künstlerische Medien«.

Dieser Text, den Sie jetzt lesen, ist Teil einer Essay-Trilogie über unsere deutschen Filme. Lassen Sie es mich gleich gestehen: Es wird mir nicht gelingen, die hundert guten Jahre des deutschen Films auch nur annähernd vollständig zu würdigen.

Wie viele Filme ich auch nenne, Sie werden mir vorwerfen, sehr viel Schönes ausgelassen zu haben, und ich werde der Erste sein, der Ihnen darin zustimmt! Jedoch, wenn Ihnen hiernach hundert weitere große Zitate und sehenswerte Filme einfallen, dann war dieser Text all die Mühe wert.

Doch, genug der Vorrede – reden wir lieber vom deutschen Film. Reden wir von den Wahrheiten und Qualitäten, die manchen unserer Filme einen bleibenden Wert und eine bleibende Bedeutung geben.

Es begann in Berlin

Damit ein Film erfolgreich ist, muss er tiefe seelische Bedürfnisse der Zielgruppe erfüllen – und damit zeichnet er ein Abziehbild des Seelenzustands eines Volkes zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Wir könnten unsere Filme wie eine Chronik lesen. Und man könnte die Geschichte des deutschen Spielfilms mit einem Mann namens Oskar Meßter beginnen lassen.

1911 produzierte der Mechaniker und Optiker Oskar Meßter in Berlin den ersten deutschen Spielfilm mit durchgehender Handlung. Der Film hieß »Das Liebesglück der Blinden«, und er war nur acht Minuten lang: Ein genialer Arzt behandelt eine Blinde. Man verliebt sich. Er heilt sie, doch er fürchtet, dass sie ihn, wenn sie ihn erst sieht, nicht mehr lieben wird.

Die Handlung jenes ersten Spielfilms mag heute nicht mehr aktuell wirken, doch es sollten ungezählte weitere Spielfilme aus Deutschland folgen, und nicht wenige davon klingen in uns bis heute  nach, auch Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen.

Ein Kunstwerk bewahrt seine Bedeutung über die Zeit, indem es tiefere Wahrheiten über das Menschsein selbst ausspricht. Nicht wenige deutsche Filme der letzten hundert Jahre sprechen uns bis heute »aus der Seele«. Man kann sagen: Diese Filme bleiben.

Ich habe meine Leser gefragt, welche deutschen Filme man als »bleibend« listen sollte – und zwar Filme, die sie tatsächlich selbst gerne anschauen – und ich wähle aus den vielen genannten Filmen nur eine kleine Handvoll hier aus.

Metropolis (1927)

Da wäre natürlich »Metropolis« von Fritz Lang, aus dem Jahr 1927. Der Film erzählt von einer futuristischen Welt mit zwei sozialen Schichten. Die Reichen leben im Luxus, die Arbeiter schuften – und unter der Erde arbeiten die Maschinen. Ein Alleinherrscher überwacht jede Sekunde des Arbeitsalltags der armen Arbeiter.

Nahm sich der heutige Amazon-Chef Jeff Bezos ein Vorbild an Metropolis – oder verfügte Fritz Lang über prophetische Gabe?

Vermutlich Letzteres: Metropolis extrapoliert aus tieferen Mechanismen der individuellen wie auch kollektiven Psyche, kombiniert es mit technischer Realität. Und weil der Film es so präzise tut, bleibt er auch hundert Jahre später wichtig – weit über Deutschland hinaus.

M (1931)

1931 erschien ein weiterer Welt-Klassiker von Fritz Lang: »M – Eine Stadt sucht einen Mörder«.

Es ist eine Verhandlung kollektiver Panik und Lynchjustiz. Die Frage ist nicht, ob der Außenseiter die Tat begangen hat – hat er – die Frage ist, ob die Emotion der Masse den Rechtsstaat ersetzen soll. Es war 1931 eine aktuelle Frage, es ist auch heute eine aktuelle Frage.

Zwischenstand

Die ersten beiden Jahrzehnte des deutschen Spielfilms fanden naturgemäß als Stummfilme statt. Wenn wir heute zurückblicken, wirkt es teils wie der Blick in eine fremde Welt.

Selbst wenn wir die Namen schon einmal gehört haben, etwa »Ernst Lubitsch« oder »Henny Porten«, so gucken wir ihre Filme eher seltener. Und noch seltener können wir diese Filme zitieren, denn es waren zumeist Stummfilme. Die Ära des Tonfilms beginnt bekanntlich um 1927.

Aus der Zeit vorm Dritten Reich und Zweitem Weltkrieg lassen sich noch weitere Filme nennen, wie »Das Cabinet des Dr. Caligari« (1920), »Berlin – Die Sinfonie der Großstadt« (1927), »Die Drei von der Tankstelle« (1930), »Der blaue Engel« (1930), »Der Hauptmann von Köpenick« (1931) oder natürlich »Berlin – Alexanderplatz« (1931).

Mit dem Tonfilm setzen auch die ersten bis heute tradierten Filmzitate ein, welche ein »Jefühl« ob der aktuellen Lage auf den Punkt bringen.

Ein bestimmtes Zitat aus dem 1931 erschienen »Hauptmann von Köpenick« ist mir gerade zu derb, um herausgelöst zitiert zu werden. Ein anderes aber ist auf gruselige Weise prophetisch. Es lautet: »​​Bei uns, da gibt’s kein Unrecht. Bei uns in Deutschland, da geht Recht und Ordnung über alles!«

Nun, die deutsche Geschichte zeigt bis heute, dass offizielles Recht und staatlich verordnete Ordnung nicht unbedingt Unrecht und Unordnung ausschließen.

Aber, ach, nicht alles ist so ernst, auch nicht an einem Scherz, wie diesem, gedreht zwischen zwei Weltkriegen.

Die Filme aber, die wir bis heute schauen, die uns bis heute lachen lassen und uns aus der Seele sprechen, die wurden – bis auf Ausnahmen wie die Feuerzangenbowle – nach dem Zweiten Weltkrieg gedreht. Und über diese Filme, mit lustigen Gestalten wie Heinz Erhardt und Loriot, werden wir im zweiten Teil dieser Trilogie reden!

Weiterschreiben, Dushan!

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