Dushan-Wegner

10.03.2020

War 2015 ein »Testlauf«?

von Dushan Wegner, Lesezeit 9 Minuten, Foto von Ivan Aleksic
»2015 darf sich nicht wiederholen!«, so hören wir, doch dann sind sie wieder da. Kinderfotos mit Kulleraugen. Klebrige Propaganda-Sprache. Wir denken an den mehr als fragwürdigen Migrationspakt. Eine böse Frage kommt auf: War 2015 ein »Testlauf«?
Telegram
Facebook
𝕏 (Twitter)
WhatsApp

»Nicht für die Schule lernen wir«, so heißt es, »sondern fürs Leben!« – Ist es denn wahr? Man sollte nicht allzu genau hinschauen, damit einem nicht auffällt, dass es gleich doppelt falsch ist!

Erstens: Die Originalversion ist von Seneca in lateinischer Sprache formuliert – »Non vitae sed scholae discimus« – und sie besagt das genaue Gegenteil, nämlich: Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir!

Zweitens: Selbst die umgedrehte Fassung ist nicht ganz praktisch richtig. Die Schulpflicht in unserem Sinne ist ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts (mit Ausreißern zuvor und teils viel später) – und damit der Industrialisierung und dem Bedarf der Fabriken, der Unternehmen und der verwaltenden Behörden.

Natürlich wird man sagen wollen, dass die Schulpflicht dem Kindeswohl dient – und es ist wahrlich nicht schlecht für die Kinder, etwas zu lernen – und doch wirken Kräfte auf die Schulen, deren erster Nutznießer nicht zwingend das Kind selbst ist.

Ein funktionierender, auf Wirtschaft und Steuern angewiesener Industriestaat, wird immer versuchen, junge Menschen mit solchen Fähigkeiten auszustatten, die es ihm ermöglichen, in einem wirtschaftlich relevanten Feld eine nützliche und echtes Geld werte Leistung erbringen zu können. (Inwiefern das in linksgrün geprägten Bundesländern noch der Fall ist, das ist ein eigenes Thema.)

Jede (am Überleben interessierte) Regierung wird aber auch versuchen, die Kinder zu leichtdrehenden Rädchen der jeweiligen Gesellschaftsform heranzuziehen.

Im »Gesetz über die Schulpflicht im Deutschen Reich« von 1938 hieß es, als Beispiel, die Schulpflicht sichere »die Erziehung und Unterweisung der deutschen Jugend im Geiste des Nationalsozialismus« (siehe wikimedia.org).

Nicht immer ist aus der Schulpraxis der offizielle gesetzliche Auftrag erkennbar, so ist im Schulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (vom 2005, zuletzt 2019 geändert, siehe schule-welt.de) von der »Ehrfurcht vor Gott« die Rede, von »Demokratie«, von »Duldsamkeit« und der »Achtung vor der Überzeugung des anderen«, ja sogar von der »Liebe zu Volk und Heimat« – schöne, edle Werte, die aber im direkten, eklatanten und kaum überbrückbaren Widerspruch zum linksgrünen Zeitgeist stehen.

Es hat ja gewisse Berechtigung, Senecas sarkastische Klage umzudrehen – dass wir fürs Leben und nicht für die Schule lernen mögen, dieser Wunsch ist als Implikation in seiner Klage enthalten. Erlauben Sie mir einmal eine Frage: Was wäre an Schulen und Universitäten anders, wenn tatsächlich nicht zuerst fürs politische Funktionieren gelehrt und gelernt würde, wenn auch nicht zuerst auf die wirtschaftliche »Verwertbarkeit« hin unterrichtet würde (ach, wenn zumindest das noch wirklich der Fall wäre!), sondern wenn Kinder und Jugendliche tatsächlich »aufs Leben hin« erzogen würden?

Zwei neue Testregeln!

Wenn die Schule wirklich aufs Leben vorbereiten wollte, statt nur aufs Funktionieren als Teil der linksgrünen Ideologiemaschine, dann müsste sie, unter anderem, auch alte Weisheiten lehren, also Gedanken von alten bärtigen Männern (auch solchen, die nicht »Karl Marx« heißen) und nahe wie ferne Weisheitslehren – und dazu auch etwas »gesunden Menschenverstand« und nützliche Denkregeln.

Ich erlaube mir, heute eine wichtige Denkregel nachzuziehen und eine weitere einzuführen, die meines Erachtens nach beide in Schulen gelehrt werden sollten, um Kinder wirklich aufs Leben vorzubereiten.

Effekt ohne Verschwörer

Die erste Regel lautet: Nur weil es keinen Handelnden gibt – oder du keinen ausmachen kannst – heißt das nicht, dass die Handlung selbst nicht stattfindet.

Ein Beispiel: Wenn einer sagen sollte, dass eine »Umvolkung« stattfinde, dann brüllen gleich die Haltungsjournalisten (um nicht »regierungshöriges Pack« zu sagen, wie es ja manche Leute inzwischen tun, in jenem schönen Land, das Adenauer wieder aufbaute, Kohl wieder vereinte und Merkel wieder niederreißt, mindestens moralisch), dann schreien sie, dies sei eine rechtsnaziböse »Verschwörungstheorie«. Die »Argumentation« und das »Denken« (soweit man überhaupt bei Journalisten über das eine oder das andere reden darf, kann oder sollte, ohne so rot wie das vergossene Blut mancher SED-Opfer zu werden), die Argumentation und das Denken wäre etwa: »Zeige mir doch, wer sich da verschworen haben soll? Keinen kannst du zeigen! Haha, du faschistoider Verschwörungstheoretikerdreckskerl!«

Der derart Denunzierte könnte an dieser Stelle einwenden, dass es da doch dieses Paper der UN gibt (siehe »Verschwörungstheorien und Kompromat«) und diesen Migrationspakt, der sogar im Bundestag gepriesen wurde, doch an dieser so fortgeschrittenen wie hitzigen Stelle der Argumentation segeln wir bereits Meilen vom Ufer der Fakten entfernt, Papierboote in wilden Fluten gefühlter Wahrheit!

Wenn das Streitgespräch nun an jenem Siedepunkt angelangt wäre, wo Diskutanten ankommen können, wenn die jeweilig(en) Position(en) zugleich kontrovers sind und emotionsstark vertreten werden (vergleichbar etwa mit dem Frontenverlauf, wenn wir mit unseren Kindern diskutieren, ob es zunächst Salat und Hauptspeise gibt – oder ob man gleich und final mit der Nachspeise einsteigt), dann schallt uns von den »Guten« und Gleichgeschalteten entgegen: »Haha, egal, was du sagst, du bist ein Verschwörungstheoretiker!«

Und doch, selbst im Dampf des Fake-Argument-Feuers (vom Journalisten mit Fake-Munition versorgt – was für an Geist und Gewissen gebrechliche Gestalten, solche Journalisten!), selbst im Rauch und Nebel linker Lügen und Leugnereien bleibt das so augenscheinlich schlichte wie nicht-prinzipiell-unwahre Postulat: Nur weil etwas wie »Verschwörungstheorie« klingt (und, vor mir aus: riecht), ist dadurch noch nicht gesagt, dass es einen Akteur gibt, der diese Handlungen plante und anstieß.

Nur weil ich nicht sagen kann (und ob man es prinzipiell nicht sagen kann, weil es keinen gibt, oder nur praktisch, weil wir ihn/sie nicht kennen, das wären andere und weitere Fragen), dass jemand etwa gezielt eine »Umvolkung« betreibt, so ist damit noch nicht gesagt, dass ein verwandtes oder ähnlich gelagertes Phänomen nicht stattfindet.

Die erste Regel, ganz allgemein formuliert: Nur weil man niemanden ausmachen kann, der X zur Absicht hat, heißt das noch lange nicht, dass X nicht geschieht. (Ein Zyniker könnte hier ergänzen: Es hatte ja auch niemand die Absicht, eine Mauer zu bauen, und doch war sie plötzlich da.)

Alles ist Test

Auf zur zweiten Regel, liebe Freunde des lebenslangen Lärmens, pardon, Lernens.

Und zwar, dies: Alles ist ein Testlauf für alles danach.

Erst allgemein

Alles, was im Leben passiert, ist ein Testlauf für alle möglichen Wiederholungen.

Irgendwann im Leben haben Sie zum ersten Mal ein Käsebrot gegessen, und das war dann ein Testlauf fürs nächste Essen eines Käsebrotes, dieses dann wiederum fürs nächste, und so fort. Dies gilt für alles, was wir tun und was in der Welt geschieht, von den ersten Interaktionen im Sandkasten bis zur späteren Arbeit und manchem Geschäftsvorhaben.

Es ist das Kennzeichen aller modernen Künstlichen Intelligenz und auch einiger Menschen, aus jedem Ereignis dazu zu lernen und klüger zu werden. Jene Formel, zu der sich Heraklit von Höcke inspirieren ließ, wonach der Mensch »nie zweimal in denselben Fluß« steigt, sie ist nicht nur ontologisch zu lesen, sie ist auch eine Aufforderung zum täglichen Lernen und Wachsen – oder, wie wir es an dieser Stelle sehen und verstehen wollen: Alles, was geschieht und alles was du tust sind jeweils Testlauf für alles Folgende.

Der Testlauf verschafft uns Erkenntnis darüber, wie die Realität praktisch und tatsächlich auf Effekte reagiert. Nicht selten unterscheidet sich der Verlauf der getesteten Realität überraschend oder sogar erschreckend deutlich von allem, was wir zuvor erwartet haben – beziehungsweise hätten.

Dann konkret

Im Essay »Februarkäfer, flieg!« zitiere ich jenes Leermantra herbei, wonach sich 2015 »nicht wiederholen« dürfe, was ja dem Wortsinn nach bis zur Erfindung von Zeitmaschinen ohnehin gesichert ist, doch natürlich sind »wirklich« die Ereignisse gemeint, und da fragt man sich wiederum, was genau es ist, das »nicht wiederholt« werden soll: Deutschlands Funktion als All-Inclusive-Traumziel für Millionen junger Männer oder die dann doch einsetzenden Proteste der deutschen Bevölkerung?! (In jenem Essay »Februarkäfer, flieg!« frage ich dann, was sein wird, wenn 2020 eine ganz neue Dimension wird.)

Erlauben Sie mir bitte, eine weitere Perspektive aufs selbe Ereignis zu formulieren: »2015 war ein Testlauf.«

Was haben denn Regierung und politiknahe Medien wirklich aus dem »Testlauf 2015« gelernt?

Merkel hat aus 2015 wahrscheinlich gelernt, dass sie damit durchkommt, sich über den Geist des Amtseids, den Rat von Experten und nach mancher Meinung sogar über das Gesetz hinweg zu setzen, dem Volk und Land nachhaltigen Schaden zuzufügen – dass sie dann aber dank regierungsfreundlicher, unterwürfiger Journalisten (siehe auch »Wie nennt man es, wenn sie alle gleich schalten?«) und einem eingeschüchterten, unterwürfigen Volk dennoch wiedergewählt werden wird.

Medien haben aus dem »Testlauf 2015« gelernt, dass sie mit »Moral« und »Framing« das Volk bewegen können, politische Handlungen zu verlangen oder zumindest hinzunehmen, die dem Land auf Dauer schaden, die manches Leid, Ausbluten der Sozialsysteme und Verschlechterung der Sicherheitslage mit sich bringen.

2015 war, in diesem Sinne, ein Testlauf.

Merkel wurde nach 2015 wiedergewählt. Staatsfunk und politiknahe Medien verkünden weiter die Wahrheit des Tages (siehe auch »Darf man über »Lügen« reden?« vom 28.11.2017).

Es ist 2020. Der Staatsfunk zeigt wieder die Bilder von traurigen »Kindern« (tagesschau.de, 10.3.2020), die nach Deutschland geholt werden sollen. (Es hält kaum dem einfachsten Nachdenken stand: Da sollen wirklich hunderte oder sogar tausende Kinder allein durch Syrien und die Türkei gelaufen sein (die »meisten von ihnen seien Mädchen«), und jetzt nur darauf warten, dass Deutschland sie abholt?! Wenn da aber Eltern dabei sind und mit geholt werden, warum redet man manipulativ verlogen nur von den Kindern und nicht von Familien?!) – Bild zeigt etwa die Fotos eines »Sido Kasim (6)«, der vor nach Lesbos ertrank (bild.de, 9.3.2020). Man zeigt Bilder niedlicher Kinder mit der dramatischen Schlagzeile »Kinder sehen Suizid als Lösung, um der Hölle zu entfliehen« (bild.de, 9.3.2020), und so fort.

Alles was passiert, ist ein Testlauf für alles andere, selbst wenn wir es erst später als Testlauf nutzen, selbst wenn wir es nicht bewusst als Test verstehen.

Merkel und Medien haben aus 2015 gelernt: Man kommt damit durch.

Alles drei!

Wir haben aus 2015 gelernt, dass wenn die Regierung uns das antun kann, sie uns noch Übleres antun wird.

Wir lernen aber auch, dass die Regierung dann doch etwas zögerlich wird, wenn man ihr nachdrücklich widerspricht und darin Zuspruch beim Souverän findet. Sogar die aller übertriebenen Vernunft unverdächtige TAZ lobt die AfD: »Aus Angst vor der AfD werden Flüchtlinge aus Griechenland nicht zu uns geholt.« (taz.de, 9.3.2020)

Nicht für die Schule sollen wir lernen, so heißt es, sondern fürs Leben. Wofür aber lernen wir? (Die Regierung wird wohl sagen, wir lebten, um ihr zu dienen, Steuern zu zahlen und geduldig hinzunehmen, was sie uns antut – lassen wir sie reden.)

Manche sagen, wir lebten, um glücklich zu werden. Manche sagen, wir lebten, um Gutes zu tun. Manche sagen, wir lebten, um zu lernen. Ich sage: Alles drei!

Was haben wir gelernt?

Wir lernten heute:

  1. Dass sich kein Initiator von X ausmachen lässt, bedeutet keineswegs, dass X nicht stattfindet.
  2. Alles ist ein Test für alles danach. Es liegt an uns, ob und was wir aus den täglichen Testläufen lernen.

Und wir wendeten es ganz konkret an: (Auch) 2015 war ein Testlauf.

Wir ahnen, dass und was Regierung und Medien aus 2015 lernten – die Kulleraugenkinderbilder sind wieder da, die moralisierend erpresserische Propaganda-Sprache – und, vergessen wir nicht, der für Demokraten haarsträubend »UN-Migrationspakt« ist seitdem dazugekommen!

2015 war ein Testlauf, auch für uns, die kleinen Leute, die Nichtpolitiker und Nichtjournalisten, die Selbstdenker ohne »Haltung«, aber mit Vernunft und Gewissen – und was haben wir aus dem »Testlauf 2015« gelernt?

Nein, nicht für die Schule sollen wir lernen, sondern fürs Leben – im Leben aber, mit seinen täglichen Testläufen, im Leben sollten wir lernen, um überhaupt zu überleben.

Weiterschreiben, Wegner!

Danke fürs Lesen! Bitte bedenken Sie: Diese Arbeit (inzwischen 2,029 Essays) ist nur mit Ihrer Unterstützung möglich.

Wählen Sie bitte selbst:

Jahresbeitrag(entspr. 1€ pro Woche) 52€

Augen zu … und auf!

Auf /liste/ finden Sie alle Essays, oder lesen Sie einen zufälligen Essay:

Mit Freunden teilen

Telegram
Reddit
Facebook
WhatsApp
𝕏 (Twitter)
E-Mail

Wegner als Buch

alle Bücher /buecher/ →

War 2015 ein »Testlauf«?

Darf ich Ihnen mailen, wenn es einen neuen Text hier gibt?
(Via Mailchimp, gratis und jederzeit mit 1 Klick abbestellbar – probieren Sie es einfach aus!)