Dushan-Wegner

14.09.2020

Bibliotheken in Gedanken

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Foto von Tarik
Sozialisten verbrennen und zerstören mit Lust und Wut die Dinge, seien es Bücher oder Statuen, die sie daran erinnern, was für kleine Geister sie sind – doch selbst die Flammen zeugen noch von der Größe derer, die das Verbrannte einst erschufen!
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Ein Brand, in der Kindheit durchlitten, prägt für gewöhnlich einen Menschen für weite Teile seines folgenden Lebens (so er ihn überlebt). So auch mich, auch mich hat ein früh erlittener Brand geprägt – doch lassen Sie mich sogleich beschwichtigen: Es ist ein (zumindest) aus meiner Perspektive fiktiver Brand.

(Ehrliche Warnung: Ich verrate im Folgenden einen nicht ganz unwesentlichen Aspekt des Buches »Name der Rose«. Wenn Sie das Buch bislang noch nicht gelesen haben sollten, legen Sie doch bitte kurz diesen Essay weg, verschlingen schnell Umberto Ecos Meisterwerk, und lesen dann hier weiter. Ich warte. Ich warte noch immer… willkommen zurück!)

Im Finale des Buches »Name der Rose« (das alle gelesen haben, die uns an dieser Stelle dieses Essays begleiten, also verrate ich nichts Unbekanntes) brennt das Kloster nieder, samt der Bibliothek – und samt der bis dato verschollen geglaubten (und nach dem Feuer wieder verschollenen) Komödie des Aristoteles.

Die Komödie ist ein Teil der aristotelischen Poetik, seines großen Werkes über Kunst und Ästhetik, wohl seine »Vorlesungnotizen«,die vor allem die Kunst des geschriebenen und vorgetragenen Wortes untersuchen. Es finden sich bei Aristoteles selbst Hinweise auf einen Teil über den Teil über die Komödie, worin Aristoteles, so Eco, übers Lachen und über das Lächerliche spricht.

All unser Denken, selbst das Denken der Massen, die nachplappern statt zu denken, ist vom Denken der alten Griechen geprägt. Wir nennen dieses tragisch (etwa wenn ein Smartphone beim Selfie ins Wasser fällt), und manch anderes komisch (etwa wenn ein Oppositioneller an einer Behinderung leidet, das findet man im verfluchten deutschen Staatsfunk extra-komisch; siehe achgut.com, 5.2.2018). Die Wurzeln der Worte wie auch der Begriffe reichen bis zu jenen togatragenden Selbstdenkern zurück.

Das Wort »Tragödie« hat sich wohl aus τραγωδία entwickelt und heißt wörtlich Bocksgesang – eine treffliche Umschreibung für manches Wehklagen, das sein Schicksal für tragisch befindet, doch von den Zuschauerrängen des Nichtbetroffenseins frecherweise mit komisch treffender beschrieben wäre.

Umberto Eco war es derart trefflich gelungen, das Gewicht und die Bedeutung der aristotelischen Komödie zu etablieren, dass ich mich bis heute an den Schmerz und die Wut erinnere, den ich vor Jahrzehnten, als Kind, empfand, als Benediktinerabtei samt Bibliothek und Komödie niederbrannten.

Luftballons über Mauern hinweg

In den USA brennt es. Seit Monaten schon (siehe etwa the-sun.com, 3.7.2020) erreichen uns Bilder aus Innenstädten, wo Antifa-Terroristen, und »Black Lives Matter« (die zwischenzeitlich stellenweise wie ein »schwarzer Ku Klux Klan« auftreten, allerdings wieder von Weißen geprägt) in Städten mit hohem schwarzen Bevölkerungsanteil plündern und Brände legen (sogar trumpfeindliche Outlets wie washingtonpost.com, 19.8.2020 berichten es). Und manchmal zünden sich die Antifa-Idioten sogar selbst an, und bei Zynikern könnten die Bilder ein Gefühl praktischer Komödie entfachen (siehe YouTube).

Doch, nicht nur die Innenstädte brannten zuletzt in den Vereinigten Staaten von Amerika; auch ländliche Gebiete brennen. Freunde in Kanada berichten mir, dass Rauch aus den USA bis hoch zu ihnen zieht.

Einige der Feuer wurden wohl durch Unachtsamkeit gelegt. Eines brach aus, als bei der Party zur Bekanntgabe des Geschlechts eines Ungeborenen das eingesetzte Feuerwerk die trockenen Büsche anzündete (Video: nbclosangeles.com, 8.9.2020). (Randnotiz: Wenig überraschend und gemäß »Poe’s Law«, wonach das Extreme nicht von seiner Parodie zu unterscheiden ist, meldet sich natürlich auch die linke Crazy-Bubble zu Wort: »And it’s not just potential property damage that’s an issue; there’s also the psychological damage that can come with reinforcing rigid gender binaries.«, zu Deutsch etwa: »Es ist ja nicht nur der potenzielle Sachschaden. Es geht auch um den psychischen Schaden, der durch die Verstärkung starrer Gender-Binärzuteilungen entstehen kann.«, so natürlich in theguardian.com, 12.9.2020. Linkes Denken ist intellektuelle Brandrodung.)

Es scheint, dass einige der Landschaftsbrände in den USA durch Brandstiftung ausbrachen. Es wird noch diskutiert, ob und wie oft solche Brandstiftungen ein Anschlag von Antifa- und/oder Black-Lives-Matter-»Aktivisten« waren. In der schnösel-linken New York Times etwa wird es unter Bezug auf die Polizei (noch?) bestritten (nytimes.com, 10.9.2020). Auch das FBI Portland bestreitet es (@fbiportland, 11.9.2020). Wir werden sehen.

Fakt ist, dass das Legen von Bränden auch heute noch ein unter Terroristen (oder »Aktivisten«, wie Linke ihre terroristischen Helfer nennen) »beliebtes« Werk- und Spielzeug ist. Wir denken etwa an die allnächtlichen Brände in Berlin, wenn Linke ihren Kampf gegen das »Schweinesystem« ausfechten, indem sie die Autos des arbeitenden Teils der Bevölkerung ausbrennen lassen. Wir denken an die Brände in Griechenland, die womöglich von Erpressern gelegt wurden (Essay vom 9.9.2020). Wir denken aber auch an Israel, wo palästinensische Terroristen ihre teils mit Hakenkreuzen beschmierten Drachen und Luftballons in die Luft steigen lassen, samt brennenden Zündmitteln, um über die Mauer hinweg Israel in Flammen zu setzen (siehe timesofisrael.com, 21.1.2020; diese Anschläge sind übrigens Öko-Terrorismus und auch ein Kriegsverbrechen, und das Schweigen dazu von den sogenannten »Guten« sagt alles, was es braucht, um die Moral der sogenannten »Guten« zu beschreiben).

Ein jeder geistesklein

»Die, die nicht bauen, müssen niederbrennen«, formuliert Ray Bradbury in Fahrenheit 451 (»Those who don’t build must burn«).

Einst rühmte und freute man sich, auf den Schultern von Giganten stehen zu dürfen – heute reißt man die Statuen der Großen nieder, auf dass ein jeder Mensch gleich geistesklein sei, einzeln wie gemeinsam. (Ein passenderes Pars-pro-Toto des Sozialismus ist kaum denkbar.)

Eine Familie baut viele Jahre an ihrem Haus. Ein Volk baut über Jahrzehnte und Generationen an seinem Land. Sozialisten, Terroristen oder wie auch immer diese Gestalten sich nennen, brennen es in einem Bruchteil jener Zeit nieder, und sie fühlen sich groß.

Der Brandstifter fühlt sich groß, wenn die Flammen seiner Zerstörung höher in den Himmel schlagen als das zerstörte Werk selbst stand, doch diese Gestalten sehen nicht: Die Flammen schlagen genau so hoch wie das Brennende ihnen Nahrung gibt, und so zeugt noch das Feuer von der Größe des Erbauers und seines Werkes.

Etwas ist also geblieben

Das Denken jenes Teils der Welt, dem der Rest der Welt in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft nacheifert (und wenn zum Nacheifern diese oder jene Voraussetzung fehlt, nutzt man zumindest seine Technologie, um wohlbegründet neiderfüllten Hass gegen ihn zu säen), das Denken dieses Teils der Welt (oft mit einer Himmelsrichtung bezeichnet, was auf einem von vielen für rund gehaltenen Erdenball diskutabel ist), das Denken des »Westens« kann seine Wurzeln bis zu den alten Griechen zurückverfolgen, und diese zeitlangen Wurzeln speisen uns bis heute. Was aber ist mit den Wurzeln, die abgeschlagen wurden? (Also mit denen, von denen wir wissen oder zumindest ahnen, dass es sie gab, aber nicht mehr gibt.)

Wäre unser Denken und damit das Denken der Welt ein anderes, wenn wir wüssten, was Aristoteles über die Komödie schrieb?

Wir verstehen des Lachen nicht, und mit »wir« meine ich die Gesellschaft, eine von linkem Nichtdenken dominierte Unkultur, wo das Verhöhnen der Oppositionellen und Abweichler für den Humor einstehen soll (siehe auch meinen Essay vom 30.4.2018: »The Left Can’t Meme – Warum Linke keinen Humor können«).

Aristoteles’ Komödie bleibt verschollen, wohl seit der Antike schon. Dass irgendein Kloster die Komödie heimlich beherbergte, bevor es samt Komödie und der heimlichen Kunst das Lachens verbrannte, es ist eine Erfindung Umberto Ecos – und doch sind mein Schrecken und mein Schmerz über eben dieses Erfundene bis heute sehr echt – etwas ist also geblieben, etwas ist noch nicht verloren!

»Es liegt an…«

Ich verstehe jeden, der fürchtet oder gar versucht ist, heute die Hoffnung zu verlieren. Am Ende gewinnt immer die Realität, und wir sind uns nicht sicher, ob wir dann auf der Seite der Gewinner stehen werden – ob es überhaupt Gewinner geben wird, außer natürlich den Strippenziehern auf ihren privaten Inseln, in ihren luxuriösen Jachten und hinter ihren hohen Mauern, welche den Brandstiftern von Zeit zu Zeit die Lunte reichen.

Wenn alle Statuen, alle Städte und alle Bücher verbrannt, gecancelt und gelöscht wurden, was wird uns bleiben? Es liegt an uns.

Es liegt an uns, jene zu unterstützten, welche sich den Brandstiftern und Schlägerbanden, den Terroristen und Sozialisten in den Weg stellen – es ist gefährlich.

Es liegt an uns, jenen Mut zuzusprechen, die den Mut zu verlieren drohen, aber uns doch noch so viel Schönes und Kluges geben könnten (ganz akut könnten diese Leute nützlich sein, das Schöne und Kluge aus dem bereits heute brennenden Feuer zu retten).

Im Text »Unfreiheit geschieht von selbst, Freiheit braucht Vorbereitung« (17.6.2018) zitierte ich Hohelied 2:15: »Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, die die Weinberge verderben.« – Diese Bibelweisheit lässt sich trefflich mit Shakespeare auslegen: »A little fire is quickly trodden out; which, being suffer’d, rivers cannot quench.«, zu Deutsch etwa: »Ein kleines Feuer ist schnell ausgetreten, das, wenn es toleriert wird, selbst Flüsse nicht löschen können.«

Das ist die Lagebeschreibung, präzise: das ist unsere Lage. Wir sehen die Feuer, die buchstäblichen wie die metaphorischen. Wir hoffen, dass es, geschichtlich betrachtet, noch kleine Feuer sind, so viel Angst sie uns auch einjagen, noch nicht so hoch und heiß, dass selbst »Flüsse« sie nicht löschen können.

Wir hoffen, dass wir der Feuer noch Herr werden können. Wir hoffen, dass die Pläne der Häuser, die heute brennen, uns tief genug in Herz und Verstand eingegraben sind, so dass wir sie dereinst, hoffentlich sehr bald und sehr nah, wieder aufbauen können.

Der Mensch kann so viel mehr sein als nur ein wütendes Tier mit Fernbedienung und Fernsehsessel – doch es bleibt disziplinierte Arbeit, mehr zu sein als eine Reizaktionsmaschine und Non Player Character!

Wenn die Bibliotheken niederbrennen, will ich fragen: Wieviel Weisheit, wieviel der in den Büchern zu Buchstaben und Zeilen geronnenen Menschlichkeit tragen wir in unseren Herzen und Köpfen, so dass wir sie aus den Flammen retten können?

Wir hatten einst diesen Traum, dieses Ideal eines Menschen, der sich aus eigener Kraft aus dem Morast seiner niederen Triebe und faulen Neigungen erhebt. Ich mochte diesen Menschen!

Ich wollte dieser Mensch sein. Ich hoffe, dass jene Hoffnung diese Brände überlebt.

Ich hoffe, dass irgendeine Hoffnung diese Flammen überlebt.

Ich schreibe diese Zeilen über den Namen der Rose, und ich bin tatsächlich noch immer traurig, dass sie diese wunderbare Bibliothek mit den teuflischen Treppen und großen Geheimnissen niederbrannten.

Es liegt an uns. – Jedoch, da jede Plural-Verwendung der 1. Person eine Anmaßung ist (die exakte Bedeutung von »wir« zerfällt, wenn man darüber nachdenkt, »wir« ist mehr Imperativ als Signifikat, und im schiefen Mund der Mächtigen bedeutet das Wort »wir« ohnehin etwas ganz anderes), da selbst und gerade die kollektive Verantwortung nur im konkreten Herunterbrechen auf den Einzelnen eine Bedeutung über Sonntagsreden hinaus hat und haben kann, da unsere Worte stets etwas bedeuten sollen, fordere ich uns auf, dass ein jeder für sich selbst formuliert: Es liegt an mir.

Weiterschreiben, Wegner!

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