20.11.2024

Wie nennt man es, wenn Behörden den Bürger verpfeifen?

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Bild: »Beste Justitia aller Zeiten«
Polizei meldet Bürger bei Politikern. Diese stellen Strafantrag – und Polizei kann zur Hausdurchsuchung anrollen. Naive Frage: Wie können Politiker sich von Kleinst-Accounts beleidigt fühlen, wenn sie bis dahin nichts davon wussten?!
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Wenn ein Bürger einen anderen Bürger aus niederen Beweggründen bei der Staatsmacht anschwärzt, dann nennen wir das eine Denunziation.

Ein Bürger, der solches Denunzieren praktiziert, ist ein Denunziant – und bekanntlich »der größte Schuft im ganzen Land«.

Raub und Misstrauen

Staatsformen, von denen man später im Geschichtsunterricht lernt, dass sie als böse zu bewerten sind, zeichnen sich seit jeher (auch!) dadurch aus, dass sie dem Bürger (aus gutem Grund!) misstrauen.

Politik, die sich den Staat zur Beute macht, fürchtet stets um ihre Macht, so wie ein Dieb immerzu fürchtet, dass sein Raubgut wieder an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgeht.

Die böse Politik fürchtet den Bürger, der auf seinen Rechten besteht – wozu der echte Rechtsstaat gehört, und also bekämpft sie ihn. In diesem Kampf gegen Rechts setzt böse Politik auf Spitzel und Denunzianten, und richtet im ganzen Land Meldestellen ein, bei denen der böswillige Bürger seinen Mitbürger melden kann, sprich: denunzieren.

Dort billig, hier reguliert

Man hört zuletzt wenig von technischen Innovationen in Deutschland.

Deutschland schaltet seinen Strom ab und vergrault alles Technologische. Zukunft wird in den USA erfunden, in China billig gemacht … und in der EU-Besatzungszone totreguliert.

Dieser Tage gelang es aber Deutschland tatsächlich, mich mit einer Innovation zu überraschen. Das hatte ich wirklich nicht erwartet!

Diese Innovation war keine technische. Diese Innovation war eher – wie soll man es nennen? – rechtsstaatlich. (Wie nennt man Vorgänge innerhalb eines vorgeblichen Rechtsstaats, die theoretisch mit diesem zu tun haben, ihn aber ad absurdum führen?)

Nicht (nur) Beweismittel

Der denkende Teil Deutschlands diskutiert noch immer das »Schwachkopf-Gate« jenes Politikers, der nicht »Schwachkopf« genannt werden will. (Ihr treuer Essayist schrieb darüber.)

Im »Rechtsstaat« Deutschland ist es längst »neues Normal«, dass Hausdurchsuchungen als »Strafe ohne Anklage und Verfahren« eingesetzt werden. Totalitär auftretende Politiker drohen offen mit der demütigenden Hausdurchsuchung als Strafe – mit Sicherung von Beweismitteln hat es nicht glaubwürdig etwas zu tun.

In Deutschland geht das neue geflügelte Wort um, das größte Problem mit der Meinungsfreiheit sei es, nach der Hausdurchsuchung wieder aufzuräumen.

In Doktorarbeiten oder Büchern falsch zu zitieren, das stört und überrascht bei Politikern, so sie von den »Guten« sind, schon längst niemanden mehr.

Als Bürger aber einen Politiker falsch zu zitieren, das ist dem deutschen Rechtsstaat offenbar schon genug, eine demütigende Hausdurchsuchung zu initiieren. (Ja, sogar Zusammenstellungen korrekter Zitate sind verwerflich – die könnte man glatt für »Feindeslisten« halten, und sowas wird natürlich verfolgt.)

Auf der Suche (nach Beleidigendem)

Bislang dachten allerdings die meisten von uns – auch ich –, dass die Hausdurchsuchung eine Reaktion auf eine Anzeige durch den Beleidigten sei.

Aus demokratischer Sicht meiner Meinung nach indiskutable Akteure durchforsten – inzwischen sogar mithilfe künstlicher Intelligenz – das Internet nach angeblichen »Beleidigungen«, etwa beim Projekt »SO DONE«.

Wenig überraschend, dass FDP-Politiker dabei sind.

Als ich sagte, die FDP sei überflüssig wie eine dritte Brustwarze, war ich wohl noch zu positiv – eine dritte Brustwarze wäre meines Wissens zwar irritierend, aber doch harmlos.

In diesem »besten Deutschland aller Zeiten« verwundert es auch wenig, dass dieses mindestens moralisch abstoßende Projekt beim »Gründungspreis NRW« stolze 10.000 Euro gewann.

Und es verwundert ebenfalls wenig, die immer gleichen Namen wie Habeck, Wüst oder natürlich Strack-Zimmermann auf der Website des Unternehmens mit Portraitfoto und Zitat zu finden (sodone.de, Stand 20.11.2024).

Und doch war dies nicht die Innovation, die mir dieser Tage auffiel.

Das Durchforsten des Internets nach potenziell rechtswidrigen Inhalten ist einfach nur die Umsetzung des »hässlichen Deutschen« mit modernen Mitteln.

Lieber Politiker, wenn ein Kleinst-Account mit 15 Followern etwas Böses über dich sagt, was du ohne aufwändige Such-Roboter niemals mitbekommen hättest, glaube ich dir nicht, dass du emotional schwer verletzt bist. Vielleicht geht es dir doch eher nur ums Abzocken von Bürgern – sich beleidigt zu fühlen ist ein profitables Geschäft in Deutschland (wenn man zu den »Guten« gehört, klar). Die »Bösen« dürfen sich, mit richterlichem Segen, täglich übelst beleidigen lassen, als »Faschist«, »Ratte«, »Nazischlampe« und so weiter

Was aber auch immer konkret die wahre Motivation dieser Leute ist: Beim Schwachkopf-Gate des Herrn Habeck war sie nicht beteiligt.

Was hier passiert(e), ist womöglich noch viel schlimmer.

Deutsche Innovation

Die schockierende »Innovation« war, dass die Information über den beleidigenden Witz von der Polizei an den Minister herangetragen wurde!

Seit Habeck das selbst im Nebensatz erwähnte, treten weitere Politiker an die Öffentlichkeit, die ebenfalls von der Polizei benachrichtigt wurden.

Und sie veröffentlichen teilweise, wie sie der Polizei ablehnend antworten. Kristina Schröder erklärt es der Polizei, höflich und bestimmt. Auch Wolfgang Kubicki, ebenfalls höflich und getränkt in einen im Zweifelsfall natürlich zu bestreitenden und doch köstlich triefenden Sarkasmus.

Das ist wirklich innovativ. Ich schreibe seit vielen Monden diese Texte und nur selten schockt mich etwas – doch das verschlägt mir den Atem!

In Deutschland ist es offenbar tägliche Praxis – bundesweit! –, dass die Polizei an Politiker meldet, wenn sie eine böse Äußerung über diese im Internet gefunden hat.

Den Politikern wird dann offenbar ein Strafantragsformular zugeschickt.

Diesen Strafantrag muss der Politiker (oder realistischer: eine ihrer steuerfinanzierten Hilfskräfte) dann bloß noch zu Ende ausfüllen, unterschreiben und abschicken – und schon beginnt die Maschinerie zu laufen.

Es stellen sich Fragen

Ist es nicht nur eine kleine Firma von geschäftsbewussten FDP-Politikern, die das Internet nach Beleidigungen durchsucht?

Ist auch die deutsche Polizei damit beschäftigt, die Millionen täglichen Äußerungen der Bürger daraufhin zu durchsuchen, ob jemand etwas Verbotenes sagte?

Vor allem aber: Wer hat das alles angeordnet? Es »riecht« mir alles sehr nach Faeser und Haldenwang.

Prinzipiell ist »nur« die Bundespolizei, nicht aber die Landespolizei der berüchtigten Bundesinnenministerin unterstellt. Die Landespolizei ist »nur« dem Landesinnenministerium unterstellt – so weit die föderalistische Theorie.

Das Bundesinnenministerium kann »koordinierend« eingreifen. Über das Bundeskriminalamt kann man eine bundesweite Zusammenarbeit der Polizei »anregen«. Und tatsächlich berichten Politiker von länderübergreifenden Anfragen.

Wie so oft in politischen Schwellenländern wissen wir aktuell nicht, wer dafür sorgte, dass Politikern vorgeschlagen wird, gegen wen sie Strafantrag stellen können.

Was ist das?!

Ja, wir haben nicht einmal einen Namen für das, was da passiert.

Wenn ein Bürger seine Mitbürger bei den Behörden verpfeift und wir ihm keine edle Absicht zugestehen, dann sortieren wir das unter »Denunziation« ein.

Wie nennen wir es aber, wenn die Polizei den einfachen Bürger bei Politikern verpfeift, damit diese Strafantrag stellen, woraufhin die Polizei – nach Abnicken von Staatsanwalt und Richter – zur demütigenden Straf-Hausdurchsuchung anrollen kann?

Was die deutsche Polizei zu treiben scheint, das ist nicht »Denunziation«.

Wenn es sich tatsächlich so verhält, wie es heute aussieht, ist es noch weit schlimmer.

Weiterschreiben, Wegner!

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