22.09.2024

Wir deindustrialisieren ein reiches Land

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten
Wirtschaftsprof sagt, Deutschland solle energieintensive Industrien ziehen lassen. Braucht Deutschland eh nicht, Deutschland macht »Innovation«! – Es ist ein Wahnsinn: Arbeitslosigkeit, Armut, sozialer Zerfall … alles Teil eines »notwendigen Prozesses«.

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Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sieht die Abwanderung energieintensiver Industrien aus Deutschland als Teil eines »notwendigen Prozesses«, so hat er aktuell zu Protokoll gegeben (n-tv.de, 21.9.2024).

Unternehmen, die viel Energie verbrauchen, sollten dort produzieren, wo es günstiger ist. Deutschland könne sich stattdessen auf Innovationen und seine Kernkompetenzen konzentrieren: Import von Vorprodukten, Export von Endprodukten. Dies sei, so Fratzscher, langfristig gut für die Wettbewerbsfähigkeit.

Doch Gewerkschaften und Industrievertreter, wie etwa Yasmin Fahimi vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), warnen vor den dramatischen Folgen für Arbeitnehmer, wenn Industriezweige wie die Stahl- oder Chemiebranche abwandern. Die Energiekosten treiben diese Industrien bereits in die Knie, und ohne politische Unterstützung droht Deindustrialisierung im großen Stil.

Deindustrialisierung bedeutet, dass der industrielle Sektor eines Landes schrumpft, oft verbunden mit Arbeitsplatzverlusten, wirtschaftlichem Niedergang und sozialem Zerfall.

Ungewollter Abstieg

Ein prominentes Beispiel ist die Stadt Detroit in den USA. Einst war »Detroit« ein Synonym für das Zentrum der globalen Automobilindustrie. Der Name der Moskauer Gebäudegruppe »Kreml« steht für die russische Regierung. Mit »Vatikan« meint man die römische Kurie. Mit »Brüssel« die Korruption Europas und mit »Berlin« den moralischen Niedergang der Deutschen. (Diese sprachliche Funktion heißt übrigens »Metonymie«, siehe Wikipedia.)

Ähnlich stand »Detroit« mal für wirtschaftlichen Erfolg und die besten – oder zumindest interessantesten – Autos der Welt. Und dann stand »Detroit« für Deindustrialisierung … und die zuverlässig absehbaren Folgen wie Armut und soziale Verwerfungen.

Deutschland macht sich also auf, »Detroit« zu werden und sich zu deindustrialisieren. Der erste Unterschied zwischen Detroit und Deutschland ist aber, dass es bei Detroit wesentliche externe und globale Faktoren waren, die den industriellen und sozialen Abstieg anschoben. Globalisierung macht hochwertige Produktion im Ausland billiger. Automatisierung senkte den Bedarf an Arbeitskräften. Einige Fehlentwicklungen waren zwar tatsächlich hausgemacht – etwa das Festhalten an großen Limousinen, als der Markt kleinere, effizientere Modelle verlangte –, doch insgesamt wollte Detroit nicht absteigen.

Abstiegschancen nutzen!

In Deutschland ist das anders. Soweit man die Handlungen und die Motivationen einer vom Volk abgeschotteten »Elite« sinnvoll als Handlungen und Motivationen des gesamten Landes deuten kann, will und wählt Deutschland die Deindustrialisierung.

Welt- und menschenfremde Politiker wie Robert Habeck und Professoren ähnlich wie dieser Marcel Fratzscher reden die Deindustrialisierung schön.

»Hey, wir bauen ein reiches Land um«, alberte Habeck mal im gewohnten Kindergebrabbel der Grünen, und: »Wer macht mit?« (in Bild am Sonntag, via @argonerd, 14.9.2024).

Nun, dieser kindische Umbau schreitet voran, fast täglich lesen wir von ökonomischen Indikatoren, die bezüglich Deutschland einbrechen (etwa welt.de, 17.9.2024).

Leute wie Habeck und Fratzscher kaspern im Elfenbeinturm herum, fern der Realität, und schmunzeln bloß, wenn die Industrie wegzieht. Ihre Einkünfte sind ja sicher. Das Problem ist, dass Industrialisierung und Deindustrialisierung beide nach dem Prinzip von Matthäus 25:29 funktionieren: »Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.«

Erst mal egal

Ein Staat mit einer florierenden Industrie kann sich auch gute Schulen, attraktive (und sichere) Schwimmbäder, verlässliche Polizei, dazu Konzerte, Theater, Museen und natürlich Parks leisten. Deindustrialisierung bedeutet immer und zwangsläufig auch den Verlust an Lebensqualität.

Den Grünen als Partei der Wohlhabenden, SUV-Fahrer und Vielflieger (plus einiger Bekiffter in Berlin) ist es erst mal egal, ob die Deindustrialisierung die Ärmsten der Gesellschaft trifft. Im Zweifelsfall sind das Nichtwähler. Oder sogar AfD-Wähler und Abweichler… und damit für Grüne eigentlich kaum noch vollwertige Menschen, eher, ich zitiere: »Ratten«.

Es wird auch Gewinner der Deindustrialisierung Deutschlands geben: ausländische Investoren und Spekulanten, die Deutschland billig aufkaufen können. (Und wenn es aufgekauft ist, wenn Deutschland sich überhaupt nicht mehr selbst gehört, werden die neuen Besitzer plötzlich den gesunden Menschenverstand entdecken und Deutschland re-industrialisieren, wetten?)

Grüne statt Bomben

Natürlich haben Leute wie Habeck und Fratzscher das »große Ganze« im Blick. Die Frage ist aber, welche Rolle Deutschland und die Deutschen bei deren »großem Ganzen« spielen.

Die letzte große Deindustrialisierung Deutschlands wurde durch die Bomben der Alliierten vollzogen. Grüne Politik ist ein Äquivalent zum großangelegten Bombardement. Allerdings ohne absehbaren Marshallplan danach.

Abwanderung der Industrie? Kein Problem, das stärkt unsere Innovationskraft! Wie einer, dem das Bein weggeschossen wird, auf »innovative« Weise zu humpeln lernt, so wird Deutschland »innovativ« lernen, ohne Industrie zu leben. Es ist so absurd, so zynisch und unfair! Wenn in Deutschland der letzte Stahlarbeiter das Werkstor schließt, können wir alle jubeln, weil wir endlich im »notwendigen Prozess« angekommen sind.

Düstere Prophezeiungen

Das aber ist die neue Bibel der Deutschen, Buch Habeck, Kapitel 6, Vers 66: »Und siehe, Deutschland war stark unter den Völkern, denn es verkaufte Wein in alle Lande. Da sprachen die Grünen: Lasset die Weinberge verdorren, denn wir wollen Wasser sparen. Die Bauern taten also, und große Armut breitete sich aus.«

Ach, die düsteren Prophezeiungen der Bibel wurden doch auch geschrieben, um das Prophezeite zu verhindern. (Manchmal haben die Propheten wider Erwarten sogar Erfolg mit ihren Mahnungen. Doch sie haben dessen Ausbleiben bisweilen derart tief verinnerlicht, dass sie vom eigenen Erfolg dann tatsächlich irritiert sind, siehe Jona 4 oder auch meinen Essay »Jona und der Weltkrieg« vom 4.10.2023.)

Noch ist nicht alles verloren, auch wenn die Regierung und politiknahe Professoren ihr Schlimmstes geben, auf dass Deutschland im großen Spiel verliert. Noch spielt Deutschland ja recht weit oben mit in der Rangliste der Exportländer. Spätestens aber, wenn Deutschland statt Produkten gleich seine Industrie ins Ausland exportiert, werden wir dem Eisberg nicht mehr ausweichen können, so mächtig dieser Dampfer auch einst war.

Eine Chance (anderswo)

Einer der Faktoren, die Detroits Niedergang besiegelten, war der Wegzug der produktiven und wirtschaftlich stärkeren Bewohner. Wer eine Chance anderswo sah, zog weg.

In diesem Kontext kann Detroit auch Erfolge vorweisen, die auch die Diversity-Initiativen etwa von BlackRock freuen werden – wenn man nur andere, »moderne« Maßstäbe ansetzt: Laut der Volkszählung von 2020 leben in Detroit stolze 77.7 Prozent Schwarze und nur 10.7 Prozent Weiße (data.indystar.gov). Wenn die Grünen das hören, werden sie die Deindustrialisierung Deutschlands noch schneller betreiben. Ja, ich fürchte fast, die haben es schon gehört.

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