Dushan-Wegner

08.07.2022

Geld in Goldtapeten

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Foto von Jurica Koletić
Boris Johnson tritt zurück. Im deutschen Staatsfunk lief das als Top-Nachricht. Es hat aber für uns und unser Leben null Auswirkungen, ist also unwichtig. Andere Entwicklungen und Ereignisse dagegen …
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Alexander Boris de Pfeffel Johnson ist den meisten von uns als »Boris Johnson« bekannt. Und als Premierminister von Großbritannien. Und, ganz aktuell: Als »Demnächst-Ex-Minister«.

Herr Johnson tritt zurück, so habe ich gehört. Boris Johnson hat den Vorsitz der konservativen Tory-Partei niedergelegt, er bleibt jedoch erstmal im Amt. So verkündet es etwa der deutsche Staatsfunk in seinen sogenannten »Nachrichten« am 7. Juli 2022, prominent an erster Stelle (tagesschau.de, 7.7.2022).

Da gab es wohl ein paar Skandale rund um den Wuschelkopf Boris. Da war etwa sein »Partygate«. Johnson machte Party, während die Briten im Lockdown darbten (bbc.com, 19.5.2022).

Oder: Gattin Carrie ließ deren Residenz mit goldenen Tapeten (fast 1000 Euro pro Rolle) und manch anderen Kleinodien verschönern. Alles genau so, wie man es erwarten würde von einer selbsterklärten – kein Scherz – »Klima-Aktivistin«.

Es war zeitweise offenbar nicht ganz klar, wo das Geld für die Tapeten, Aufpolsterungen, Antiquitäten et cetera, herkommen würde (inews.co.uk, 28.4.2022). Spätestens aber, als die Tapeten von den Wänden rollten, und der britische Steuerzahler das fixen sollte, waren Presse und Kollegen not amused (metro.co.uk, 19.5.2021).

Schweigt diskret

Großbritannien ist nicht Deutschland. In Deutschland jubelt die Presse eher, wenn Politiker mit Staatshilfe im Luxus schwelgen – oder sie schweigt diskret, um nicht aus dem Kreis der Eingeweihten verstoßen zu werden.

Ein aktueller Skandal um die Nebenjobs seines Parteikollegen Owen Paterson aber war dann wohl ein Skandal zu viel. Anfang Juli 2022 trat knapp ein Drittel des erweiterten Regierungsapparats aus Protest zurück, darunter einige Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete (siehe engl. Wikipedia).

Boris Johnson kündigte also seinen Rückzug an. Aber noch bleibt er im Amt. Warum eigentlich? Bis ein Nachfolger bestimmt ist, sagt er, so sei es Tradition. Vielleicht ist es aber auch Hochzeitslaune.

Laut theguardian.com, 7.7.2022 hat Johnson die Feierlichkeiten zur Hochzeit mit seiner Gattin Carrie – die mit den goldenen Tapeten – für eben diesen Juli geplant (ja, sie sind schon verheiratet, jetzt holen sie aber die Party nach). Die Einladungen sind bereits versandt. Man lädt nach »Chequers« ein, zum Landsitz des Premierministers (siehe Wikipedia). Des Premierministers wohlgemerkt, nicht Johnsons.

Der Landsitz Chequers steht Johnson nur so lange zur Verfügung, wie er Premierminister ist, wenn ich das richtig verstehe. Neue Einladungen für eine andere Lokalität zu drucken, das wäre bestimmt arg teuer – die Johnsons haben ja ihr Geld in Goldtapeten investiert, oder so – also muss er noch etwas im Amt bleiben. Die britische Opposition aber will über einen Misstrauensantrag abstimmen lassen, wenn er nicht sofort als Premierminister zurücktritt (bbc.com, 7.7.2022).

In Wochenfrist

Wahrscheinlich würden sich auch viele Deutsche wieder Politiker wünschen, die zurücktreten. Und andere Politiker, die sie zum Rücktritt bewegen. Doch Rücktritte erfolgen nach Verstößen gegen gesellschaftliche Werte – und dafür braucht es eben diese Werte.

Der einzig echte Grund, warum Johnson überhaupt zurücktreten muss, ist vermutlich, dass Großbritannien nicht mehr in der EU ist. Wäre Johnson ein Politiker in Deutschland, könnte er ja vor seinen Skandalen nach Brüssel fliehen. So viele Skandale wie Johnson angehäuft hat, würde er wahrscheinlich in Wochenfrist zur neuen EU-Chefin erklärt.

Und doch, warum erzähle ich das alles? Ich berichte davon, weil es unterhaltsam ist. Boris Johnson mimt auf recht charismatisch Weise den »Mann von Straße«. Tatsächlich besuchte er das elitäre Eton College und studierte dann antike Literatur und Philosophie in Oxford, samt Mitgliedschaften in wichtigen elitären Clubs. Johnson ist viel zu unterhaltsam, um wirklich ganz aus der Politik zu verschwinden.

Sein Erdbeereis

Ich hoffe, ich habe Sie etwas unterhalten, mit dem Bericht aus Großbritannien.

Es ist ja eine Nachricht, die tatsächlich so wichtig sein soll, dass der deutsche Staatsfunk an erster Stelle davon berichtete – obwohl eigentlich gar nicht viel passierte und Johnson weiter im Amt ist.

Wissen Sie aber, was nicht berichtet wurde, vom selben Tag? Nicht im Staatsfunk, nicht in den großen Schlagzeilen.

Ich verrate es Ihnen: Der Benzinpreis weltweit befindet sich auf einem gefährlichen Hoch, und das belastet die westliche Wirtschaft massiv, doch was tun die USA? Die Biden-Regierung bedient sich an den Not-Energie-Vorräten der USA und verkaufte laut aktuellen, eher leisen Meldungen schon im April fast eine Million Barrel Öl an die in chinesischem Besitz befindliche Firma Unipec, auch als »Sinopec« bekannt (reuters.com, 6.7.2022; energy.gov, 21.4.2022).

Warum tut sie es? Wir wissen es nicht genau. Offiziell heißt es, man würde damit amerikanische Verbraucher schützen. Aha. (Wir wissen auch nicht, warum die US-Behörden und die Mainstream-Presse zum Thema »Hunter Biden und sein Laptop« so still sind. Oder welche Verbindung der lupenreine Hunter Biden via BHR Partner, siehe Wikipedia, zum Öl-Deal haben könnte.)

Biden schadet aktiv den USA, ähnlich wie Merkel aktiv Deutschland geschadet hat (siehe auch foxbusiness.com, 7.7.2022). Auf Fox News ruft Tucker Carlson deshalb zum Amtsenthebungsverfahren gegen Biden auf (foxnews.com, 7.7.2022).

Aber auch seine beste Erklärung für Bidens Tun scheint zu sein, dass die Regierung tatsächlich dem Wahn erlegen sein könnte, die USA im Hauruck-Verfahren von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen.

Sprich: So wie man meint, Jungen würden zu Mädchen, indem sie behaupten, das wäre halt so, so glauben diese Leute auch, man könnte von Öl unabhängig werden, indem man das Öl einfach weggibt.

Biden und Co. für irrsinnig zu halten, ist tatsächlich noch die freundliche Deutung. Eine weniger freundliche Deutung wäre, dass es mit den Geschäften der Biden-Bande mit China zu tun hat. (Und dass sogar die washingtonpost.com, 30.3.2022 über diese Geschäfte berichtet, deutet an, dass inzwischen sogar deren Besitzer Jeff Bezos davon irritiert sein könnte.)

Biden selbst schiebt alles Schlechte, das unter seiner Präsidentschaft passiert, auf Putin. Die steigenden Benzinpreise? Putins Schuld!

Putin marschierte in der Ukraine ein, deshalb stieg der Benzinpreis schon Wochen vorher. Inflation? Auch Putin. (siehe etwa ABCNews 22.6.2022, via YouTube). – Wahrscheinlich wird er Putin die Schuld dran geben, wenn ihm sein Erdbeereis runterfällt.

All das werden Sie aber so bald nicht in den Abendnachrichten des deutschen Propagandastaates hören. Da werden Sie vom Nicht-Rücktritt des Boris Johnson erfahren – gleich als erste Meldung.

Deshalb erzählen sie

In den Nachrichten läuft das, wovon die Nachrichtenmacher wollen, dass du dich damit beschäftigst.

Ob Alexander Boris de Pfeffel Johnson nun bald ganz zurücktritt oder nicht – es hat so viel oder so wenig Einfluss auf dein und mein Leben wie das Leben der Royals oder irgendwelcher Filmstars in den USA. Du sollst dich damit beschäftigten, geistig ausgelastet sein, deshalb erzählen sie uns davon.

Dein Leben wird tatsächlich von anderen Entwicklungen tangiert als den neuesten Skandälchen in London. Etwa von der Quasi-Kolonialisierung des Planeten durch China – inklusive rätselhafter Verschiebungen fossiler Rohstoffe. USA und Deutschland drosseln sich selbst die Wirtschaft ab, faktisch zum Wohl Chinas. Das betrifft das Leben der realen Menschen schon jetzt weit mehr als Boris Johnsons goldene Tapeten.

Die Moral von der Geschicht’ ist denkbar schlicht: Die sagen, dass wichtig ist, wovon die aus eigenen Gründen wollen, dass es uns wichtig ist.

Was für uns aber wirklich wichtig ist, das werden wir auch weiter selbst ausgraben und täglich überprüfen müssen.

Weiterschreiben, Wegner!

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