Das Backblech mit den dutzend Erdbeerkuchen fällt dir auf den Boden und elf Gebäcke klatschen auf die Kacheln deiner Backstube – unrettbar. Ein Stück aber bleibt wie durch ein Wunder unversehrt. Weinst du über die elf verlorenen Erdbeerkuchen oder freust du dich an dem einen? (Kann beides gelingen? Kann man zugleich weinen über die elf und sich an dem einen freuen?)
Wenn der Elefant durch den Porzellanladen marschierte, dann weinen wir über die Tonne teurer Scherben – doch wird die eine überlebende Vase nicht umso wertvoller? Am Himmel sind dunkle Wolken aufgezogen, und es ist schon zu Mittag nachtdunkel geworden. Weit hinten, eine Handbreit überm Horizont aber, leuchtet tapfer ein kleiner Flecken des Himmels, eine Lücke in der schwarzgrauen Wolkenwand. Es ist die Hoffnung! – Zitterst du aus Angst vor dem Sturm oder hoffst du auf die Sonne, dass sie die helle Lücke weiter aufbrechen wird?
Kurzer Hinweis
Wenn zwei Menschen beide kaum noch die Hand vor ihren Augen sehen, ist es dann notwendig, dass einer den anderen antippt und ihn auf die dunklen Wolken am Himmel hinweist? Nein! Und doch tun wir es! Warum? Wir vergewissern uns, dass wir vom selben Zustand reden. Wir prüfen, ob wir dieselben Sorgen teilen.
Geteiltes Leid ist doppelte Hoffnung, gegen den Augenschein doch noch einen Ausweg zu finden.
In der Freude beklagen wir, dass die Freude enden könnte; in der Angst hoffen wir, dass sich ein Ausweg finden wird.
Man könnte an dieser Stelle von den 140 Straftaten berichten, welche in Schleswig-Holstein verheimlicht worden sein sollen (berichtet kn-online.de, 11.3.2019). Man könnte fragen, wieviele Millionen Euro an Beratungskosten die Bundeswehr für die »Idee« bezahlt hat, ab sofort den Zustand der wichtigsten Waffensysteme als »geheim« einzustufen (welt.de, 11.3.2019); will man ab sofort »heimlich gut« sein? Man könnte von der Diebin berichten, die den Staat bislang 100.000 Euro kostete (bild.de, 11.3.2019). Wie viele Klassenzimmer ließen sich mit moderner Computertechnik ausstatten allein von den Kosten für diese eine Toleranz-Empfängerin? Man könnte sich täglich neu über Deutschlands peinlichsten Minister aufregen, der aktuell von einer »Koexistenz« mit den Taliban redet (welt.de, 12.3.2019). Ich bin sicher, dass die Bundeswehr prima koexistieren wird mit den Taliban, jetzt wo USA weite Teile ihres Kontingents abziehen wird und man den Zustand deutscher Waffen geheimhält. Derweil will Bayern einige Lehrstühle der George-Soros-Universtität in Budapest finanzieren (welt.de, 12.3.2019), es weiß wohl nur der Himmel über dem von einer hohen, starken Mauer umzäumten Anwesen des Open-Borders-Freundes, warum Bayern das wirklich tun will. – Es sind dunkle Wolken der Elitenverwirrung, die sich über dem Westen zusammenziehen.
Man könnte über sich selbst erschrecken, wie normal Meldungen wie die folgende geworden sind:
Am Sonntagabend geraten zwei Männer aneinander. Plötzlich sticht ein 38-Jähriger auf sein 28-jähriges Opfer ein. Die Verletzungen enden tödlich. (welt.de, 11.3.2019)
Gewalt wird zum selbstverständlichen Teil europäischen Alltags – das Poppersche Toleranz-Paradoxon, für die Welt zum Anschauen.
Ich sage nicht, dass Europas Städte kippen könnten, aber erste somalische Familien in Nord-London schicken ihre Söhne heim nach Somalia, sagen sie, um sie in Sicherheit zu bringen vor der britischen Messergewalt (»knife crime epidemic«; sogar der eher linke, SJW-lastige Guardian berichtet darüber: guardian.com, 9.3.2019).
Weiß der Westen noch, was seine relevanten Strukturen sind?
Wirkenskraft und Samen
Eine der bekanntesten Passagen in Goethes Faust:
Dass ich erkenne, was die Welt
im Innersten zusammenhält.
(Goethe, Faust I)
Sicher kennen wir alle diese Formulierung, doch wüssten Sie aus dem Gedächtnis, wie es weitergeht?
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu nicht mehr in Worten kramen.
(Goethe, Faust I)
Was ist es, das uns zusammenhält? Was ist es, das den Westen zusammenhalten sollte?
Man kann viele Jahrzehnte lang im Elfenbeinturm darüber spekulieren, was Gut sei und was Böse. Man kann manches Jahrtausend lang versuchen, den Menschen zu diesem oder zu jenem Verhalten anzuleiten. Man wird dabei, wie Goethe es nennt, wenig mehr tun als in Worten zu kramen. Wenn man »alle Wirkenskraft und Samen« betrachtet, wenn man den Menschen anschaut, wie er wirklich ist, stellt man fest: Was die Welt im Innersten zusammenhält, ist die Sehnsucht des Menschen, die ihm relevanten Strukturen zu ordnen, zu stärken und zu verteidigen.
Vorher und Nachher
Wir kennen ja aus dem Internet manche unsinnige Jugendmode. Einige steigen aus fahrenden Autos aus, um zu einem Popsong zu tanzen (siehe »in my feelings challenge« auf YouTube). Andere fordern einander dazu heraus, Waschmittel-Kapseln zu essen (es heißt »tide pod challenge«). Diese Moden appellieren an die eigentlich sehr positive Eigenschaft junger Menschen, Herausforderungen anzunehmen, doch die Inhalte sind bestenfalls sinnlos, nicht selten aber schlicht gefährlich. – In den letzten Monaten ist allerdings ein neuer »Challenge« aufgekommen, der mir bestens gefällt, weil er das stärkt, was die Welt zusammenhält!
Jede Idee und jede Bewegung braucht heute einen Hashtag, also eine flexible Social-Media-Kategorie. Der Hashtag #trashtag steht für die »Challenge«, den Zivilisations-Müll an einem Ort aufzusammeln.
Der Hashtag geht auf Steven Reinhold zurück (tetongravity.com, 15.9.2015), einen Outdoor-Fan (wie nennt man jemanden, der seine Begeisterung fürs Wandern zum Beruf gemacht hat?), der via Social Media seine Follower aufforderte, Müll aus der Natur einzusammeln. Das in den Sozialen Medien motivierte, koordinierte und beworbene Aufräumen fand Nachahmer, so etwa das 85 Wochen lange Einsammeln von fünftausend Tonnen Müll in Mumbai mit 500 Freiwilligen, dessen Initiator Afroz Shah sogar von der UN dafür gewürdigt wurde (cnn.com, 22.5.2017).
Im März 2019 wurde das Aufräumen »viral«.
»I challenge you« schrieb Facebook-User Byron Román, »macht ein Foto von einem Gebiet, das Reinigung oder Pflege braucht, und dann nimm ein Foto auf, nachdem du etwas dafür getan hast« (facebook.com, 5.3.2019, inzwischen über 321.000 mal geteilt), dazu zeigte er sein eigenes Vorher-Nachher-Foto und postete, unter anderem, den #trashtag-Hashtag. – Es funktionierte.
In den Sozialen Medien posten verschiedene Initiativen die Vorher-Nachher-Fotos ihrer Müllsammel-Aktionen, ob vom Strand, aus dem Bayou, aus der Stadt oder aus dem Wald.
Dass Müll unhübsch ist, darin sind sich alle einig, auch die, die ihn verursachen. Doch, das Einsammeln ist hier weit mehr als das Lösen eines ästhetischen Problems! – TrashTag macht den Handelnden fühlbar bewusst: Was die Welt zusammenhält, sind Menschen, die Verantwortung für ihre relevanten Strukturen übernehmen.
Selbst jene berüchtigt dumpfen Jugendmagazine mit vielen Gender-Sternchen und wenigen Nebensätzen sind begeistert von der Aktion: »Endlich mal eine sinnvolle virale Challenge« (ze.tt, 11.3.2019). (Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Grüne Politiker drei Stücklein Müll aufsammeln – die ihnen womöglich ein Praktikant vorher hingelegt hat – und dann vierhundert Fotos von sich posten.)
Es macht mich glücklich, wenn Menschen entdecken, was sie glücklich macht! Als Leser kennen Sie mein Motto: »Ordne deine Kreise!«
Was kann eine direktere Anwendung des Mottos sein, als den Ort, an dem man ist, in Ordnung zu bringen?
Reden durch Handeln
Eine kluge Botschaft Europas nach Afrika wäre: »Übernehmt Verantwortung für euch selbst – wenn ihr es tut, lasst uns gutgelaunte Freunde sein, doch wenn ihr es nicht tut, dann lassen wir uns nicht mit herabreißen, sorry.«
Die weltweiten Teilnehmer am #TrashTag zeigen, wie Probleme wirklich zu lösen sind: Menschen übernehmen für ihre Stadt Verantwortung, für ihr Land, ja, für den Ort, an dem sie sind – und damit für sich selbst.
»Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst!«, so sagt eine vielzitierte Redensart. Das Aufräumen seiner eigenen Um-Welt ist ja nicht die einzige notwendige und mögliche Art, seine Kreise zu ordnen – und nicht immer schafft man es allein.
Meine Tochter hilft derzeit bei einem Projekt, das Kühe für arme Familien in Afrika kauft (plus Bildung und Farmer-Training). – Simple Frage: Womit ist Afrika besser geholfen? Wenn man wie jene merkwürdigen NGOs die Stärksten Afrikas motiviert, via Schlepper ins deutsche Sozialsystem zu migrieren, oder wenn man vor Ort zumindest versucht, via Bildung und Basisbedarf die Selbstverantwortung zu fördern?
Die Hoffnung – die Arbeit
Die Dummheit der Mächtigen bringt Gewalt über die Friedlichen. Die Wolken am Himmel sind dunkel.
Kafka beschreibt den Selbstmörder als einen Gefangenen, der im Gefängnishof den Galgen aufgerichtet werden sieht, irrtümlich meint, dieser sei für ihn, in der Nacht dann aus dem Gefängnis ausbricht und sich selbst aufhängt. – Ich will das Gegenteil dieses Gefangenen sein!
Ich sehe zarte Zeichen der Hoffnung, ich sehe Menschen, die ihre Kreise ordnen, und ich will davon ausgehen, dass Vernunft und kluges Gewissen doch noch gewinnen werden. Ich will einer sein, der in den dunklen Wolken ein kleines Stücklein Sonne durchbrechen sieht, und beschließt, darin einen Hoffnungsschimmer zu sehen.
Ich kämpfe gegen gutmenschliche Verblendung, doch will ich auch gegen Hoffnungslosigkeit stehen – wie angenehm die erstere und wie realistisch die letzte auch sein mögen.
»Ora et Labora« steht als eingerahmtes Bild auf meinem Schreibtisch, seit Jahren nun, und in diesem Geiste will ich es weiterhin halten: Ich hoffe, dass mehr Menschen ihre Kreise ordnen, ob sie eine Farm betreiben oder eine Werkstatt, ob sie Müll einsammeln oder trotz aller linken Wut auf die Durchsetzung des Rechtsstaates bestehen. Ich hoffe, dass Vernunft wieder die täglichen Empörungsrituale verdrängt. Ich hoffe, dass Recht, Demokratie und Ordnung wieder zur vollen Geltung kommen, wo heute vulgäre Gesinnung und wohlfeile Empörung einsickern. Ich hoffe, dass Deutschland wieder eine non-suizidale Regierung bekommt. – Was sonst sollen wir hoffen?
Und doch, bei all der Hoffnung: Ich will meinen kleinen Anteil beisteuern und der Hoffnung beim Wahrwerden nachhelfen.
Viele von uns tun schon jetzt ihren Teil dazu, damit es noch nicht ganz den Bach runtergeht. Nicht jeder, der statt »Zeichen zu setzen« wirklich Hand anlegt, seine Straße und seine Stadt verbessert, wird dafür von der UN ausgezeichnet. Gerade deshalb macht es mir Hoffnung, wenn das Übernehmen von Verantwortung für seine eigenen relevanten Strukturen auch in den sonst von Fake-Moral und Klick-Aktivismus getriebenen Sozialen Medien gewissen Anklang findet.
Das Denken verändert die Handlungen – und manchmal verändern die Handlungen das Denken!
Wenn der Elefant durch den Porzellanladen marschierte, dann ist die eine überlebende Vase das Wertvollste, was du hast.
Wenn das Backblech heruntergefallen ist, genieße den einen Erdbeerkuchen, der den Fall überlebte!
Wenn die Wolken kommen, spanne zur Vorsicht den Regenschirm auf – dann aber suche nach dem Fleckchen, wo die Sonne durchbrechen will!