08.01.2022

Impfung, Lüge und Reaktion

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Foto von Jahz Gonzalez
Uups, da wurde doch glatt mit falschen Zahlen die Corona-Panik angeheizt. Sowas aber auch. Wer der Politik einfach so glaubt, was sie sagt, der sollte dringend sein Denksystem überdenken.
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Ich verweigere mich der Unmittelbarkeit. Genauer: Ich will mich verweigern. Konkret: Ich arbeite an mir, weniger unmittelbar zu reagieren.

Ja, ich arbeite an mir, nicht unmittelbar zu reagieren. Es soll mir zur tiefer verankerten Gewohnheit werden, antrainierter Pre- und Meta-Reflex werden. Wenn mein Selbsttraining erfolgreich ist, wird allen meinen bewussten Handlungen und Gedanken, aber auch den unbewussten Handlungen und Gedanken, ja sogar meinen Gefühlen ein Moment der Entscheidung vorgelagert sein.

Etwas passiert, und ich fühle mich bewegt, darauf zu reagieren. Und doch verpflichtet mich ja (meist) nichts und niemand dazu, sofort und gedankenlos zu reagieren – und mir womöglich durch meine Sofort-Reaktion sogar aktiv selbst zu schaden!

Harmlos

Das, was passiert und mich zur Reaktion motivieren will, es kann relativ harmlos oder für mein eigenes Leben eher wenig relevant sein.

Etwa: Der Nachbar hat sich ein neues Tattoo stechen lassen. Ein britischer Royal hat eine Affäre. Jemand hat im Internet etwas Dummes gesagt.

Solche Ereignisse betreffen mich überwiegend nicht, und doch könnte ich mich bewegt fühlen, darauf zu reagieren. Ich kann und sollte daher trainieren, auf Kleinigkeiten nicht unmittelbar zu reagieren.

Nicht harmlos

Andere aktuelle Ereignisse betreffen mich durchaus, und da wäre eine deutliche Reaktion noch verständlicher.

Ein Kassierer gibt mir falsches Wechselgeld. Jemand rempelt mich an. Oder auch, im größeren Maßstab: Ein Politiker lügt und betrügt, und begründet mit seinen Lügen schwerwiegende politische Maßnahmen.

Solche Ereignisse betreffen mein Leben durchaus, und sie tun es in schwerwiegender Weise. Hier wäre eine Reaktion meinerseits durchaus gerechtfertigt.

Jedoch, auch folgenreiche Ereignisse – gerade die folgenreichen – machen es notwendig, kurz zu pausieren und nachzudenken, bevor man reagiert.

Wo wir aber gerade von folgenreichen Unwahrheiten machtfreudiger Politiker mit zweifelhaft demokratischem Grundgefühl philosophieren, wären wir natürlich bei den Nachrichten des Tages!

»Nur Impfen hilft.«

Im November 2021 ließ der aktuelle bayerische Möchtegern-Strauss unter anderem über seinen Twitter-Kanal erklären:

Leider nehmen die Corona-Infektionen gerade bei Ungeimpften dramatisch zu. Es gibt einen direkten Zusammenhang von niedrigen Impfquoten und hohen Infektionsraten. Lassen Sie sich daher bitte impfen. Nur Impfen hilft. (@Markus_Soeder, 18.11.2021)

Dazu wurde eine Grafik zur »7-Tage-Inzidenz« bei »geimpften und ungeimpften Personen in Bayern« präsentiert. Nach dieser Grafik gab es 110 geimpfte Infizierte – und 1.469 Ungeimpfte!

Es sind dramatische Zahlen, und ihre Bedeutung wäre noch dramatischer, wenn die Zahlen wahr wären.

Die dramatische Zahl der ungeimpften Infizierten ergab sich (siehe dazu welt.de, 3.12.2021(€); bild.de, 7.1.2022) wohl schlicht daraus, dass alle Infizierten mit »unklarem« Impfstatus den Ungeimpften zugeschlagen wurden.

Wie zu erwarten war, nahmen Freunde des totalen Gleichschritts die falschen Zahlen zum Anlass, mehr erzwungenen Gleichschritt zu fordern, etwa Hausarrest für alle (»Lockdown«) und totale Kontrolle von Kontakten (vergleiche etwa den bayerischen Grünen-Co-Chef; @ThomasSarnowski, 18.11.2021).

Man könnte solche Grünen zu verteidigen suchen, die hätten doch nicht gewusst, dass Söders Zahlen falsch waren. – Ich sehe das unbedingt so.

Das Weltbild von Linken ist auf Lügen gebaut, das wissen wir zwar, doch nicht jeder, der heute als Linker gilt, also sein Weltbild auf Lügen gebaut hat, hat sich und anderen die Lügen selbst erzählt.

Wollen wir aber wirklich die Linken damit verteidigen, dass es eben deren »Denk-Eigenheit« sei, alles für wahr zu halten, was ihnen Gehorsam und Ausgrenzung von Andersdenkenden erleichtert, und dass sie daher nicht haftbar gemacht werden können, nicht einmal moralisch, wenn sie allzu willig einer Unwahrheit glauben und daraus radikale, anti-freiheitliche Forderungen ableiten?

Ich will diese (nicht nur) rhetorische Frage gern beantworten: Das Nicht-Denken und Gern-Gehorchen ist gefährlich. Die wohl bekannteste moralische Regel ist die goldene, »was du nicht willst, dass man dir tu´, das füge keinem anderen zu«. Wenn wir die goldene Regel umkehren, dann ließe sich doch sagen: »Wenn er es laut seiner eigenen Regeln an dir tun darf, dann darfst du auch dasselbe an ihm tun«. – Kein Linker würde es einem Nicht-Linken verzeihen, öffentlich einen »nützlichen Fehler« zu begehen, also sollten die Denkenden und Gewissensgeplagten es auch nicht den Linken durchgehen lassen, ihre Meinungen und Forderungen mit »nützlichen Unwahrheiten« zu begründen.

Für andere Zwecke

Im Text »Darf man über Lügen reden« habe ich schon 2018 das Argument vorgebracht, wonach ein System, das regelmäßig zielgerichtete Unwahrheiten produziert, durchaus als »lügend« bezeichnet werden kann.

Wir haben es wohl, so scheint es heute, bei der Corona-Panik-Politik mindestens in Teilen mit einem »lügenden System« zu tun.

Bei »lügenden Redaktionen« passieren Fehler in politiknahen Redaktionen meist im Sinne der aktuellen Regierung und ihrer Absichten. Eine Politik wiederum, deren Fehler größtenteils in die Richtung eines Zieles passieren, ließe sich demnach analog eine »Lügenpolitik« nennen.

Es scheint eine bewährte Praxis auch des deutschen Politik-Propaganda-Komplexes zu sein: Man erzählt eine Unwahrheit, man begründet einschneidende Maßnahmen mit der Unwahrheit. Die Unwahrheit kommt heraus und wird kassiert – die Maßnahmen aber bleiben Realität.

Ach, wenn wir es »nur« mit Lügenpolitik zu tun hätten. Exakt wie jeder Nicht-Doofe es doch erwartete, hat die Polizei begonnen, Daten aus Corona-Apps für andere Zwecke zu nutzen (bild.de, 8.1.2022).

Besser werden

Früher, als ich viel dümmer und weit unbeherrschter war als heute – also vor etwa 30 Sekunden – hätte ich mich sofort ganz fürchterlich aufgeregt, falls herauskommen würde, dass die Regierenden uns anlügen, was auch dazu führt, dass sie das Zeug von ihren gern-spendenden Pharma-Freunden in unsere Blutbahn spritzen können. Überraschend wäre es nicht, aber ein Anlass zur Wut durchaus, und zwar zur unmittelbaren Wut.

Man beherrscht uns generell auch dadurch, dass man unsere Reaktionen vorhersagen kann. Ich will mich jedoch darin trainieren, nicht sofort zu reagieren.

Ich will wahrlich nicht »unbeherrschbar« sein (und auch nicht »unbeherrscht«, das ist wieder etwas anderes). Ich verweigere mich der Unmittelbarkeit. Ich will bedachter werden, will eine starke und zuverlässige Instanz zwischen die Ereignisse des Tages und meine Reaktion setzen, sei diese Reaktion meine Handlung, mein Gedanke, oder auch »nur« mein Gefühl.

Sicher, hätte ich im Leben bislang immer nur sofort reagiert, hätte ich es nicht bis hierhin geschafft. Doch dies sind Zeiten, in denen bisherige Eigenschaften womöglich nicht genug sind.

Was bis hierher gerade-gut-genug-war, das kann sehr bald weder gut noch genug sein. Ich will besser werden, denn wir müssen besser werden.

Was auch immer also meine Reaktion auf die Nachrichten des Tages ist, etwa auf die Berichte zu bayerischen Unwahrheiten, meine Reaktion soll sein, sehr genau zu erwägen, wie ich darauf reagiere (und auf alle kommenden Nachrichten).

Prüfe alles, glaube wenig, denke selbst – besonders, wenn du vorhast, auf die Ereignisse des Tages zu reagieren. Denke gut nach – und im Zweifel reagiere erstmal nicht.

Weiterschreiben, Dushan!

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