05.06.2023

Schlechte Laune kann eine gute Laune sein

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Wohin von hier aus?
Scholz gegen »schlechte Laune«. Was soll man DENN haben, politisch zumindest? Nur auf Drogen hat man immer »gute Laune«. Der kluge Mensch passt seine Laune der Realität an – und handelt dann so, dass er bald wieder gute Laune haben kann.
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Gestern schrieb ich von der Ratlosigkeit der übrigen Parteien über die steigenden Umfragewerte der AfD. Der deutsche Bundeskanzler Olaf »Erinnerungslücke« Scholz, dessen Rent-a-Sozi-Partei aktuell mit der AfD gleich liegt, beschimpft diese aktuell als »Schlechte-Laune-Partei«.

Ich bin dankbar dafür, dass Scholz es sagte, denn es zeigt die bösartige Perfidie im Denken dieser Leute – bitte lassen Sie mich erklären!

Es hat mit dem Denken zu tun.

Die Dimension der aktuellen Veränderungen um uns her ähnelt exponentiellen Funktionen (mindestens) darin, dass dem Menschen die Fähigkeit fehlt, sie intuitiv zu verstehen.

Der größte Unterschied zwischen denen da oben und uns hier unten besteht darin, dass die effizienter denken. (Verwechseln Sie bitte nicht die öffentlichen Leistungen einer Frau Baerbock, Frau Roth oder einer der übrigen grünen Damen mit der Effizienz deren Gesamtprojekts; dazu siehe auch den Essay vom 19.5.2023.)

Selbst wenn das Geld und die Macht derer da oben geerbt wurde, brauchte es ein besonderes Denken, um Macht und Vermögen anzuhäufen. Und es braucht ein bestimmtes Denken, um das Ererbte zu bewahren.

Selbsthilfebücher und selbsternannte Gurus verkaufen Erfolgsrezepte nach dem Motto »du musst nur an dich glauben« und »fake it till you make it«. Und sogar wenn man sich mit wirklich erfolgreichen Menschen direkt unterhält und sie nach ihrer persönlichen Philosophie fragt, könnten sie so etwas angeben (vielleicht auch, um den Fragenden loszuwerden).

Auch dank meiner Arbeit als Essayist spreche ich mit Menschen aus sehr unterschiedlichen sozialen Schichten – auch mit sehr erfolgreichen Zeitgenossen. Und im Gespräch mit tatsächlich erfolgreichen Zeitgenossen wird man feststellen, dass es nicht zwingend das übergroße Selbstbewusstsein ist, das ihnen gemeinsam ist.

Es ist auch nicht immer das Glück oder das Erbe – manche kommen aus ärmsten Verhältnissen oder durchlitten bittere Schicksalsschläge. Es ist nicht die Bildung – es gibt Selfmade-Milliardäre, die kaum lesen und schreiben können.

Nicht wenige Rockstars leiden an Lampenfieber. Anderen Künstlern muss man ihr Werk geradezu gegen ihren Willen veröffentlichen, weil ihr Perfektionismus sie davon abhält, es selbst zu tun (Franz Kafka, Kanye West).

Und doch existiert etwas, das die wirklichen Großen eint: die Gewohnheit, logische Schlüsse zu ziehen und Gedanken zu formulieren, die zu denken andere zu feige sind, sprich: zu emotional faul.

Der Grund, warum so viele erfolgreiche Finanzakteure geradezu böse wirken, ist, dass ihnen die Hemmungen fehlen, gewisse Dinge zu denken und auszuführen, die zwar logisch sind, aber uns »unmenschlich« erscheinen.

Ein prototypisches Zitat dieser Leute: »Ich bin grundsätzlich da, um Geld zu machen. Ich kann nicht und werde nicht auf die sozialen Kosten dessen schauen, was ich tue.« (Wir wissen, wer es sagte, doch es ist auf unzählige weitere Leute anwendbar.)

Ich sage wahrlich nicht, dass Sie oder ich wie diese Leute denken sollten, berechnend und zynisch – doch ich bin recht sicher, dass es tödlich enden kann, sich dessen nicht bewusst zu sein, wie diese Leute denken.

Und ich sage noch etwas nicht: dass all diese Leute per se unmenschlich denken und dann auch handeln. Das kann der Effekt eines größeren Konzepts sein, muss es aber nicht.

Ich sage: Diese Menschen fürchten sich nicht davor, die Konsequenzen von Ereignissen und Handlungen zu bedenken.

Die meisten von uns verspüren Hemmungen, bestimmte Dinge weiterzudenken. Wie ein Patient, der eine schlimme Diagnose nicht wahrhaben will, bis es zu spät ist, die Krankheit zu behandeln, so betrachten wir die Phänomene um uns her, und weil die Konsequenzen unangenehm sein könnten, leugnen wir sie.

Das eine Schaf, das die anderen Schafe auf dem Weg zur Schlachtbank vor ebendieser warnt, nennt der Schäfer womöglich ein »Schlechte-Laune-Schaf«. (Und das Schaf, das behauptet, der Hund und der Hirte würden zusammenarbeiten, gilt bekanntlich als »Verschwörungstheoretiker«.)

»Wir schaffen das«, erklärte Merkel. Scholz findet »schlechte Laune« doof. Zahle Steuern, toleriere, was dir angetan wird, und auf keinen Fall forsche nach, was gerade wirklich geschieht.

Die da oben bezahlen Expertenteams, nehmen an Übungen teil und entwerfen Szenarien, um explizit den »Worst Case«, also den »schlimmsten Fall« vorherzusagen – und dann für sich selbst einen Weg zu finden, auch und gerade am schlimmsten Fall zu profitieren.

Die Erfolgreichen und die Erfolglosen gleichen sich darin, dass sie sich eine angenehme Zukunft wünschen – doch die Denkmethode, mit der sie das Angenehme anstreben, ist maximal gegensätzlich.

Den Erfolglosen ist gemein, dass sie die angenehme Zukunft durch Ignorieren aller Probleme zu erreichen versuchen.

Die Erfolgreichen tendieren hingegen dazu, die realistischen Konsequenzen zu denken und sich nicht vor einem Gedanken zu fürchten, nur weil er »schlechte Laune« macht.

Ich wünsche jedem von uns gute Laune, aber eine begründete gute Laune, basierend auf Sicherheit und echter Hoffnung. Die aber kann notwendig machen, sich aus einer Phase der schlechten Laune herauszuarbeiten. Nicht indem wir die Realität leugnen, sondern indem wir die Realität verändern – zumindest für uns selbst und die Menschen, die uns am nächsten sind.

Wir müssen und wollen nicht zynisch und menschlich kalt werden wie die da oben. Doch wir täten gut daran, deren Worte zu ignorieren und stattdessen aus deren Handlungen zu lernen.

In diesem Sinne also: Mehr Mut zur schlechten Laune! Lieber schlechte Laune jetzt als Verzweiflung später.

Weiterschreiben, Dushan!

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