29.04.2021

Neue deutsche Stabilität

von Dushan Wegner, Lesezeit 9 Minuten
Junge Frau stirbt an Impfung. Das macht Angst. Wir möchten darüber reden. Der Staat bespitzelt jetzt aber Bürger, die allzu frech Zweifel hegen. Auch das macht Angst. Ist das die neue deutsche Stabilität? Ängste, die einander in Schach halten?
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Ich will heute von zwei Meldungen reden. In der ersten Meldung geht es um eine junge Frau, die nach der Covid-19-Impfung gestorben ist. In der zweiten Meldung geht es um den Verfassungsschutz.

Ich will gern zugeben, dass beide Meldungen mir etwas Angst bereiten. Ich will einen Weg suchen, nicht an der Angst zu erstarren, sondern die Angst zu überwinden und dann (fast) wie angstfrei zu handeln.

Und dann, zum Schluss dieses Essays, liebe Leser, können Sie beurteilen, ob und wie gut es mir gelungen ist, doch zumindest einen oder zwei Schritte in eine gute Richtung zu gehen. Wären selbst kleine und wenige Schritte nicht besser, als wie erstarrt zu verharren – oder gar die Augen zu verschließen?

»Keine große Erfahrung«

Die erste Meldung: Eine 32-Jährige stirbt nach der AstraZeneca-Impfung – und es scheint, dass sie nicht nur nach, sondern auch an der Impfung starb. – welt.de, 28.4.2021 titelt: »Gehirnblutung – Laut Rechtsmedizinern hing Tod von junger Frau mit AstraZeneca-Impfung zusammen«.

Am 9. März 2021 wollte ihre Mutter sie besuchen (so westfalen-blatt.de, 29.04.2021). Die Mutter fand ihre Tochter leblos auf dem Boden ihres Badezimmers liegen. Die Ärzte stellten als Todesursache eine Hirnblutung fest.

Wer ihren Namen in einer Internet-Suchmaschine eingibt, der erfährt, dass die 32-jährige Psychotherapeutin eine Sportlerin und ambitionierte Radfahrerin war, dass ihr Vater selbst Sport-Trainer ist. Wir finden eine Traueranzeige. Wir erfahren, dass es wohl eine Urnenbeisetzung im engsten Kreis gab.

Es wird seine Gründe haben, warum die Mutter gefürchtet haben soll, dass interessierte Kreise den Tod ihrer Tochter vertuschen würden, und dass sie also den Tod ihrer Tochter publik machen wollte.

Warum ließ sich die 32-Jährige impfen? Es sei »ein gewisser Druck der Kollegen« da gewesen, doch man hat wohl auch »darüber nachgedacht, dass es keine große Erfahrung mit dem Impfstoff gebe«, so erfahren wir (westfalen-blatt.de, 29.04.2021 (€)).

Einen anderen Impfstoff

Wir fühlen uns der Familie verbunden, deren Tochter das Richtige tun wollte. – Machte sie einen Fehler? Worin genau bestand denn ihr Fehler, wenn es überhaupt ein Fehler war? Bestand der Fehler darin, dem sozialen Druck nachzugeben und »denen da oben« zu vertrauen?

In Dänemark wurde die Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff inzwischen komplett eingestellt (bbc.com, 11.4.2021). Bürger fürchten, dass das Risiko, an der AstraZeneca-Impfung zu sterben, größer ist als das Risiko, an Covid-19 zu sterben.

In Bayern wurde der AstraZeneca-Impfstoff für alle Altersgruppen freigegeben (aerztezeitung.de, 22.4.2021). Zuvor sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder über AstraZeneca: »Wer sich traut, soll auch die Möglichkeit haben« (so titelt rnd.de, 30.3.2021). Söder hat sich inzwischen impfen lassen, und zwar mit einem anderen Impfstoff, nämlich dem von Biontech (so br.de, 28.4.2021).

Von dunklen Mächten

Mitte April hielt man in Berlin einen etwas gruseligen, optisch und stilistisch an ein okkultes Geheimbundtreffen erinnernden Propaganda-Gottesdienst für »die Pandemie-Toten« (rbb24.de, 18.4.2021). Politiker saßen herum und machten düstere Mienen. Kerzen wurden umhergetragen. Wo »Gott« in diesem »Gottesdienst« gewesen sein soll, weiß ich nicht. Es wirkte auf manchen vielmehr, als wollten sich die Regierenden von dunklen Mächten die Beihilfe für noch dunklere Taten holen.

Wird es einen Gottesdienst für die Impf-Opfer geben? Falls es »hochkocht«, könnte man irgend etwas veranstalten. Ein Jahr nach der Tat besuchte Merkel ja auch den Breitscheidplatz und begutachtete grinsend die Bratwürste.

Die Impfopfer, die fürs Leben traumatisierten Kinder, der psychologische und der wirtschaftliche Preis in der Gesellschaft – es sind Kollateralschäden merkelscher Macht – und mancher könnte verführt sein, sich laut darüber zu beschweren.

»Delegitimierung des Staates«

Wenn Sie sich aber tatsächlich motiviert fühlen sollten, die Regierung für ihr Tun und Nicht-Tun zu kritisieren, könnten Sie es sich zweimal überlegen wollen.

Die zweite Meldung: Der Bundesverfassungsschutz unter CDU-Mann Haldenwang »beobachtet« jetzt die als »Querdenker« bekannten Kritiker der Merkel-Politik: »Dazu gehört das Speichern von persönlichen Daten, die Anwerbung von V-Leuten und in begründeten Fällen auch Kommunikationsüberwachung.« (tagesschau.de, 28.4.2021)

Um die geheimdienstliche Überwachung der Regierungs-Gegner zu begründen, hat man eigens einen neuen »Phänomenbereich« eingerichtet.

Ich zitiere wörtlich den deutschen Staatsfunk:

Nach Einschätzung der Verfassungsschützer passen die als extremistisch eingeschätzten Teile der Bewegung in keine der bisherigen Schubladen: Deshalb wurde ein neuer Phänomenbereich mit der Bezeichnung „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ geschaffen. (tagesschau.de, 28.4.2021)

Denkbar simple Frage: Wäre es ein Erkennungszeichen von Demokratien oder eher eines von Diktaturen, von Rechtsstaaten oder eher eines von Bananenrepubliken, wenn der Geheimdienst erst den missliebigen Regierungskritiker ausmacht, und sich dann irgendwelche denkbar dünnen Begründungen überlegt, warum man ihn ausforschen muss?

Kann nicht jede Kritik an der Regierung als eine »Delegitimierung des Staates« gedeutet werden, wenn man nur will?

Wenn man es nicht geradezu mutwillig ignorierte, ahnte man es doch schon länger. Bereits 2016 wurde aus der CDU heraus gegen Bürger agitiert, die eine »destabilisierende falsche Meinung« an den Tag legen (ich habe es dokumentiert: Essay vom 19.12.2016). Alles kehrt wieder, und sei es als Farce der Farce, als kleine Teile der sich wiederholenden Geschichte. Im Essay vom 23.7.2018, »Das Konservative und seine Lücken«, erwähnte ich den §106 Staatsfeindliche Hetze der DDR. Ist »Delegitimierung des Staates« wirklich nur ein zufälliger Wiederklang?

»Man kann in Deutschland eigentlich alles sagen«, so warnte die für ihre »Haltung« sehr beliebte und, ähnlich wie ein Herr Relotius, mit Journalismuspreisen behangene Staatsfunkerin Dunja Hayali im Januar 2021 im ZDF Morgenmagazin, »man muss dann halt manchmal mit Konsequenzen rechnen.«

Du kannst sagen was du willst, doch wenn die Mächtigen deine Meinung als »Delegitimierung des Staates« deuten – und welche Kritik ließe sich nicht derart deuten, wenn man nur merkeltreu genug ist? – dann wird dich der Geheimdienst eben etwas näher beobachten.

Wenn Sie jetzt dieser Tage mit einem Kritiker der Corona-Maßnahmen reden, dann kann es sein, dass Sie es in Wahrheit mit einem V-Mann zu tun haben, also einem Menschen, der »gedreht« wurde, dem Impftote und Schäden an der Wirtschaft oder an den Seelen der Kinder womöglich eher sekundär wichtig sind.

Ist die »Legitimierung« des demokratischen Staates – interessant, dass hier Staat und Merkel-Regierung praktisch gleichgesetzt werden – nicht das ordentliche Gewähltsein. Wer ist es denn, der den Staat »delegitimiert«? Mir ist kein Fall bekannt, dass Querdenker eine Wahl für »unverzeihlich« erklärten und rückgängig machen ließen. Wenn »Delegitimierung des Staates« tatsächlich eine reale Sache und dazu ein Verbrechen ist, müsste Merkel nicht längst in Handschellen abgeführt werden?

»In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht«, so sagte Tucholsky, und der Verfassungsschutz scheint zu ergänzen: »… und weil er gefährlicher ist, müssen wir ihn ganz genau beobachten!« 

Es wird wohl um etwas anderes gehen, denn das, worum es angeblich gehen soll, ergibt schlicht keinen Sinn.

Wenn Sie heute etwas Kritisches schreiben, auch und gerade im privaten Chat, dann sollte Ihnen bewusst sein, dass es geprüft werden kann, ob es sich nicht als »Delegitimierung des Staates« deuten ließe, und dann gilt, was Frau Hayali raunte, dann müssen Sie eben »manchmal mit Konsequenzen rechnen«.

Die Szene der Regierungskritiker wird nicht nur mit geheimdienstlichen Mitteln ausgehorcht, es wird auch Misstrauen und Angst gesät.

Eine Regierung, die kein moralisches Fundament mehr hat, muss mit Angst und Verunsicherung regieren.

»Oder wenn ich die Klappe halte«

Natürlich hängen diese beiden Meldungen zusammen. Zuerst hängen sie inhaltlich zusammen: Es geht in beiden Fällen um Corona-Panik, um Corona-Maßnahmen – und um unser täglich wachsendes Misstrauen gegenüber der Regierung, ihren Maßnahmen und Empfehlungen.

Es geht um Angst. Wir haben Angst vor den Folgen von Impfungen. Manche haben Angst vor Masken. Wessen Einkommen nicht aus Steuern oder Propaganda-Zwangsgebühr finanziert wird, könnte Angst um seine Existenz bekommen. Auch deshalb ist die Beobachtung von Regierungskritikern durch die Geheimdienste so perfide: Wenn ich weiß, dass die Kritik an der Regierung meine soziale Existenz und damit meine wirtschaftliche in Gefahr bringen kann, dann halte ich lieber die Klappe. Man könnte fast meinen, dass das der eigentliche Grund ist – welche »Erkenntnis« soll denn die einschüchternde »Beobachtung« einer Gruppe bringen, deren Merkmal es ist, all ihre Meinungsbildung öffentlich stattfinden zu lassen? Sind es vielleicht ähnliche »Erkenntnisse« wie jene, die man sich erhofft, wenn man missliebige Richter oder unangenehm kritische Blogger frühmorgens durchsucht? (Siehe dazu auch den Essay vom 28.4.2021.)

Es geht um Angst. Viele Bürger fürchten die Maßnahmen der Regierung inzwischen weit mehr als das Virus selbst. Mit Horrormeldungen aus Indien wird die abflauende Angst am Kochen gehalten (Beispiel: tagesschau.de, 28.4.2021) – dabei kann es schonmal passieren, dass Opfer einer Chemie-Katastrophe als Covid-19 »verkauft« werden (opindia.com, 27.4.2021). Weit weniger Meldungen hört man aus Texas oder Florida, wo sich da Leben wieder »normalisiert«.

Es geht um Angst, mit welcher die Regierung ihr Handeln rechtfertigt. Es geht um die Angst der Bürger davor, an den Maßnahmen der Regierung zu sterben. Und wie hält die Regierung dagegen? Mit Angst. – Mehr Angst als vor dem Virus und/oder der Impfung wird der Bürger bald davor haben, die Regierung zu kritisieren. Das ist die neue deutsche Stabilität: Ängste, die einander in Schach halten.

Der Bürger denkt in Risiken und Wahrscheinlichkeiten. Ist das Risiko höher, am Virus zu sterben oder an der Impfung? Ist der Nutzen größer, wenn ich die Regierung kritisiere (was habe ich denn davon?), oder wenn ich die Klappe halte?

Verstehen und Handeln

Alles menschliche Grübeln sollte doch stets in mindestens einem von zwei Zielen münden, und wenn die Weisheit es gut mit uns meint, dann in beiden Zielen zugleich und dies noch dazu auf verknüpfte Weise. Das erste dieser beiden Ziele ist aber Verständnis, und das zweite ist die Antwort auf die Frage: Was soll ich tun?

Manche Menschen fürchten sich vor beidem, vor dem Verstehen wie auch vor dem Handeln. Wir alle kennen sie, diese Nachbarn und Kollegen, deren Blick glasig wird und deren Tonfall aggressiv, wenn man ihnen gegenüber auch nur andeutet, dass es doch noch erlaubt sein müsse, sich selbst Gedanken zu machen. Diese Menschen fürchten das eigene Verständnis und die selbstbestimmte Handlung. Die Gerngehorsamen begrüßen es ja, wenn Abweichler von den Geheimdiensten eingeschüchtert werden. 

Ich verstehe jeden, der heute zögert, bevor er allzu laut gegen die Regierung protestiert. Die erste Verantwortung eines jeden sind die nächsten der eigenen relevanten Strukturen.

Jedoch, nicht öffentlich laut zu werden steht nicht im Widerspruch zu diesen ersten beiden Zielen, nämlich erstens sein Verständnis zu vertiefen, und dann zweitens aufgrund seiner eigenen Erkenntnis auch zu handeln – oder eben nicht zu handeln.

Wir wollen heute in Gedanken und im Herzen bei den Opfern der Corona-Panik sein. Wir bewundern den Mut derer, die es trotz Einschüchterung und Staatsfunk-Kampagnen wagen, der Regierung öffentlich zu widersprechen.

Ich will selbst verstehen, was passiert. Ich will verstehen, was ich weiß – und was ich nicht weiß! Und dann will ich handeln – oder eben nicht handeln.

Es gilt, gerade heute: Prüfe alle, glaube wenig, denke selbst — und dann handle, so klug und so mutig wie du kannst.

Verändere Dinge, ordne deine Angelegenheiten neu! Oder – und das erfordert gelegentlich noch weit mehr Mut – verändere deine Dinge und Angelegenheiten eben nicht, sondern belasse sie für den Moment exakt so, wie sie sind.

Ich danke Ihnen

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