29.01.2025

Zombies gegen Rechts

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Bild: »Grrrrmpfgegen Rrräächtsss«
Deutschland hat Angela Merkel nicht überwunden, im Gegenteil. Heute haben wir Tausende und Millionen kleiner Merkels, jede kalt und empathiefrei und verheerend – und stur von der eigenen Moral überzeugt.
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Wenn wir von Zombies hören, denken die meisten von uns an Halbtote in Filmen.

»Halbtot« bedeutet, dass bei diesen Zombies ganz offensichtlich der körperliche Aspekt des Totseins eingesetzt hat.

Das Fleisch der Zombies verrottet bereits und fällt ihnen – wie auch zumeist die Kleidung – vom Körper.

Hollywood-Zombies laufen mit nach vorn gestreckten Armen durch die Filmwelt und gieren häufig nach Gehirnen, die sie fressen wollen.

In manchen Filmen ist das Zombie-Sein ansteckend. Das heißt, wenn ein Zombie einen Menschen beißt oder anders infiziert, wird jener ebenfalls zum Zombie.

Oft hat die Infektion mit dem Zombiehaften eine Inkubationszeit. Während dieser ist der Infizierte zwar ansteckend, doch äußerlich nicht oder nur nach und nach als Zombie in spe erkennbar.

Die Idee des Zombies geht auf den haitianischen Voodoo-Glauben zurück. Dort meint man mit Zombie eine durch magische Rituale wiederbelebte Leiche. Der Zombie in unserem heutigen Film-Sinn aber beginnt mit dem Film »Night of the Living Dead« (1968) von George A. Romero.

Dein Innenleben liest dir vor

Durch die moderne Philosophie stapft der Zombie als Gedankenexperiment, mit welchem unsere Intuition zum Bewusstsein getestet wird.

Du und ich haben ein Innenleben. Falls du dir diesen Text innerlich selbst vorlesen solltest, dass du dir dieser inneren Stimme spätestens jetzt bewusst wirst, dass du weißt (wieder: spätestens nun, da ich es erwähne), wie sich der Stuhl unter deinem Hintern anfühlt, all das findet in deinem Bewusstsein statt.

Ein philosophischer Zombie aber ist eine ausgedachte Figur, die in allen Eigenschaften menschenartig ist, die genauso redet und handelt wie ein Mensch und sich doch in einem Punkt unterscheidet: Der philosophische Zombie hat kein Bewusstsein, kein seelisches Innenleben.

Philosophen argumentieren unter anderem: Weil wir über den philosophischen Zombie sinnvoll reden können, wird deutlich, dass Bewusstsein nicht zwingend ein Teil des Körpers ist, dass es noch eine weitere Eigenschaft ist … und viel mehr weiß man dazu dann leider auch nicht.

Des Experiments Nützlichkeit

Zu den philosophischen Zombies ließe sich anmerken, dass Philosophen – darin Priestern, Kirchweibern und Linken ähnelnd – die Natur ihrer Begriffe samt derer Grenzen mit der Natur der Realität verwechseln. (Nur weil wir vom Bewusstsein als etwas Getrenntem reden können, bedeutet das nicht, dass es von uns trennbar ist. Butter etwa ist ja auch ein anderer Begriff als Milch, und doch braucht es die eine für die andere.)

Das Zombie-Gedankenexperiment der Philosophen ist auch für uns Normale nützlich. Philosophische Zombies erinnern uns zumindest daran, dass es keinesfalls selbstvertändlich ist, dass jeder unserer Menschen ein Innenleben hat, dass dem unseren weitgehend ähnelt.

Wir betrachten uns selbst, wir beobachten den Mitmenschen und gehen davon aus, dass das Handeln eines Menschen von seinem Innenleben beeinflusst ist – eine ebenso banale wie notwendige Prämisse.

Als weitere Betrachtung und Prämisse stellen wir die verschiedenartigen Handlungen der Menschen fest.

Aus diesen beiden Prämissen können wir einfach und direkt schlussfolgern, dass das Innenleben der Menschen in Inhalt und Struktur sehr unterschiedlich ist.

So logisch dieser Schluss auch sein mag, so schmerzhaft wird es, wenn wir kurz still werden und uns das Ausmaß seiner Bedeutung vergegenwärtigen.

Gründlich anders strukturiert

Ich wollte es wohl zu lange leugnen, wollte es nicht, wie man im Deutschen sagt, wahrhaben, doch inzwischen erschiene es mir als Lüge, diese Beobachtung zu verdrängen: Immer mehr Menschen in Deutschland verhalten sich gewissenlos und kalt, wie Zombies im Film. Folglich muss ich davon ausgehen, dass deren Innenleben gründlich anders strukturiert ist als das meine.

Ich erinnere mich, als ich mich noch fragte, wie ein Mensch so kalt, zynisch und mörderisch und zugleich zutiefst von der eigenen Moralität überzeugt sein konnte wie Angela Merkel.

Heute sehe ich Tausende, wenn nicht Millionen kleiner Angela Merkels; jede von der eigenen moralischen Rechtfertigung überzeugt, jede kalt und böse.

Ich erwähnte jüngst die »Omas gegen Rechts«. So kaltherzig und empathiefrei wie diese ideologisierten Damen daherkommen, erscheint es mir nur schwer vorstellbar, dass sie alle Enkel haben – oder auch nur Kinder, die noch mit ihnen reden. Selbst wenn sie biblisch Kinder und Enkel haben sollten, sind die »Omas gegen Rechts« emotional etwa so sehr »Oma«, wie Merkel »Mutti« ist.

Doch die »Omas gegen Rechts« sind nicht die einzigen Zombies und Merkels, die uns dieser Tage gruseln lassen.

Millionen kleiner Merkels

Die CDU mit Friedrich Merz etwa hätte die Möglichkeit, jederzeit das Sterben für die »Brandmauer« zu verhindern; eine Mehrheit im Bundestag hätten sie … mit der AfD.

Doch keine Zahl an Brandmauertoten kann in diesen Ideologie-Zombies ein handelndes Gewissen zum Leben erwecken. (Aktuell wird berichtet, dass schon vor zwei Tagen ein junger CDU-Politiker von einem aus Guinea stammenden Gedulteten getötet worden sein soll; siehe etwa welt.de, 28.1.2025. Die CDU verhält sich still; menschlicher Anstand könnte das Narrativ stören, und es ist Wahlkampf.)

Als in Aschaffenburg ein 2-jähriges Kind und ein 41-jähriger Mann von einem ausreisepflichtigen Afghanen zu Tode gemessert wurden, marschierten Tausende deutsche Zombies auf – und zwar, weil sie mehr davon haben wollten, denn sie marschierten »gegen Rechts«, und »gegen Rechts« bedeutet »mehr davon, wie es jetzt ist«.

Wir beobachten es in ganz Deutschland: Menschen werden kalt und zynisch. Tausende und Millionen kleiner Merkels auf den Straßen und bisweilen im Bekanntenkreis, jede kalt und egoistisch und doch von ihrer eigenen Moral überzeugt.

Ich aber fühle mich, wenn ich das logisch zu erschließende Innenleben dieser Gestalten bedenke, einsam.

Neue Einsamkeit

Es ist normal, sich in diesen Tagen – und mit Tagen meinen wir: in diesen Jahren und Jahrzehnteneinsam zu fühlen.

Einsam, weil es sich bisweilen anfühlt, als ob ich allein unter Zombies wäre, allein unter Außerirdischen.

Allein, weil ich aus dem Handeln der Masse schließen muss, dass deren Innenleben sehr und grundsätzlich anders beschaffen ist als das meine.

Ein Unterschied

Jede der für Hollywood spezifischen Eigenschaften von Zombies dient dem Reiz des Films. Zombies sind etwa gruselig, und Grusel verkauft sich.

Weil Film-Zombies per Definition keine Seele haben, dienen sie dazu, als menschenartige Figuren ohne Gewissensbisse abgeschlachtet zu werden – es sind ja keine Menschen.

Da aber stimmt der Vergleich mit unseren kalten Mitmenschen nicht mehr, im Gegenteil: Diejenigen, die heute wie kalte Zombies und kleine Merkels durch die Welt wanken und grinsend Selfies schießen oder sich zynisch vor den Öfen von Auschwitz inszenieren, die sehe ich doch nicht als seelenlose Zombies an, sondern als erkaltete Menschen mit anderem Innenleben als ich.

Doch die machen kein Geheimnis daraus, dass sie mich kaum als Mensch betrachten, sondern eher als Ratte und Abschaum, ohne Recht auf Meinung und Fürsprecher.

Die moderne Idee des Zombies begann mit der Nacht der lebendigen Toten. Dies aber sind, so fühlt es sich an, die Jahre der an Seele und Gewissen toten Lebenden. Und wir müssen uns vor ihnen schützen, um nicht einfach nur tot zu enden.

Weiterschreiben, Wegner!

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