Dushan-Wegner

30.03.2023

Der größte Lump glaubt, keiner zu sein

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Nichts, wirklich nichts zu sehen!
Mit 3 Jahren schaut ein Kind in den Spiegel und erkennt sich selbst darin. Ein Denunziant aber erkennt sich nie. Die anderen Petzen in der Geschichte, die hatten alle »niedere« Motive – seine Motive aber sind total edel. Ach, ihr belügt euch doch selbst!
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Etwa ab einem Alter von drei Jahren, manche schon früher, verstehen Kinder, dass sie selbst der Mensch sind, den sie im Spiegel sehen. Manchen Erwachsenen aber kannst du den Spiegel so oft vorhalten – sie werden es nie begreifen.

Wer in Deutschland zur Schule ging und heute bereits erwachsen ist, der muss doch vom Konzept des »Denunzianten« gehört haben, oder nicht?

»Der größte Lump im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant«, so mahnte einst Hoffmann von Fallersleben. Der Denunziant selbst aber, der wird das ganz anders sehen.

Einfacher und motivierend

Seit einigen Jahren werden in Deutschland immer mehr »Meldestellen« eingerichtet, bei denen man Mitbürger einfacher verpfeifen kann, teils mit Steuergeld, teils von interessanten Vereinen.

Eine Suche nach Meldestelle gegen Hetze bei Google ergibt aktuell über achtzehntausend Fundstellen, wobei die meisten davon wohl Verweise und Berichte zu den Online-Meldestellen sind – schlimm genug. Die meisten dieser Meldestellen aber gehen nicht über das Sammeln der Meldungen und das Einreichen einer traditionellen Anzeige hinaus. Manchmal werden diese vorsortiert. Man will es offenbar einfacher machen und so dazu motivieren, unerwünschte Meinungsäußerungen zu melden. Viel fängt viel.

Moralisch problematisch wird es aber, wenn Vereine selbst verbotene Meinungen anklagen. Insofern sie von Steuergeldern mitfinanziert werden, wirken sie wie »außerstaatliche Staatsanwälte« – und sie müssen nicht einmal versuchen, vollständig neutral zu wirken.

Sie ist wieder da

Wie ein Monster, das in unseren Abgründen auf seine Zeit wartete und nun an die Oberfläche drängt, bricht auch die Denunziation als »politisches Mittel« wieder in Deutschland an die Oberfläche – seit einigen Jahren schon.

2021 schrieb ich den Essay »Denunziation, die letzte Wahlkampfpatrone der Grünen«. Grüne wollten eine »Steuer-Stasi« (Zitat von BILD) einführen, so hieß es, die es den Bürgern einfacher machen soll, nachts spontan, etwa nach einem Bier zu viel, den Nachbarn zu verpfeifen – und wenn man es am nächsten Tag bereut, ist es zu spät, denn die Akte ist angelegt.

Ich schrieb öfter über die neue deutsche Lust an der Denunziation, etwa im Essay »Totalitarismus 3.0« (29.1.2020) oder im Kontext der Corona-Hysterien im Essay »Wenn es an der Tür klopft« (14.11.2020). Damals empfahlen die Journalisten, man solle seine Nachbarn bei der Polizei verpfeifen, wenn man vermutet, dass die sich nicht streng genug an die Corona-Schikane halten (vergleiche etwa stern.de, 1.11.2020).

Die deutsche Vorzeigedemokratin Nancy Faeser (zu dieser siehe aktuell auch den Essay »Der Schlag ins Gesicht«) hat sich letztes Jahr weitgehend bar jeder demokratischen Scham gezeigt, als sie öffentlich und wörtlich im Bundestag erklärte, dass (vorerst »nur«?) im Beamtenrecht die Beweislast umgekehrt werden sollte, wenn jemand einer verbotenen Meinung beschuldigt wurde (siehe Phoenix via YouTube ab ca. 53:34).

Im deutschen Propagandastaat sagen wir aber nicht »Denunziant«, wir sagen »Hinweisgeber«. Mit dem »Hinweisgeberschutzgesetz« (siehe Essay vom 29.12.2022) wurde dann ganz offiziell der Rahmen geschaffen, Deutschland zum »Denunziantenland« zu machen.

Ich bin so alt, ich erinnere mich an die Zeit, als »Petze« genannt zu werden etwas war, das man vermeiden wollte – heute nennen sich diese Leute tatsächlich explizit selbst »Verpetzer«. Oder sie verbringen ihre traurigen Abende damit, die sozialen Medien nach Meinungen zu durchforsten, die sie »melden« können.

Und immer mehr »Meldestellen« motivieren die Petzen, etwas zum Verpetzen zu finden.

Dann aber umsonst

In Deutschland müssen »unter anderem Restaurants, Cafés und Lebensmittelgeschäft« (via umweltbundesamt.de, 19.12.2022) seit dem 1. Januar 2023 auch Mehrweggeschirr anbieten, wenn Kunden dies verlangen. Und sie müssen explizit darauf hinweisen. Allerdings funktioniert es noch nicht immer.

faz.net, 29.3.2023 berichtet, dass Greenpeace eine »Meldestelle« eingerichtet hat, mit der Bürger die Unternehmer verpfeifen können. Den Unternehmen drohen Strafen bis zu 10.000 €.

Ähnlich wie bei Hinweisgeberschutzgesetzen ergeben sich hier Möglichkeiten, die von außen auch als »Erpressung« gedeutet werden könnten: »Du bietest kein Mehrweggeschirr an? Ich finde, dann sollte dieses Essen für mich umsonst sein. Und für meine Freunde auch. Weißt du, wie hart du bestraft wirst, wenn ich melde, dass du keine Teller für die Pommes anbietest?«

Frage der Zeit

Dass es bislang in der Praxis nicht noch schlimmer ist, liegt an einer Kombination von Faktoren.

Zum einen gibt es (hoffentlich?) noch genug Deutsche, die einfach zu anständig und vernünftig sind, oder die einfach nur leben wollen, und denen also gar nicht erst der Sinn nach Denunziation steht.

Zum anderen ist es vielen potenziellen Denunzianten noch gar nicht bewusst, wie einfach es inzwischen ist, einen Mitbürger mit Hilfe des Propagandastaates und seiner Behörden mindestens in Scherereien zu bringen und ihm Kosten zu verursachen – anonym aus dem digitalen Hinterhalt.

Doch so wie aus dem Ausland finanzierte Klimakleber recht offen einen wirtschaftlichen Krieg gegen Deutschland führen, so halte ich es für eine Frage der Zeit, bis ausländisches Geld über den Umweg dubioser Stiftungen in Deutschland zum Einsatz kommt, um Massen-Denunziation zu starten.

Aber warum?

Politiker tun, was sie tun, weil es ihre Macht mehrt oder sichert. Und wenn sie allzu oft Dinge aus einem anderen Grund tun, oder wenn sie darin irren, was ihnen Macht verschafft, dann werden sie durch jemanden ersetzt, dessen Fokus auf die Macht reiner und damit oft auch erfolgreicher ist.

Warum aber tun die Denunzianten das, was sie tun?

Was bewegt einen Menschen, nachts durchs Internet oder durch fremde Straßen zu streifen, um seine Mitbürger zu melden? Bald werden die ersten Denunzianten nicht nur eine, sondern mehrere Apps auf ihren Smartphones installiert haben, um so gerüstet durch die Stadt zu ziehen und Mitmenschen anonym mal bei dieser und mal bei jener Meldestelle zu verpfeifen.

Diese Leute selbst werden es mit »Ordnung« und »Kampf gegen Hass und Hetze« oder »Klimaschutz« begründen. Doch ist das allein plausibel?

Ich stelle die These in den Raum, dass die Motive der Denunzianten denen der Politiker ähneln, namentlich dem Streben nach Macht. Durchs Verpfeifen ihrer Mitmenschen erlangen sie in der Regel wohl keine tatsächliche Macht, doch sie wissen – oder hoffen –, dass ihre denunzierten Opfer relativ machtlos gegen die Staatsmaschinerie sein werden. Und das gibt den Denunzianten das Gefühl, selbst zum Zirkel der Mächtigen zu zählen – oder zumindest so nah am »Mächtigsein« zu sein, wie er jemals dahin gelangen wird.

Den Denunzianten von heute gelingt es, in der Schule zwar über die Rolle von Denunzianten in verschiedenen bösen Zeiten gelernt zu haben, und auch genau zu wissen, was das Wort »Denunziant« bedeutet, sich aber durch innere Verrenkungen davon zu überzeugen, dass es für sie nicht gilt.

Laut Duden ist »Denunzieren« das »Anzeigen aus niedrigen Beweggründen«, das weiß auch der Denunziant. Deshalb legt er sich eine Begründung parat, warum seine Anzeige von »höheren« Beweggründen getragen wird.

Ich gehe nicht davon aus, dass das Denunziantentum in Deutschland wieder aus der Mode kommt.

Für Politiker ist es kurzfristig nützlich, wenn Bürger in Angst vor einander leben. Bürger sagen ja bereits in Umfragen, dass sie mehrheitlich Angst haben, offen ihre Meinung zu sagen. Warum sollten etablierte Politiker daran etwas ändern wollen?!

Denunzianten denken und fühlen auf eigene Art und Weise. Von denen ist wenig Änderung zu erwarten. Ja, einige haben das »Melden« zu ihrer öffentlichen Identität erhoben. Die kämen da nicht ohne schwerste Sinnkrisen heraus.

Sogar richtig

»Der größte Lump im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant«, so wissen wir, doch wir wissen auch: Der größte Lump hat sich selbst davon überzeugt, keiner zu sein.

Liebe Leser, es wird nicht so bald besser werden. Die sind so, wie sie sind. Wir sind so, wie wir sind.

Die können nicht aus ihrer Haut.

Ich will ganz bestimmt nicht aus der meinen.

Es wird kaum etwas übrig bleiben, als Abstand zu diesen Leuten zu halten. Die Geschichte zeigt auch, dass Systeme, die auf Denunziantentum bauen, auch langfristig wenig stabil sind. Insofern sind die Denunzianten noch nicht mal das größte Problem am Denunziantentum.

Etwa ab einem Alter von drei Jahren erkennen Kinder sich selbst im Spiegel. Denunzianten erkennen sich nie, wie viel Geschichte man sie auch lehrt.

Doch haltet einem Denunzianten besser keinen gut polierten Handspiegel hin! Er wird euch denunzieren, und er wird sagen, dass das Gezeigte eine Beleidigung für jeden anständigen Menschen sei –  und damit läge er vermutlich sogar richtig.

Weiterschreiben, Wegner!

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