Dushan-Wegner

13.08.2021

»Noch einmal durchhalten…«

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Foto von Immo Wegmann
»Noch einmal durchhalten«, sagt die Regierung, nur noch »bis zum Frühjahr«. Ein dauernder Ausnahmezustand ist aber wenig demokratisch! Damit sollte sich das Verfassungsgericht beschäfti… Moment, haha, egal – vergesst es. Haltet brav durch!
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In der letzten Phase von Undemokraten und anderen Fragwürdigen finden wir regelmäßig Durchhalteparolen. Wer weiß, der weiß – und wer die Geschichte kennt, der weiß es besonders genau.

Der Immobilienprofi Spahn hat jetzt also erklärt, dass Deutschland in Sachen Coronapanik und Unfreiheit »noch einmal durchhalten« soll, und zwar »bis zum Frühjahr« (siehe etwa welt.de, 13.8.2021). (Interessant auch, dass er bereits zu wissen scheint, was eine Regierung nach September 2021 beschließen wird, also nach der geplanten Bundestagswahl. Nach der Wahl kann Merkel übrigens erstmal »richtig durchregieren«; so welt.de, 6.7.2021(€). Wird die Wahl überhaupt stattfinden oder »wegen Corona« abgesagt? Würde ein »unverzeihliches« Ergebnis wieder vom Kanzleramt aus »rückgängig« gemacht werden? Werden extra viele Briefwahlen stattfinden, was ja auch – siehe USA – gewissen Einfluss hat? Oder ist sowieso egal, völlig egal, wer in Berlin in welchem Sessel sitzt?)

Es ist die reale Bebilderung eines im Internet kursierenden Witzes: »Willkommen im dritten Jahr des 14-tägigen Corona-Ausnahmezustands.« – Es wird zum eigenen, viel zu realen Witz, wenn man einfach denselben Immobilienprofi aus dem Jahr 2020 zitiert: »Angesichts der Erfolge bei der Impfstoffentwicklung bin ich zuversichtlich, dass die Pandemie in einigen Monaten ihren Schrecken verliert. Aber bis dahin müssen wir durchhalten und aufeinander aufpassen.« (bundesgesundheitsministerium.de, 23.11.2020)

(Spahn vom Anfang 2020 zu zitieren, dass ist nicht mal mehr ein Witz, das ist schlicht Realsatire; siehe etwa meinen Essay vom 13.3.2020: »Was mir die größte Sorge macht, sind Verschwörungstheorien, die Unsicherheit verbreiten« … damals warnte die Regierung noch vor der »Ausgrenzung von Infizierten und Kontaktpersonen« – das war aber, bevor die Merkelbande begriff, dass und wie sich die Coronapanik als Grundlage zur Ermächtigung nutzen ließ.)

Das Gerede von einem gewiss-sehr-baldigen »neuen Normal« war ja vielen von Anfang an suspekt. Ich notierte es etwa im Mai 2020 (der Essay hieß »Ist Freiheit nicht auch die Freiheit der Corona-Maßnahmen-Skeptiker?«). Die Idee und Verhandlung des »neuen Normal« ist ja älter als die von der Merkelbande ausgeschlachteten Coronapanik. 2019 schrieb ich den Essay »Von ›Fresse polieren‹ bis Mord – Gewalt als ›neues Normal‹«. Unabhängig vom Ergebnis solcher Dispute wird man sich doch einigen können: Wenn fortwährend zur Frage steht, was normal ist, dann ist nichts normal. Wenn aber aus der Perspektive des Bürgers nichts normal ist, dann ist auch nichts vorhersagbar, damit ist dann alles unsicher – und der Bürger ist schwach.

»So ein dauernder Ausnahmezustand ist gefährlich für die Demokratie«, so möchte ein alter demokratischer Reflex in mir warnen. »Damit sollte sich mal das Verfassungsgericht beschäftigen«, so möchte ich ausrufen, und dann erinnere ich mich an jüngste Meldungen, wie etwa die Meldung vom GEZ-Skandalurteil, und ich winke wieder ab.

»Die vierte Welle kommt«, so unkt der Immobilienprofi laut welt.de, 13.8.2021, und er droht: »Jeder der nicht geimpft ist, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Monaten anstecken.« (Dazu, dass in einigen Länder mit besonders hoher Impfrate aktuell die Covid-Zahlen in die Höhe schnellen, während Dänemark etwa bereits die Maskenpflicht kippt, dazu sagt der Mann von der Partei mit den Maskengeschäftlemachern meines Wissens nichts; betreffs Israel etwa siehe wsj.com, 12.8.2021; zu Island siehe tatsächlich @Karl_Lauterbach, 9.8.2021, zu Dänemark siehe welt.de, 13.8.2021.)

Ich selbst halte Covid-19 weiterhin für eine reale Krankheit – ich habe aber erhebliche Zweifel, ob die mRNA-Injektion lang-, mittel- oder auch nur kurzfristig eine Lösung ist.

Als normale, »kleine« Bürger täten wir klug daran, es zu akzeptieren, dass das kommende Normal in mancher Hinsicht sehr anders als das frühere Normal ist. Wer das alte Normal verspricht und vielleicht sogar selbst an dessen Möglichkeit glaubt, der lügt sich selbst in die Tasche.

»Noch einmal durchhalten«, so sagt der Minister. Es ist ein schlechter Wahlkampfslogan –und es wäre ein sehr schlechtes Lebensmotto.

Diese Zeit ist eine Dazwischenzeit, eine Zeit zwischen dem bisherigen und dem kommenden Normal. »Durchhalten«, das ist mir zu nah an »Fresse halten«.

Es gibt kein Leben im Konjunktiv, das weiß ich, doch auch das ständige Durchhalten fühlt sich reichlich nicht-gelebt an. Ich will nicht durchhalten, will nicht aushalten, nicht ertragen, und gewiss nicht tolerieren.

Ich will leben, ich will jetzt leben – und soweit es an mir liegt, werde ich es auch tun.

Weiterschreiben, Wegner!

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