Dushan-Wegner

15.01.2018

Warum Linke derzeit Sand zwischen den Zähnen haben

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten,
Linke sind ganz empört, wenn sie selbst via #NetzDG wegzensiert werden. Sie dachten bislang, als »die Guten« könne ihr Hass per Definition kein #Hass sein. Verzeihen Sie, wenn ich über so viel #Doofheit lachen muss!
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»Große Schwestern sind die schlimmsten!« – Das in etwa muss sich mein kleiner Sohn gedacht haben, als er letztens beim Spielen am Strand eine Hand voll Sand nach seiner großen Schwester warf. Dieser Furor! Diese Wut! Diese Undurchdachtheit!

Es passierte, was passieren musste; das Leben ist eben doch ein Film. Der Herr Sohn hatte den Wind nicht berechnet und der allermeiste Sand, kaum dass er die kleine Hand verlassen hatte, drehte in der Luft um und flog dem Bösewicht selbst ins Gesicht.

Die große Schwester lachte. Leo aber spuckte Sand und schimpfte. So war das nicht gedacht gewesen! »Ungefähr!«, rief er (»ungefähr« ist seine zeitsparende Kombination aus »unfair« und »ungerecht«), »ungefähr, doof und gemein!«

Die Schwester aber lachte, tanzte und provozierte ihn: »Wirf doch nochmal! Wirf doch!« – Große Schwestern können schon ziemlich fies sein.

Böse Denken

Die Amadeu-Antonio-Stiftung (abgekürzt: AAS) warnte im Kontext der letzten Frankfurter Buchmesse vor der (wörtlich!) »Intellektualisierung der rechten Szene«.

Nun wissen wir, wes Geistes Kind die tolerante Frau Kahane und ihre Stiftung sind. Ihr erweiterter Begriff von »Rechts« scheint nicht nur tatsächlich jene zu erfassen, die sich sogar selbst »rechts« nennen (also den Begriff zurückerobern möchten etwa vom linken Dummsprech eines Heiko Maas), sondern wohl auch jene Leute, die Fragen stellen zur »Amadeu-Antonio-Bank« (aus einem Titel bei Achse des Guten über einem Text von Rechtsanwalt Ansgar Neuhof), zu den Geldströmen, zu Anlagen in Wertpapieren und – wohl extra unangenehm – wer es ist, dem man so viel Geld geliehen hat. Was die AAS mit »rechts« meint, scheint ja beinahe »jeder Gegner unseres Machtanspruchs und unseres Geschäftsgebarens« zu sein – ein Machtanspruch der sich moralisch auf praktisch nichts berufen kann und ganz bestimmt nicht auf demokratische Legitimation.

Dieser Tage nun bekommen wir einen Eindruck, was der Kahane-Verein und ihre geistigen Zuarbeiter in Kanzleramt und Ministerien mit »Intellektualisierung der Rechten« zu meinen scheinen: die Einsicht der Linken in die eigene, linke Dummheit.

Die »intellektuelle Linke« hat ein amüsant schmerzhaftes Plateau erreicht: Sie sind blöd, aber nicht blöd genug, ihre Blödheit nicht zu merken.

Sie sind immerhin teil-konsequent. Man verschließt sich dem Gespräch und steht dazu. Wer weiß, dass er keine Argumente hat, wer nichts als Diffamierung hat, der muss sich der öffentlichen Debatte verweigern.

In den letzten Jahren öffnet sich die Schere zwischen linker Weltwahrnehmung und der Realität immer weiter. Diese linke Wahrnehmung-Realität-Schere kann blutig enden, daran erinnern uns die realen Folgen importierter Gewalt.

So schrecklich jene Folgen sind und so unnötig sie eigentlich gewesen wären, es gibt auch Folgen linker Denkschwäche, die einen dann doch schmunzeln lassen – etwa die praktischen Folgen des NetzDG.

Mögt ihr Barbara?

Reden wir, als Beispiel, kurz über die Künstlerin »Barbara«. Es ist eine anonyme »Street-Art-Künstlerin«. Sie druckt gesellschaftskritische und politische Botschaften aus, oft »ironisch« gemeint, und klebt sie an Wände und auch mal über Plakate.

Sie kämpft gegen »Hass« klar, gegen »braune Vollpfosten« sowieso, gegen die AfD und auch gegen »Nazis«, und lässt dabei ein Stück weit offen, ob sie sich damit wirklich auf die 1945 aufgelöste NSDAP oder – was wahrscheinlicher ist – auf heutige Meinungsabweichler bezieht. Es sind unspektakuläre linke Trivialschablonen, und doch hat ihre Einheitsware gelegentlich durchaus Charme. Es ist Politkitsch, standardisiert wie ein Discounter-T-Shirt, aber mit »frechem« Aufnäher. Individuell ohne anzuecken.

Einiges ist ja ganz nett:

»Alle Menschen sind Ausländer. Wir kommen alle aus Ländern.
Barbara«

Durchaus charmant, finde ich.

Und nun, oh Schreck, mussten wir auf Twitter folgenden Tweet lesen.

Mögt Ihr „Barbara“? Die mit dem zivilgesellschaftlichen Engagement und den frechen Aufklebern, u.a. gegen Rechtspopulisten? Ratet, wer gesperrt wurde. In einer schönen, sauberen #NetzDG-Welt ist eben auch dafür kein Platz mehr.
(Dazu später mal deutlich mehr.)
@hwieduwilt, 14.1.2018

In diesen Tweet von FAZ-Schreiber Hendrik Wieduwilt haben sich (mindestens) zwei Fehler eingeschlichen.

  1. Es ist definitiv nicht »frech«, »gegen Rechtspopulisten« zu sein, im Gegenteil: wenig ist heute braver und angepasster. Da hat sich etwas Orwellscher Neusprech im klugen Kopf hinter der FAZ eingenistet. Mitläufertum heißt jetzt Zivilcourage, brav heißt jetzt frech – aber gut, verbuchen wir es als »déformation professionnelle«. (Oder meint Wieduwilt ausschließlich eine Frechheit des Stils?)
  2. Barbara wurde nicht »gesperrt«, sondern es wurden »nur« einige ihrer Facebook-Postings »entpostet«. (Im Thread korrigiert Wieduwilt das und arbeitet nebenbei heraus, wie auch ganze Account-Sperrungen eine Folge des NetzDG sein können.)

Was an Wieduwilts Tweet zweifellos richtig ist: Die Löschung von Meinung in Folge des unseligen »NetzDG« führt zu einer klinisch reinen Meinungswelt.

Linke, die den Kampf gegen einen unscharf definierten »Hass« unterstützten, die auch jene als »Nazis« und »braune Vollpfosten« mit-erfassten, die vor der Beliebigkeit des neuen Begriffes »Hass« warnten, die wundern sich nun ganz doll, dass – räusper – der Begriff »Hass« genauso unscharf ist, wie die »Bösen« es immer gesagt hatten. Nicht nur bei der Gewalt in den Straßen, auch bei der Kritik am populistischen »NoHateSpeech« lagen wohl »die Falschen« ganz und gar richtig.

Der Fehler

Die Linke wollte ihren Gegnern via NoHateSpeech und NetzDG den Sand ins Gesicht werfen.

Linke mahnten allen Ernstes, »Hass« würde sich bei Gelegenheit als Satire »tarnen«, davor dürfe man sich nicht täuschen lassen.

Jetzt ist das NetzDG da und Linke sind ganz empört, dass auch linke »Satire« gelöscht wird. Es sei doch kein Hass, wenn Linke ihren Hass etwa auf einen Teil der Bevölkerung richten, der in immer mehr Schulklassen in der Minderheit ist, der seit vielen Jahren schon rassistisch beschimpft und täglich bedroht wird. Linke sollten Menschen als »Abfall« bezeichnen dürfen, das müsse doch die Meinungsfreiheit hergeben.

Ich halte es mit der Meinung wie mit der Sexualität: Erwachsene sollten alles tun und lassen, sagen und nichtsagen dürfen, was sie wollen, wie sie wollen und mit wem sie wollen, solange alles freiwillig passiert. Was nicht heißt, dass ich persönlich alles davon toll finden muss. Freiheit bedeutet auch, bestimmte Dinge unappetitlich finden zu dürfen – und freiheitliches Denken beinhaltet, diese Dinge selbstverständlich dennoch nicht verbieten zu wollen.

Ich bin meinungslibertär – außerdem liebe ich meinen Sohn und wünsche ihm nur Gutes. Doch ich gestehe Ihnen, dass ich lachen musste, als dem kleinen Gangster der Sand in die Zähne wehte. Und ich sage ganz offen, dass ich lachen muss über vulgäre linke Mitläufer, die ihr Gepöbel gegen Abweichler und Oppositionelle plötzlich wegzensiert sehen. Sie träumten von der totalen Meinungshygiene, und sie bekommen sie auch, aber ganz anders, als sie es sich gedacht hatten. Köstlich! Empörung und moraltrunkener Aktivismus mögen den Sand werfen – der Verstand hätte aber besser vorab die Windrichtung und das Flugverhalten des Sandes geprüft.

Den Linken weht der Sand in die Zähne. Wenn man »the big picture« bedenkt, ist es erschreckend, zweifellos. Für den Moment aber gestatten Sie mir bitte, einfach darüber zu lachen. Es ist lustig, wenn der Grubengräber in seine eigene Grube fällt. Es ist lustig, wenn der Sand dem Sandwerfer zurück ins Gesicht weht.

Weiterschreiben, Wegner!

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