Dushan-Wegner

18.02.2021

Das, was schon immer (nicht) so war

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Foto von Jon Del Rivero
Eine Schwere legt sich übers Land. Sedimentiertes Sedativ, duldende Angststarre. Jedoch, es sei gesagt: Die Lähmung der Masse verpflichtet den Einzelnen keineswegs, es dieser gleichzutun!
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Einen Jugendlichen in Nord-Korea, Iran, China oder Somalia unterscheidet von einem Jugendlichen in Deutschland, dass jener sich wahrscheinlich an eine Zeit erinnern kann, als das Land noch einen anderen Staatschef hatte als den aktuellen.

Kim Jong-un herrscht seit 2011, Rohani und Xi Jinping (hier ein Foto von 1958) seit 2013, und Mohamed Abdullahi Mohamed wurde erst 2017 ins Amt gewählt.

In Deutschland würde man ja von derart »frischen« Herrschern träumen, so man noch des Träumens fähig ist. Die deutsche Machthaberin erlangte ihre Macht im selben Jahr wie etwa Mahmoud Abbas und einige Wochen vor Mohammed bin Rashid Al Maktoum. Es fühlt sich ewig an. (Eine Demokratie ohne strikte Begrenzung der Amtszeit wird zur Farce, wenn der »Gewählte« derartige Propaganda und Abhängigkeiten installieren kann, dass eine Abwahl praktisch ausgeschlossen ist.)

Ich habe gehört, mancher würde, wenn er über den Tisch gezogen wird, die entstehende Reibung als Nestwärme empfinden. Ähnlich ließe sich fragen: Wie sicher sind wir uns, dass das, was uns von der Propaganda als Stabilität verkauft wird, nicht in Wahrheit blanke Lähmung ist?

Im Essay vom 20.10.2020 warnte ich bezüglich der »Generation Corona«: Kindheit ist nicht aufschiebbar«. Im Essay vom 4.2.2021 fragte ich: »Was, wenn Menschen sich an die Unfreiheit gewöhnen? Werden Kinder, die heute aufwachsen, überhaupt wissen, was Freiheit ist?«

Ich sehe heute eine weitere Ebene; oder, präziser: eine weitere Schicht, die sich über uns zu legen droht, ein sedimentiertes Sedativ, eine Lähmung, die uns als Stabilität untergejubelt wird, die stillschweigende Grundprämisse, dass aus »es fühlt sich an, als wäre es schon immer so gewesen« automatisch »es kann nichts dagegen getan werden« folgt.

Die Amtszeit der deutschen Herrscherin ist von einer Handvoll großer Lügen geprägt. Dass man Grenzen nicht schließen kann (außer wenn man es kann). Dass es moralischer sei, gute Kraftwerke abzuschalten und sich in Abhängigkeit zu begeben. Dass »wir« es »schaffen«. Dass abweichende Meinung »Hass« und also keine Meinung sei – und so fort. Die größte aller Lügen aber, tagein tagaus von Politik und Propaganda verbreitet, dreist impliziert und zynisch eingetrichtert, ist jene von der »Alternativlosigkeit« – und zwar selbst jener Handlungen, die das Gegenteil der Handlungen vom Vortag darstellen!

Es gibt immer eine Alternative, es gibt immer eine andere Möglichkeit – und in diesen Tagen wäre sie sehr häufig weit klüger (weshalb andere, weniger propagandatriefende Staaten diese möglicherweise auch angehen).

»In dieser Welt, aber nicht von dieser Welt« (vergleiche etwa Johannes 17:16), so lautet ein wichtiger Leitsatz des Christentums (den Kirchenfunktionäre gern entdecken, wenn es um die Verantwortung für die Taten von Priestern geht, gar nicht jedoch, wenn Geld und politischer Einfluss auf dem Tisch liegt).

»In dieser Welt zu sein«, das bedeutet heute eben auch, Teil und Bürger eines Landes zu sein, über das sich seit über eineinhalb Jahrzehnten eine sämige Schwere legt, eine Duldungsstarre, wie einst die Asche über Pompeji, nur dass diese lähmende Schicht nie vulkanisch und heiß war.

»In dieser Welt, aber nicht von dieser Welt« zu sein, das bedeutet heute doch auch, für sich selbst nicht die allgemeine Lähmung hinzunehmen. Nicht von dieser Welt zu sein, das ist doch heute ein Auftrag, sich nicht mit dem ganz großen Abfinden abzufinden.

Vielleicht ist es tatsächlich diesen Zeiten geschuldet, oder vielleicht hätte ich es ohnehin getan, doch ich sehe mich heute täglich aufgerufen, darüber nachzudenken, welches Welt- und Lebenskonzept ich meinen Kindern mitgebe.

»The kids will be alright«, so sagte man im Amerikanischen, und es liegt darin eine Grundzuversicht in die Mechanismen westlicher Gesellschaft. Es gilt nicht mehr. Konzerne wie Facebook haben sich darauf spezialisiert, Kinder zur digitalen Abhängigkeit zu manipulieren. In gewissen Schulen versuchen Ideologen, Kinder auf »Linie« zu bringen. Vom Staatsfunk und seinen Vorfeldtruppen (etwa Propaganda-Aktionen wie »Wir sind mehr!«) wird Kindern eingetrichtert, dass jeder abweichende, eigenständige Gedanke schlimm böse sei. Die innere Freiheit (nicht nur) der Kinder ist bedroht wie schon lange nicht mehr.

Man hört dieser Tage immer wieder vom »Great Reset«, den die Mächtigen planen sollen. Angeblich haben sie sogar eine Anstecknadel, mit der sie etwa im Staatsfunk signalisieren, dass sie brav in Reih und Glied marschieren!

Ich schlage vor, dass wir als Einzelne prüfen, ob und wann es Zeit für den »Great Reset« ist.

Ich will, dass meine Kinder im Bewusstsein aufwachsen, dass sie eine Lähmung der Masse nicht zu ihrer eigenen machen müssen. 

Nach jenem bekannten Wordsworth-Satz – »the child is the father of the man« – lehre ich es natürlich auch mich selbst: Es mag sein, dass eine lähmende Müdigkeit sich über uns ausbreitet, doch ich muss sie mir nicht zu eigen machen!

Die Lähmung der Masse verpflichtet den Einzelnen keineswegs, selbst bewegungslos zu verharren.

Weiterschreiben, Wegner!

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