Dushan-Wegner

27.07.2018

Propaganda in deinem Wohnzimmer

von Dushan Wegner, Lesezeit 14 Minuten, Bild von Hal Gatewood
Der Tagesthemen-Kommentar von Georg Restle vereint fanatischen Aktivismus mit plumper Propaganda. Ich habe es transkribiert – und in seine Einzelteile zerpflückt. Es ist Agitation gegen eine demokratisch gewählte Partei, kurz vorm Aufruf zur Gewalt.
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Ein Mann sitzt im Schneidersitz auf einer Decke. Er weint, etwas theatralisch. Vor ihm steht ein halbhohes Glas mit Eis und einer goldbraunen Flüssigkeit? Whisky? Rum?

Neben dem Mann sitzt ein Hund (Name: Mari, Rasse: Shiba, besonderes Kennzeichen hier: ein Tuch zum Umhang gebunden wie ein Superheld).

Der Mann beugt sich vor und greift nach dem Glas. Eiswürfel klingen. Der Mann hat das Glas in die Hand genommen, doch der Hund hebt gleich die Pfote und drückt die Hand des Mannes samt Glas wieder nach unten, sanft, aber bestimmt, so dass der Trinker nicht zum Trinken kommt.

Die Szene, von der ich hier berichte, ist gespielt. Es ist ein kurzes Theaterstück, aufgeführt vom YouTube-Künstler inosemarine. Dieser Videokünstler ist bekannt dafür, dass sein Hund Mari en fiese möpp ist, wie man im Rheinland sagen würde. Mal verdirbt der Hund dem Herrchen das Kochen, mal stört er es bei der Denkarbeit. In diesem Fall, wo Mari sein Herrchen vom Trinken abhält, hat die Szene viele Menschen rund um den digitalen Globus berührt. Allein das Original-Video wurde bis heute fast 2 Millionen mal aufgerufen.

Ein GEZ-TV-Mitarbeiter

Eine andere Szene, doch vorab eine Frage: Wie redet man von Menschen, die Übles tun, wenn a) sie es wohl einberechnet haben, dass über sie geredet wird und sie sich in den Berichten über ihre Taten sonnen, und b) wenn sie die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben, und über sie zu berichten ihre spalterische Botschaft mit verbreitet, und ihnen damit hilft? – Ich weiß es nicht. Ich will versuchen, es so kühl zu beschreiben, wie man akute Propaganda eben beschreiben kann.

Es gibt einen GEZ-TV-Mitarbeiter, der heißt Georg Restle. Er mag die AfD nicht, wenn ich ihn richtig deute. Vielleicht hat er noch weitere Qualifikationen, doch braucht er die überhaupt? Wir finden in Restles Twitter-Stream Dutzende von Tweets, die sich fernab von journalistischer Distanz auf eine Weise, die an Manie erinnert, an der AfD abarbeiten (Links: Twitter-Suchfunktion, Auszug aus Suche archiviert).

Ich zitiere:

Liebe Freunde der AfD! Natürlich seid Ihr rechtsradikal.Was denn sonst?  […] Warum wehrt ihr euch eigentlich noch gegen das Etikett rechtsradikal? […]
@georgrestle, 28.4.2017*

Überhaupt scheint es Herrn Restle wichtig zu sein, die AfD im Stil bekannter Polit-PR-Techniken immer wieder mit dem Ausdruck »rechtsextrem« zusammenzubringen. Weitere Fundstellen: 4.7.2018 a*, 4.7.2018 b*, 11.6.2018*. Er verwendet mehrmals den Ausdruck »Holocaust-Verharmlosung« (z.B. 11.6.2018*, 4.7.2018*), wahrscheinlich weil das ähnlich wie die illegale Leugnung klingt. (Man könnte ihn fragen, ob er nicht dabei selbst den Holocaust für seinen politischen Kampf instrumentalisiert, doch ich habe Zweifel, dass die Debatte zielführend verlaufen würde – oder auch nur logisch.)

Überhaupt scheint Herr R. im Kampf gegen die AfD aus allen verbalen Rohren zu schießen, die dem neuen Rechtgläubigen zur Verfügung stehen, mit politischen Kampfbegriffen wie »völkischer Nationalismus« (4.7.2018*) oder selbst für GEZ-Aktivisten erstaunlich Offensichtlichem wie »Unterstes Niveau. Passt zur AfD« (27.6.2018*).

All diese politische Meinung wäre kein Problem, wenn der Herr und sein politischer Aktivismus nicht via Zwangsgebühren-TV daherkämen. Es ist okay, geradezu fanatisch gegen eine Partei zu agieren – außer man tut, als sei man Journalist, und irgendwelche armen Seelen könnten einem das auch noch glauben. Er tritt mindestens auf Twitter* mit offiziellem Logo, mit Berufsbezeichnung (Redaktionsleiter Monitor (ARD)) und der URL seines Arbeitgebers auf (monitor.de, resp. das 1-Logo und der Sendungsname). Das in der Twitter-Biographie nachgeschobene »Spricht für sich.« wirkt wie eine Schutzbehauptung, denn alles andere schreit geradezu, dass er die Autorität des regierungsnahen TVs in Anspruch nimmt.

Am 24.7.2018 durfte Herr R. in den Tagesthemen, also im TV in vielen Haushalten Deutschlands, den neuen Verfassungsschutzbericht kommentieren.

Ich habe mir für Sie die schmerzhafte Mühe gemacht, schon aus Dokumentationspflicht, das Gesagte zu transkribieren und werde die Teile des Kommentars einzeln kommentieren. (Quellenangabe für die folgenden Zitate, wenn nicht anders vermerkt: @tagesthemen, 24.7.2018 oder tagesschau.de, 24.7.2018)

Rechtsextremisten, Linksextremisten, Islamisten – Ja, der Verfassungsschutz listet die üblichen Verdächtigen auf. Jedes Jahr die gleiche Übung, und einige der Gruppierungen, von denen da heute die Rede war, sind tatsächlich eine Gefahr für diese Demokratie.

Restle hat 3 Gruppen benannt. Er könnte sich herausmogeln, dass er doch weitere Gruppen gemeint haben könnte (»von denen da heute die Rede war«), doch der Zuschauer hört eben nur diese drei. Wenn »einige« davon eine Gefahr für die Demokratie sind – welche sind es dann nicht? Wenn wir uns vor Augen führen, dass er via Tagesschau auch Redaktionskollege von Patrick »antifamäßig« Gensing ist, könnten wir eine recht stabile These entwickeln.

Und doch lag selten ein Verfassungsschutzbericht so sehr neben der Wirklichkeit wie dieser.

Hier wird ein rhetorischer Effekt eingesetzt, den wir tatsächlich aus der biblischen Bergpredigt kennen (»ich aber sage euch«), die (Pseudo-) Antithese. Es klingt zunächst, als würde der Bericht kritisiert, weil er falsch liegt, doch das passiert nicht. Ähnlich wie Jesus den Pharisäern vorwirft, zu lasch etwa bei den Ehegesetzen zu sein (die Pharisäer erlaubten die Scheidung, Jesus erlaubt sie nicht – man muss es nebenbei wiederholen: Jesus war nicht der Tralala-Onkel, als den ihn linke PolitikerInnen gern ausmachen). Also ja: Restle nutzt hier, wie Jesus, das rhetorische Stilmittel der scheinbaren Antithese, die sich mehr als Forderung von Verschärfung denn als Widerspruch herausstellt.

Wenn hier von Extremismus gesprochen wird, fehlt ein ganz entscheidender Teil, nämlich der Extremismus, der längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Extremismus in der Mitte der Gesellschaft klingt auf den ersten Blick wie ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. Das verleiht dem Kommentar gewisse Spannung, doch schnell kristallisiert sich heraus, was wohl gemeint ist.

Ein Extremismus, der mit Abgeordneten im Deutschen Bundestag sitzt und in zahlreichen Landtagen.

Kurze Frage: Wenn Sie einen durchschnittlich politisch Informierten fragen würden, wer in den letzten Monaten und Jahren neu »im Deutschen Bundestag« »und in zahlreichen Landtagen« »angekommen« ist, wer oder was würde genannt werden? – Selbstverständlich die AfD.

Später wird Herrn R. vorgeworfen, dass er tut, was er tut, und seine Verteidigung ist allein dies:

Interessant, dass sich so viele AfD-Anhänger von meinem Tagesthemen-Kommentar als Verfassungsfeinde angesprochen fühlen. Dabei habe ich die AfD mit keinem Wort erwähnt.
@georgrestle, 24.7.2018*

Entweder ist Herr Restle sehr dumm und unbedarft, oder er scheint davon auszugehen, dass seine Hörer allesamt dumm und unbedarft sind, oder er will seine politischen Feinde mit einer offensichtlich hanebüchenen Antwort beleidigen – oder noch etwas anderes, das mir gerade nicht einfällt.

Nein, dieser Kommentar ist in der Sache ein offener Angriff, vom GEZ-TV aus, auf die Anti-Merkel-Partei. Zurück zum Kommentar!

Ein Extremismus, der Grundwerte und Freiheiten des Grundgesetzes in Frage stellt, die Religionsfreiheit, die Meinungsfreiheit und den Grundsatz, dass niemand in diesem Land wegen seines Glaubens oder seiner Herkunft diskriminiert werden darf.

Diese Passage scheint auf die Islamkritik der AfD anzuspielen. Es ist eine beliebte Technik von demokratisch weniger enthusiastischen Aktivisten, Kritik an einer Ideologie mit Diskriminierung der Anhänger dieser Ideologie gleichzusetzen.

Ein Extremismus, der sich wie schleichendes Gift in vielen Köpfen und Herzen breitgemacht hat, ein Extremismus, der die Grenzen des Sagbaren verschoben hat, und ganz scheinheilig danach fragt, ob die Menschenwürde wirklich noch für alle gelten muss.

Ich habe es schon früher erwähnt (zum Beispiel im Text »Sittliche Reife« und »Haltung« sind eben auch Vokabeln der Gleichschaltung«), und man muss es leider öfter festhalten: Es ist schon auffallend, wie zuverlässig »die Guten« in Wahrheit dann doch wie die totalitären Bösen diverser Vergangenheiten klingen. Dass die Begriffsfamilie »Gift« (wie auch »Giftpilz« und »Brunnenvergifter«) eine unselige Geschichte hat, weiß inzwischen jeder, außer vielleicht Martin Schulz. Aber gut, »Gift« ist eine häufige Metapher (auch ich verwende sie manchmal), doch man sollte zumindest sehr vorsichtig sein im Gebrauch. Herr R. ist nicht vorsichtig.

Ja, muss sie, Artikel 1 Grundgesetz, fällt unter die Ewigkeitsgarantie. Wer diesen ehernen Grundsatz und andere Freiheiten in Frage stellt, stellt den Kern unserer Verfassung in Frage.

Hier kombiniert R. gleich zwei rhetorische Tricks.

  1. Für den unbedarften Hörer, der dem GEZ-TV auch nur ein Minimum an Grundvertrauen entgegen bringt, klingt diese Passage, als ob die AfD den Artikel 1 des Grundgesetzes abschaffen wollte. Dies scheint ein Strohmann-Argument zu sein: Man argumentiert gegen etwas, was nicht wirklich zur Debatte steht.
  2. »Ewigkeitsgarantie« ist ein juristischer Begriff. Es schwingt jedoch sehr viel Religiöses und Quasi-Heiliges mit, spätestens wenn R. vom »ehernen Grundsatz« spricht. AfD verstößt wohl gegen »Ewigkeit«, begeht also Blasphemie. Man muss kein aktiver Christ sein, man muss noch nicht einmal an Gott oder irgend etwas Überirdisches glauben, um es als ungehörig zu empfinden, gegen Ewigkeit und eherne Gesetze zu verstoßen.

Dieser rhetorische Strohmann wäre allein für sich schon grenzwertig, um es höflich auszudrücken, in dieser GEZ-Tirade dient dieser Angriff als Zwischenstufe und Gelenk zur nächsten Stufe des GEZ-Angriffs gegen die ungeliebte Opposition.

Gegen solche Verfassungsfeinde müssen [betont:] WIR uns verteidigen.

Politische Agitation – vor allem, wenn sie Demokratie in der Tendenz eher als eine Art von Zug betrachtet, auf den man aufspringt, bis man am Ziel ist – will den politischen Gegner außerhalb der Debatte stellen. In einer Demokratie diskutiert man, das diktatorische und totalitäre Denken kennt und will keine Debatte. In der Demokratie streitet man schon mal auch extra heftig und man kann sogar einander das Recht auf dieses oder jenes politische Amt absprechen, doch man bleibt im Gespräch, solange man Demokrat ist. Legendär ist etwa das Bier, dass Brandt und Barzel nach dem gescheiterten Misstrauensvotum 1972 miteinander tranken (siehe z.B. faz.net, 14,9,2013).

Wer den politischen Gegner »Verfassungsfeind« nennt, will demokratische Debatte unterbinden. Die Argumente von Verfassungsfeinden zählen nicht mehr. Ein Verfassungsfeind ist für den Demokraten eine Unperson, ein Ungläubiger, eine Persona-non-grata, mit der man nicht argumentiert, egal wie stichhaltig ihre Argumente sind. Wer leichtfertig mit dem Vorwurf des »Verfassungsfeindes« auf den politischen Gegner zeigt, könnte vergessen haben, dass beim Ausstrecken des Zeigefingers immer drei Finger zurück auf ihn selbst weisen.

Doch die Bazooka »Verfassungsfeind« ist selbst auch nur der Auftakt zur nächsten Eskalation – oder, je nach Interpretation, die nächste Wendung in der Spirale abwärts.

Es heißt in diesem GEZ-Kommentar, dass wir uns verteidigen sollen. Das »Wir« wird laut betont. Ähnlich wie die Demonstranten in Berlin »Ganz Berlin hasst die AfD« schrien, flankiert von Antifa und Journalisten, so versteht sich auch der Herr R. vom GEZ-TV hier als Sprecher des einen Wir, das sich gegen die AfD verteidigen muss. (Dass es eine uralte Proganda-Taktik ist, erst in Die und Wir aufzuteilen, und dann den Angriff auf Die als Verteidigung zu verkaufen, das ist nun wirklich allgemein bekannt – nun ja.)

Und nein, dafür braucht es keine neuen Polizeigesetze, keinen Überwachungsstaat, keine neuen Eingriffsbefugnisse in unsere Privatsphäre. Wer die Verfassung vor ihren NEUEN Feinden schützen will, braucht nicht mehr Staat, sondern mehr Gesellschaft.

Dies ist ein Seitenhieb auf das neue bayerische Polizeigesetz, das wohl anderen Bundesländern als Vorbild dienen wird (siehe z.B. zeit.de, 28.3.2018). Das Gesetz bringt mehr Überwachung mit sich, und es zu kritisieren ist zweifellos notwendig. An dieser Stelle ergibt die Kritik jedoch nur begrenzt inhaltlichen Sinn. Das Thema gibt dem Sprecher etwas Kritisches und etwas Relevanz, doch es ist nur ein Schlenker und eine Ablenkung. Gleich geht es weiter zum nächsten Angriff gegen die AfD.

Der Kommentar bereitet seinen Angriff auf den politischen Gegner vor. Das Wort »Verfassungsfeind« wird in »Verfassung« und »Feind« aufgetrennt – und die Gesellschaft als Gegenposition aufgestellt. Man fühlt sich hier erinnert an Karl Poppers »Offene Gesellschaft und ihre Feinde«. Die Worte »Gesellschaft« und »Feinde« gegeneinander zu stellen könnte als ein »dog whistle« gedeutet werden, dem Konstrukt nach also ähnlich wie wenn Antisemiten von den »Bankern von der Ostküste« reden: es ist wie ein Kopfnicken, ein Raunen – wer es verstehen soll, versteht es, und in dem Fall würde es etwas anderes bedeuten als der Wortsinn sagt.

Eine wachsame Zivilgesellschaft, die diese Gefahren sieht, und dagegen aufsteht.

Das Wort »Zivilgesellschaft« hat heute eine schillernde Mehrdeutigkeit. Es ist ein neu erfundenes Wort. Es deutet an, dass hier keine »Offiziellen« am Werk sind, sondern »ehrliche, normale Bürger«. Es riecht als Wort schon nach Lüge. Es klingt wie die dubiose Einleitung »jetzt aber ehrlich«. Alle Fälle, in denen mir dieses Kunstwort bislang begegnet ist, rochen nach außerdemokratischer Propaganda.

In der tatsächlichen Sprachpraxis lässt sich »Zivilgesellschaft« heute regelmäßig deuten als Code für NGOs, die teils mit Geld aus dem Ausland immer größeren Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben. Ich finde sie aus demokratischer Sicht fragwürdig. Sie tragen oft pseudoseriöse Namen, die »Institut«, »Gesellschaft« oder »Europa« enthalten können. (Anekdote: Ich wollte hier einen Phantasie-Namen mit diesen Komponenten ausdenken, als Beispiel, fand beim Googeln aber mehrere Institute, die tatsächlich allzu ähnlich klangen, also lasse ich es für jetzt sein.) Viele Zivilgesellschaft-Vereine stellen »Experten« kostenfrei für Sendungen und Medienbeiträge zur Verfügung. Und: Sie haben die immergleiche Botschaft: Weniger Grenzen! (dadurch: mehr Macht den Konzernen) – Mehr Migration! (dadurch: billigste Arbeitskräfte!) – Mut und Optimismus! (dadurch: einfachere Manipulation)

Wir leben in orwellschen Zeiten. Politische Worte bedeuten oft ihr Gegenteil, selbst die Worte, die gerade erst erfunden wurden. »Zivilgesellschaft« ist immer öfter Code für außerdemokratische »Aktivisten«. »Zivilgesellschaft« ist auch ein Wort für das neue »Astroturfing«, also Propaganda-Projekte, die sich als Graswurzelbewegung tarnen.

Das Nützliche am Begriff »Zivilgesellschaft« ist, dass er stets jene Schattenvereine und pro forma die Bürger selbst anspricht; wie gesagt, es ist schillernd. Ein Aufruf »an die Zivilgesellschaft« kann stets gedeutet werden als Aufruf an die NGOs, dafür zu sorgen, dass Bürger dieses oder jenes machen.

Ich wiederhole den letzten Satz und führe dann zwei Sätze weiter. Dann wird es interessant, denn es klingt nach »Mobilmachung« gegen die neuen Feinde. Beim Hören folgender Passage fühlte wohl nicht nur ich mich an dunkle Herrschaftsformen erinnert. Ich habe die »Reizworte« fett gesetzt:

Wer die Verfassung vor ihren NEUEN Feinden schützen will, braucht nicht mehr Staat, sondern mehr Gesellschaft. Eine wachsame Zivilgesellschaft, die diese Gefahren sieht, und dagegen aufsteht. – Jede und jeder an seinem und ihrem Ort. Ob in Schulen oder Universitäten, in Büros oder Betrieben.

Aber, vergleichen Sie selbst! Ich will Ihnen zwei Passagen vorlegen, aus jener »berühmten« Rede von Goebbels: »Wir nehmen keine Rücksicht auf Stand und Beruf! Arm und reich und hoch und niedrig müssen in gleicher Weise beansprucht werden. Jedermann wird in dieser ernstesten Phase unseres Schicksalskampfes zur Erfüllung seiner Pflicht der Nation gegenüber angehalten, wenn nötig, gezwungen werden.« Und: »Wir müssen nur die Entschlußkraft aufbringen, alles andere seinem Dienst unterzuordnen. Das ist das Gebot der Stunde. Und darum lautet die Parole: …«

An dieser Stellen kommen wir zurück zum Restle-Kommentar, welcher fortsetzt:

Alles was wir dazu brauchen ist Zivilcourage.

»Zivilcourage« ist einer jener im 1984-Stil umgedeuteten Neusprech-Begriffe. Eine bekannte Haltungsjournalistin wird immer wieder mit »Zivilcourage« in Verbindung gebracht, und doch weiß jeder, was wirklich gemeint ist. Im Stil von Orwells 1984 (»Krieg ist Frieden! Freiheit ist Sklaverei! Unwissenheit ist Stärke!«) wird »Zivilcourage« heute »von oben« gegenteilig, nämlich als blankes Mitläufertum umgedeutet. »Zivilcourage« bedeutet heute schlicht, im Geist »offizieller Meinung« gegen Abweichler und Andersdenkende zu kämpfen. Wenn die staatsnahen Medien und die Regierung dich dafür loben, was du tust, ist es möglicherweise vieles, aber nicht das, was »Zivilcourage« früher bedeutete. Es ist Agitation gegen den politischen Feind. Es ist Propaganda in deinem Wohnzimmer.

Ich kann mich erinnern, dass Antifa-Schläger, dunkel gekleidet im modischen Geschmack einer modernen SS, Andersdenkende bedrohten – und es am nächsten Tag als »Zivilcourage« kommentiert wurde. Es ist erschreckend, wie oft und wie offen im GEZ-TV viel zu dünn verhohlen gefordert wird, die Opposition (den Feind) anzugreifen – was auch immer das bedeutet. Wer unangenehme Fragen stellt, ist der »Feind« und jeder Angriff auf ihn ist eine »Verteidigung«.

Wollen diese GEZ-Leute einen Bürgerkrieg? Wollen sie ein zweites Weimar? Immerhin bewegt sich Deutschland schon auf eine Zersplitterung der Parteienlandschaft hin. Not good. Hat Herr R. kein Gewissen, oder weiß er schlicht nicht was er tut?

Das verzagte Schweigen gegen die Verfassungsfeinde in unserer Mitte muss ein Ende haben. Wir haben etwas zu verteidigen, fangen wir damit an.

Wow! Wenn Restle sagt, das »Schweigen gegen die Verfassungsfeinde« müsse »ein Ende haben«, dann klingt das gefährlich danach, dass die »Feinde«, also offensichtlich die Anhänger der AfD, »ein Ende haben« sollen. – Das Gesagte wäre selbst im Wortsinn schlicht falsch: Die Gesellschaft erscheint schon jetzt hyper-politisiert. Ich bekomme täglich Berichte von Menschen, die darüber verzweifeln, wie gleichgeschaltet und fanatisiert ihnen ihre »guten« und merkeltreuen Mitmenschen vorkommen. Es wird ganz bestimmt nicht »geschwiegen«. Noch ist Gewalt gegen Andersdenkende tatsächlich eine exklusive Domäne zugedröhnter Antifa-Schläger, doch ist es das, was ausgeweitet werden soll? Ist Herr R. erst dann zufrieden, wenn AfD-Anhänger sich nirgends mehr auf die Straße trauen? (Zu viele Linke würden hier laut »Ja!« rufen.) In Köln, Berlin und anderswo gibt es ja bereits einzelne Bestrebungen, AfD-Anhänger vom öffentlichen und wirtschaftlichen Leben auszuschließen.

Ich bin Demokrat, ich sehe in meinen Gegnern nicht Feinde. In der erwähnten Rede jenes Üblen heißt es: »Die Frage ist also nicht die, ob die Methoden, die wir anwenden, gut oder schlecht sind, sondern ob sie zum Erfolge führen.« – Ich sehe das sehr anders. AfD-Gegner nehmen in ihrer Verteidigung der Demokratie zu oft in Kauf, eben jene auf Jahrzehnte zu beschädigen. Die Verteidiger des Guten taumeln gefährlich oft gefährlich nah am Abgrund der Undemokratie. (Inwiefern eine Organisation wie das GEZ-TV überhaupt demokratiefähig ist, das ist eine andere Frage.) – Ich bin mir nicht sicher, ob es Deutschland ein weiteres Mal gelingen wird, eine Demokratie neu aufzubauen, wenn Gutmenschen, NGOs und GEZ mit dieser durch sind.

Halt die Hand unten

Der »Kommentar« des Herrn vom GEZ-TV ist nicht dumm. Mir fallen eine Reihe von Ausdrücken ein, aber »dumm« ist nicht darunter. »Demokratisch« und »von Skrupeln geplagt« auch nicht. Doch es geht nicht um jenen Herren. Solche hat es in allen  Deutschlanden immer gegeben, solche wird es immer geben.

Das Problem sind Menschen, die nicht merken, dass und wie sie manipuliert werden. Es geht mir an dieser Stelle nicht um die AfD. Die hat eigene Dunkelstellen, die es anderswo zu beleuchten gilt.

Es geht hier um die schreckliche Tatsache, dass das GEZ-TV offensichtliche Manipulation zu betreiben scheint. Ein gefährliches »Wir-gegen-die-Feinde«.

Ich fühle mich manchmal wie jener Hund in dem YouTube-Sketch. Mitbürger schalten abends den Fernseher ein und ich möchte ihnen die Hand wieder nach unten drücken und die Fernbedienung aus der Hand nehmen.

Ich möchte sagen: Bürger, warum lasst ihr diese Propaganda in euer Haus? Warum schaltet ihr sie freiwillig an? Schaltet den Fernseher aus und trinkt stattdessen lieber einen Whisky, nein, trinkt die ganze Flasche – es wäre besser für euer Gehirn.

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