23.11.2024

Titanic, aber Passagiere werden verklagt

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Bild: »Vor Eisberg zu warnen ist faschistisch«
Titanic steuert auf Eisberg zu. Passagiere sehen das, wollen Kapitän und Offiziere warnen. Die aber halten stur auf den Eisberg drauf. Passagiere werden deutlicher. Und was tun die Offiziere? Die bestrafen die Passagiere wegen Unhöflichkeit.
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Letztens erklärte mir einer (es war ein wilder Verschwörungstheoretiker), dass es sich mit der Titanic womöglich ganz anders verhielt, nämlich (unter anderem …) dass die Eisgefahr bekannt war – und ich stellte verwundert fest, dass diese Metapher noch besser passte.

An Bord (so erzählte jener Schwurbler), sollen Banker gewesen sein, die gegen die Errichtung der FED waren, der »Federal Reserve«. Namentlich John Jacob Astor IV, Benjamin Guggenheim und Isidor Straus.

J.P. Morgan, ebenfalls einflussreicher Banker, sollte ebenfalls an Bord sein, sagte jedoch im letzten Moment ab.

Die Gründe, warum er absagte, sind nicht ganz klar.

Einige sagen, dass er absagte, um einen Urlaub in Frankreich zu verlängern.  Wenn Ihnen das, liebe Leser, etwas »dünn« vorkommt, dann können wir es noch »dünner« machen:

Die Titanic gehörte (indirekt mehrheitlich) J.P. Morgan! Und er soll auf die Teilnahme an der Jungfernfahrt verzichtet haben, um seinen Frankreich-Urlaub zu verlängern? Und, siehe da, eineinhalb Jahre nachdem der Leonard die Kate zeichnete, wie eine seiner französischen Damen, wurde die FED gegründet – mit J.P. Morgan als einer der mächtigsten Befürworter.

Das amerikanische Geld, unter semi-privater Kontrolle. Geldpolitik durch eine profitorientierte Bank. – Alles soll angeblich nur deshalb möglich geworden sein, weil gewisse Gegner im kalten Eiswasser ersoffen?

Eigentlich nicht dagegen

Natürlich gibt es auch Argumente gegen diese schön gruselige Theorie. So fehlen etwa Belege dafür, dass Astor, Guggenheim oder Straus wirklich lautstark gegen die Gründung der Federal Reserve aufgetreten wären. Ja, von Straus ist sogar dokumentiert, dass er explizit dafür war.

J.P. Morgan fehlte tatsächlich an Bord. Doch dass er in letztem Moment absagte, um seine Kollegen auszutricksen und zu ermorden, ergibt sich aus seinem Fehlen nun wirklich nicht zwingend. Es ist auch möglich, dass er schon länger abgesagt hatte, was seine Kollegen gewusst hätten.

Es gibt allerdings auch ein Argument für die Theorie vom Titanic-Untergang als Mord an Gegnern der FED.

Dieses Argument ist relativ neu, und es hat mit heutiger Lebenserfahrung zu tun.

Verschiedene »Faktenchecker«, unter anderem von der berüchtigten Agentur »Reuters«, haben »Faktenchecks« veröffentlicht, die all dies bestreiten und widerlegen – und nach meiner Lebenserfahrung ist das ein zuverlässiger Hinweis darauf, dass da doch etwas dran sein könnte.

Der Eisberg? Verschwörungstheorie!

Heute fährt man als Privatpassagier eher selten mit dem Boot nach Amerika. Dafür hat man Flugzeuge. Heute fährt man mit dem Kreuzfahrtschiff im Kreis auf dem Meer herum (und wählt anschließend die Grünen als Öko-Sündenablass).

Diese Kreuzfahrtschiffe sind so sicher, wie sie sinnlos sind. Die Metapher von der Titanic als vermeidbarer Katastrophe aber bleibt lebendig.

Ja, die Metapher funktioniert auch nach Anwendung der Verschwörungstheorien bestens!

Ich bin wahrlich nicht der erste Schreiber, der Deutschlands Politik mit dem Titanic-Kapitän verglich. Dieser Vergleich funktioniert sogar erschreckend gut. Immer wieder verglich ich Deutschlands Schicksal mit der Fahrt großer Schiffe, etwa 2018: »Kann der Tanker Deutschland noch die Richtung wechseln?«

»Der Kapitän der Titanic sollte zurücktreten«, forderte ich, und ätzte sarkastisch: »Der Eisberg? Verschwörungstheorie! Dass das Schiff sinken könnte? Rechte Hetze!«

Jetzt noch besser!

Mit der Verschwörungstheorie von einem absichtlichen Versenken funktioniert der Vergleich sogar noch besser.

Die deutsche Regierung weiß sehr genau, dass ihre Politik das Land kaputtmacht.

Wenn sie dennoch – oder, Gott bewahre: genau deshalb – stur an dieser Politik festhält, muss man doch von Irrsinn oder Absicht ausgehen.

Und Irrsinn wird es nicht sein, dafür sind diese Figuren zu kalt, zu berechnend. Die Ärmsten und Ungebildetsten der Welt wandern nach Deutschland ein – und Unternehmen wandern aus.

Schlüsselindustrien wie etwa Stahl werden von der Politik aktiv vernichtet (mit Illusionen wie »grünem Stahl«). Deutschland schaltet seine Kraftwerke ab und wird zum Strom-Import-Land. (Hat es das je zuvor in der Geschichte gegeben, dass ein Land freiwillig und aus vorgeblich moralischen Gründen sich zum Schwellenland verstümmelt?)

Psychopath (oder Soze)

Innerhalb dieser Metapher vom unnötigerweise todgeweihten Schiff sehe ich vor meinem inneren Auge immer wieder das Szenario, dass die Titanic auf den Eisberg zusteuert, und dass dies auch eigentlich allen Betroffenen klar sein sollte, doch statt sich zu retten oder den Kapitän doch noch irgendwie zur Umkehr zu bewegen, zoffen sich die Leute um die Stühle auf dem Sonnendeck.

Ich schrieb mal:

Wenn das Haus brennt, müsste ich klinisch schwachsinnig sein, um die Tapetenfarbe zu diskutieren. Wenn die »Titanic« sinkt, müsstest du ein Psychopath sein (oder ein Soze), diese »Chance« zu nutzen, um dir endlich deinen Platz auf dem Sonnendeck zu sichern. (Wobei: Wenn du Soze bist, würde ich fragen, ob du nicht womöglich das Schiff absichtlich in den Eisberg gesteuert hast, um eben die einsetzende Panik »strategisch« für dich zu nutzen.)
(Essay vom 12.1.2024)

Im bald von uns scheidenden Jahr 2024 können wir die Metapher von der Titanic als Deutschland-Schiff nicht nur weiter anwenden, sogar auch noch auf interessante Weise erweitern.

Man liest und hört dieser Tage von den vielen Anzeigen und Strafanträgen, die besonders die nach eigener Ansicht wohl gottgleichen Grünen gegenüber den Bürgern abschießen. (Ich schrieb darüber in den Essays: »Wie nennt man es, wenn Behörden den Bürger verpfeifen?«, und: »Ist Habeck der Antichrist?«)

Nehmen wir an, dass Deutschland tatsächlich auf metaphorischer Ebene der Titanic ähnelt.

Nehmen wir außerdem an, dass die Kapitäne wissen, dass sie das Schiff in den Eisberg steuern.

Ja, nehmen wir weiter an, dass man das erste Schrammen des Eisberges und das Aufreißen der Schiffshülle bereits hört.

Anders als beim Vorbild wäre es bei der Deutschland-Titanic selbst nach dem ersten Kontakt mit dem Eisberg noch möglich, die Richtung zu wechseln.

Einige Passagiere haben verstanden, welche Gefahr herrscht. Erst von Sorge und dann von blanker Angst getrieben versuchen sie, die Kapitäne zur Umkehr zu bewegen.

Die Warnungen an die Kapitäne sind entsprechend in deutlicher Sprache formuliert. Da fallen schon mal Ausdrücke wie »Schwachkopf« oder sogar »Idiot«.

Wie aber reagiert die Mannschaft um den Kapitän?

Cui bono?

Je dringender die Offiziere der Titanic vor dem Eisberg gewarnt werden, je heißer sie angefleht werden, endlich ihre mörderische Ignoranz zu beenden, umso sturer halten sie auf den Eisberg drauf.

Aber warum?

Wir können nicht belegen, dass die Titanic nur deshalb sank und eineinhalb Tausend Menschen in den kalten Tod zog, weil Kritiker der Federal Reserve beiseite geschafft werden sollten. – Dagegen spricht, dass sie sagen, dass sie es nicht tun. Dafür spräche es, dass »Faktenchecker« dem widersprechen.

Wir können nicht belegen, dass Merkel, Habeck und Co. von höheren Mächten instruiert wurden, Deutschland zu versenken. –Dagegen spricht, dass sie sagen, dass sie es nicht tun. Dafür spräche es, wenn man davon ausginge, dass diese Leute eben nicht »Schwachköpfe« oder »Idioten« sind, sondern recht genau wissen, was sie tun – und warum.

»I am the king of the world«, ruft der junge DiCaprio im Titanic-Film, ganz vorn am Bug des Schiffs auf der Reling stehend, als euphorische Galionsfigur aller Todgeweihten.

Ich bin sicher, das ruft auch so mancher der Politiker, während er das Deutschlandschiff in die Eisberge lenkt: »Ich bin der König der Welt!«

Weiterschreiben, Wegner!

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