Ich finde das gut. Ich kann verstehen und ich unterstütze das, wenn Passagiere auf der »Titanic«, nachdem das Schiff den Eisberg gerammt hat und aufgeschlitzt wurde, gegen den Kapitän protestieren und gegen den Untergang demonstrieren.
(Nebenbei: Wenn ihr an solchen Protesten teilnehmt, wenn ihr euch angesprochen fühlt und also durch dieses mein Scherzlein beleidigt seid – seid nicht beleidigt! Ihr seid ja keine Linken, die unfähig sind, über sich und über die mögliche Vergeblichkeit aller menschlichen Mühe zu schmunzeln.)
Proteste an Bord einer aufgeschlitzten »Titanic« werden den Untergang nicht verhindern – und doch können diese Proteste konkret das Leben vieler Menschen retten: Durch die Proteste wird jeder Zusehende gezwungen, sich zu positionieren.
Einige Mitbürger werden für sich beschließen, dass an all den Themen nichts dran ist, und sie werden es wirklich glauben.
Der Eisberg? Verschwörungstheorie!
Dass das Schiff sinken könnte? Rechte Hetze!
Man wünscht ihnen viel Glück.
Mehr als den Tod
Einige Mitbürger werden für sich beschließen, das Thema zu ignorieren, nicht »obwohl«, sondern »gerade weil« es auch ihnen so gefährlich viel Sinn ergibt. Nicht wenige unserer Mitmenschen fürchten eine Korrektur ihres Weltbilds und ihrer »Gewissheiten« mehr als den Tod, und so marschieren sie in letzteren – gerade wenn die Berichtigung des Weltbilds und die Korrektur von Irrtümern durch Ächtung als »räächts« bestraft wird.
Manche Wähler in der Demokratie ähneln auf philosophische Weise einem islamistischen Selbstmordattentäter: Statt sich einzugestehen, dass sie belogen wurden, dass sie gründlich und komplett falsch liegen, gehen sie lieber drauf und unter und ziehen ihre Mitmenschen mit in den Untergang.
Einige Bürger aber – wenige, doch mehr als null – werden die Proteste sehen und darüber nachzudenken beginnen, ob an der Sache nicht doch etwas dran sein könnte.
Das Gegenteil dessen
Nein, Politiker werden ihr Handeln nicht ändern, weil ein paar tausend Bürger auf die Straße gehen. Wenn Politiker auch nur 21 Gramm Respekt vor dem Wohl der Bürger und dem Überleben des Staates besäßen, hätten sie doch das Gegenteil dessen angestrebt, was sie in den letzten Jahrzehnten anrichteten.
Doch durch die Proteste werden die Menschen im Umfeld gezwungen, sich zu positionieren – und womöglich zu überlegen, wie sie sich und ihr Umfeld retten können.
Doch sich zu retten könnte bedeuten, sich dem zu entziehen, was gewisse Mächte für uns planen.
Und deshalb ist es für die Agitatoren des Propagandastaates – ich meine: »Journalisten« – so wichtig, eventuell unschöne, bildstarke Extremisten bei Demonstrationen herauszusuchen, also die mit den verbotenen Flaggen und so, und dann tut die Propaganda so, als bestünde die demonstrierende Menge ausschließlich aus diesen Unschönen.
So habe ich das folgende Gerücht gehört: Um sicherzugehen, bringt die »berichtende« Propaganda schon mal selbst die Nazi-Darsteller mit, und deren Bilder kann der Staatsfunk dann am Abend in der 20-Uhr-Propaganda als stellvertretend für die gesamte Demonstration zeigen – wenn sich diese nicht ganz ignorieren lässt.
Freunde, lasst uns protestieren. Man könnte meine Arbeit ja auch als täglichen Protest deuten, seit Jahren nun schon.
Doch macht den möglichen Erfolg und damit den Sinn eurer Proteste nicht davon abhängig, ob ihr dadurch wirksame politische Veränderungen motivieren könnt. Nach den aktuellen Umfragen ist die Regierung schon jetzt eine Minderheitsregierung – doch denen ist es egal, und es ist denen vollkommen egal, dass sie das Land kaputtmachen und ihr darunter leidet.
Ich will ja kein Verschwörungstheoretiker sein, aber vielleicht können die da mit Deutschland nichts anfangen und finden Vaterlandsliebe zum Kotzen. Dann würde euer Protest die eher bestätigen.
So oder so
Der Erfolg eurer Proteste soll sein, dass Menschen gezwungen werden, sich zu entscheiden, ob sie sich in Sicherheit bringen wollen. Und einige werden es tun.
Zum Glück sind ein Land und eine Gesellschaft ja kein Schiff, und jede Metapher hat ihre Grenzen.
Wenn ausreichend viele Menschen den Entschluss fassen, sich und ihr Umfeld zu retten, könnte vielleicht doch noch das Land gerettet werden. Das wäre der schönste Fall ab hier – es gibt auch andere mögliche Fälle.
So oder so, ihr werdet die Menschen gewarnt haben. Gewarnt zu werden bedeutet, eine Chance zu erhalten. Es liegt aber nicht an euch, den Warnern, sondern an den Gewarnten, die Chance, die euer Protest ihnen gibt, auch zu nutzen!
Protestiert, auch wenn das Eiswasser bereits im Maschinenraum steht.
Aber rettet euch, wenn ihr könnt. Und wenn ihr nicht könnt, nutzt den Tag, um klüger zu werden.
Wenn wir klüger werden, klüger und mutiger, fällt uns vielleicht doch noch ein, wie wir die ganze Sache retten.