28.05.2025

Ab wann ging es bergab?

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
Die Dinge werden schlechter. Wirtschaft, Gesellschaft, sogar Rockmusik. Das bedeutet logisch, dass es einen Zustand des »relativen Optimums« gab. Wann war eurer Meinung nach das »relative Optimum« für Deutschland erreicht?

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Es passiert schon mal, dass ich sage: Dieses oder jenes war früher besser!

Und wenn ich solches laut sage, dann antwortet mir gewiss jemand bald: »Jaja, ihr alten Leute! Ihr denkt, früher war alles besser!«

Und tatsächlich warnt sogar der Prediger davor, frühere Zeiten zu verklären:

Doch frag nicht: Wie kommt es, dass die früheren Zeiten besser waren als unsere? Denn deine Frage zeugt nicht von Wissen. (Prediger 7:10)

Hat nicht schon die Antike darüber geklagt, wie wild und verantwortungslos die Jugend ist?

»Völlig verderbt«, so nannte Hesiod die Jugend seiner Zeit. »Bald missachten sie auch die Erzeuger, die altersgebeugten«. (siehe gottwein.de)

»O tempora, o mores!«, so klagte Cicero, und wir klagen mit. Eine jede neue Zeit, aufs Neue verderbt.

In unser aller Lieblingsfilm »Midnight in Paris« lernten wir von der »Golden Age Fallacy«. Dies soll der Denkfehler sein (in diesem Film aufs Schönste zelebriert), wonach eine frühere Epoche die goldene Zeit war – und alles danach höchstens Falschgold und Blech.

Und doch, und doch: Wer wollte bestreiten, dass einige Dinge schlechter werden?

Die öffentliche Sicherheit in Deutschland wird schlechter. Orte, an denen wir als Kinder spielten, werden zu Gefahrenzonen – bisweilen nicht nur nachts.

Die wirtschaftliche Lage wird schlechter. Innenstädte, in denen wir als Jugendliche »abhingen« und dann als Erwachsene »einen Kaffee tranken« oder »bummeln gingen«, veröden heute – oder werden zu Ramschladenzonen.

Die Industrie stellt die Produktion ein oder verlagert sie ins Ausland, wo Energie noch bezahlbar ist. Es ist kein Zufall, es ist eine aktive Politik der Zerstörung.

Die Deutschen sollen mehr und länger arbeiten (tagesschau.de, 25.05.2025), so höre ich. Es erinnert an einen Bauernhof, der neun von zehn Kühen schlachtet, und dann die letzte Kuh melkt und melkt. Wenn die letzte Kuh dann ausgemergelt und kurz vorm Umkippen um Gnade muht, wird sie beschimpft, sie solle nicht so faul sein.

Ach, ich könnte weitermachen, aber es wäre nicht gut für die Laune.

Doch wenn ich sachlich feststelle, dass dieses oder jenes schlechter wird, dann folgt logisch, dass es einen Zeitpunkt gab, an dem es relativ ideal war.

Ich selbst stamme aus der ersten Generation der jüngeren Geschichte, der von unseren Kindern zugestanden wird, dass »unsere« Musik besser war als die ihre. Im Englischsprachigen nennt man das: »it peaked« – es erreichte seinen höchsten Punkt, seinen bestmöglichen Zustand.

Rockmusik erreichte ihr relatives Optimum um die 80er- und 90er-Jahre. Deutschland erreichte sein relatives Optimum in einer Zeit vor Merkel. Die katholische Messe vorm Zweiten Vatikanum.

Was seine Qualität über die Zeit ändert, muss logischerweise einen Zeitpunkt haben, an welchem es relativ optimal war. »Relativ« im Vergleich zu heute, aber vor allem relativ zu seinen Möglichkeiten.

Deutschland vor Merkel war womöglich so gut, wie Deutschland eben innerhalb der Grenzen dieser Realität gut sein kann. Die Pop- und Rockmusik von Queen, Michael Jackson & Co. war so gut, wie populäre Musik mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln sein kann. Und so weiter.

Ja, bisweilen wünsche ich mir diesen oder jenen Zustand aus früheren Zeiten zurück. Die Kölner Ringe als unbeschwerte Partyzone am Wochenende. Latein und Weihrauch in der Kirche – statt Hühner, Windeln und halbnackte Clowns. Und eine Gesellschaft, in der jede neue Generation hoffen kann, dass es ihnen besser gehen wird als den Eltern.

Alles Wehklagen hilft aber nichts. Was früher besser war, bleibt eben früher. Und doch ist das, was früher besser war, nicht vollständig verloren! Solange wir uns an das Bessere erinnern, kann und muss es uns als Maßstab dienen.

»Make America great again«, so sagt Trump, und es wird ihm vorgeworfen, er verspreche etwas logisch Unmögliches, nämlich die Vergangenheit wiederzubringen.

Doch das ist nicht, was »MAGA« aussagt. Das Schlüsselwort ist »great«. Es ist ein Maßstab aus der Vergangenheit, den die Menschen aufgegeben haben, der aber wieder appliziert werden soll.

Früher war nicht »alles besser« (einiges schon). Aber das, was besser war, existiert bis heute als Maßstab.

Früher war dieses oder jenes besser, so stelle ich immer wieder fest. Doch das, was früher besser war, ist ein Maßstab an mich.

Was früher gut war, ist ein Maßstab für meine heutigen Absichten, für mein heutiges Handeln.

Nur eine Gegenwart, in der das Gute der Vergangenheit als Maßstab dient, wird eine bessere Zukunft haben.

Weiterschreiben, Wegner!

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