Dushan-Wegner

15.03.2022

Wer wird gewinnen – und mit welchen Waffen?

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Foto von Eugene Krasnaok
Der Westen muntert aus sicherer Entfernung die Ukraine auf, sich tapfer und dauerhaft zu wehren – doch will selbst nicht mitkämpfen, und liefert Waffen, die eher so für langen Daueraufstand geeignet sind. Hmm. Was ist der Plan?
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Niemand von »denen da oben« (zumindest von unseren denen da oben) wollte den Ukraine-Krieg (so hoffe ich), so wie niemand von uns die Corana-Pandemie plante (man »übte« sie bloß, Stichwort »Event 201«, siehe centerforhealthsecurity.org/event201/ – und man macht noch immer Milliarden-Profite mit ihr).

Wie bei der Pandemie wäre es aber natürlich eine spannende Frage, ob jemand im Westen »aus Versehen« mit zu Putins Motivation beigetragen haben könnte. Jedoch, selbst diejenigen, die vorher davor warnten, können sich darauf einstellen, öffentlich ins Abseits gestellt zu werden; man wird sie wahrscheinlich mit einem der typisch depperten Propaganda-Schimpfwörter belegen, vermutlich »Putin-Leugner« oder »Putin-Versteher« oder so.

Ebenfalls wie bei der Pandemie könnte man auch hier hinschauen wollen, wer heute vom Krieg profitiert. Man könnte feststellen wollen, wer davon profitieren würde, wenn der Krieg unnötig verlängert würde.

Nein, wir unterstellen nicht, dass irgendwer auf unserer Seite den Krieg will oder ihn aktiv einfädelte. Jedoch: Es wäre nur schwer zu leugnen, dass die üblichen westlichen Konzerne von diesem Krieg profitieren werden.

Könnte es sein, dass während viele hübsche »Zeichen für Frieden« gesetzt werden, die tatsächlichen Handlungen westlicher Politik den Krieg verlängern und so tödlicher werden lassen?

…dazu Helme und Körperpanzer

Zur Frage, ob jemand im Westen vom Krieg profitiert, muss man nicht weit suchen.

Als Reaktion auf den Putin-Einmarsch in die Ukraine hat Scholz plötzlich 100 Milliarden Euro »Sondervermögen« für die Bundeswehr in irgendeiner Berliner Sofaritze gefunden. – Oder pumpt man sich das Geld auch einfach nur? Besonders Finanzminister Lindner wirft gerade mit Geld so um sich. Etwa: 200 Milliarden für Klimagedöns (faz.net, 6.3.2022). Sogar dem milliardenschweren deutschen Staatsfunk wird schwindlig, wie Lindner wieder mit anderer Leute Geld um sich wirft (tagesschau.de, 14.3.2022). Zwei Dinge, in denen die FDP nicht so gut ist: Geld und Freiheit. Das Problem am modernen Liberalismus ist, dass ihm irgendwann das Geld anderer Leute ausgeht.

Diese 100 Milliarden Euro »Sondervermögen« waren kaum ausgesprochen (womit man verspätet Herrn Trump recht gab), da wurden auch die ersten konkreten Ausgaben angekündigt.

Die Bundeswehr gönnt sich mal eben 35 Flugzeuge vom Typus F-35 (tagesschau.de, 14.3.2022). Insider sagen mir, dass das beim gegenwärtigen Zustand der Bundeswehr-Ausrüstung sei, wie wenn man Steinzeitmenschen mit Supercomputern ausstatten würde. Laut forbes.com, 31.7.2021 kostet ein von Land startender F-35A-Kampfjet, als Beispiel, um die 70 Millionen US-Dollar, und die absehbaren Wartungskosten betragen nach aktueller Schätzung etwas $7,8 Million US-Dollar – pro Jahr und Flugzeug. Aber immerhin, so können der Sozialdemokrat Scholz und der Liberale Lindner sich trösten, werden durch den Kauf auch Arbeitsplätze gesichert – in Fort Worth, Texas (airforcemag.com, 27.9.2021).

Es herrscht Krieg, und natürlich profitieren Waffenhersteller davon. NATO-Staaten wollen zwar auf keinen Fall eigene Soldaten auf Russen schießen lassen – man schifft aber buchstäblich tonnenweise Waffen in die Ukraine, damit Ukrainer den Abzug betätigen (politico.com, 3.4.2022: »The Ukraine ›rat line‹: How the U.S. and British are funneling weapons to kill Russians«).

Allein Finnland (noch nicht NATO, denkt aber darüber nach, so cnn.com, 14.3.2022) hat laut obiger Quelle etwa 2.500 Sturmgewehre samt Munition zugesagt, dazu 1.500 Anti-Tank-Waffen, Schweden 5.000 weitere, dazu Helme und Körperpanzer.

Deutschland liefert unter anderem 100 der berühmten »Stinger«, also mobile Flugabwehrraketen, und gerade der Begriff »Stinger« ist für erfahrene Nachrichtenleser ein Signal. Sagen wir es mal so: Der deutsche Wikipedia-Eintrag zu »FIM-92 Stinger« hat einen ausführlichen Abschnitt zum »Einsatz in Stellvertreterkriegen während der 1980er Jahre« (Stand 15.3.2022) – und direkt auf den Abschnitt zu Stellvertreterkriegen folgt ein neuer Abschnitt zum »Einsatz in der Ukraine während der russischen Invasion 2022«.

All die Waffen aber, die jetzt in die Ukraine geliefert werden, müssen ersetzt werden. Und anders als in Friedenszeiten müssen Politiker sich nun nicht dafür vor der Gesellschaft rechtfertigen, Geld an befreundete Waffenfirmen zu überweisen – siehe Deutschland mit seinem spontanen »Sondervermögen«, das ohne große Debatten freigegeben wurde.

Hmmmmm.

Man fragt sich als Außenstehender: Wenn sich schon der Westen bei den Waffenlieferungen zusammentut, könnte Russlands Armee nicht schneller gestoppt und zurückgedrängt werden?

Hmm.

Polen bot an, seine MiG-29-Flotte der Ukraine zu geben, die USA sollten die Übergabe via Ramstein logistisch organisieren (und wohl damit Mitverantwortung übernehmen); siehe cnn.com, 9.3.2022. Die USA lehnten es ab, der Vorschlag sei nicht »haltbar«, da Russland auf die NATO sauer werden könnte, wenn die MiGs von einem NATO-Land aus in die Ukraine flögen.

Aber wenn die Waffen in LKWs kommen können, ursprünglich Teils aus NATO-Ländern wie Deutschland, hat man diese Zweifel nicht? (Laut dw.com, 10.3.2022 ist das Angebot ohnehin nur Ablenkung, da ein sicherer Transport der Flugzeuge in die Ukraine viel zu aufwändig wäre.)

Hmmm.

In seiner eigenen Terror-Abwehr setzt Israel mit einigem Erfolg auf den »Iron Dome«. Für uns Außenstehende läge es nahe, dieselbe Technologie auch für einzelne Städte in der Ukraine einzusetzen. Die USA besitzen mehrere eigene Iron-Dome-Systeme (jpost.com, 16.10.2019) und wollten sie schon vor Ausbruch des absehbaren Krieges bereitstellen, doch Israel selbst verhinderte es (so ynetnews.com, 15.2.2022). Israel wollte, so erklären Beobachter, sein Verhältnis zu Russland nicht belasten.

Hmmmm.

Aber gut, die USA besitzen auch eigene Systeme, die dem »Iron Dome« ähneln, nämlich die »Patriot Interceptors«. Auch diese könnten den Luftraum über der Ukraine schützen, und einige der Raketen abfangen, die in ukrainischen Wohnblöcken niedergehen und Zivilisten töten.

Die »Patriot Interceptors« wollen die USA selbst nicht bereitstellen (defenseone.com, 10.3.2022). Als Begründung wird angegeben, es würde zu lange brauchen, den Ukrainern den Betrieb dieser Systeme zu erklären – und eigene Soldaten wolle man nicht mitschicken, wegen »NATO« und so.

Derweil sind in der Ukraine, so zumindest die ukrainische Propaganda, inzwischen Tausende freiwillige Kämpfer eingetroffen, auch aus NATO-Ländern wie Deutschland (siehe dazu etwa dw.com, 12.3.2022; tagesschau.de, 11.3.2022; zeit.de, 11.3.2022.

Hmmmmm.

Nein, ich unterstelle keine Absicht, ich stelle lediglich sachlich fest: Faktisch unterstützt man die Ukraine dabei, die Russen zu ärgern. Vielleicht hofft man, die russische Armee über die Zeit ausbluten zu lassen, bildlich wie wörtlich. Man bejubelt den »Widerstand« und das »Durchhaltevermögen« der Ukraine, während man ihr die Mittel vorenthält, den Krieg auch tatsächlich – zu ihren Gunsten gar! – zu beenden.

Nadelstichartiges Ärgern

Ich war überrascht, als der immer wieder im Staatsfunk auftretende Philosoph Richard David Precht es wagte, in seiner moralischen Bewertung der Ukraine gegen den Strich der »großen emotionalen Lage« zu gehen, die vorliegenden »relevanten Strukturen« (meine Sprache, nicht seine) realistisch und konsequent zu analysieren, und den derart gezogenen moralischen Schluss dann auch auszusprechen.

Precht wird zitiert: »Natürlich hat die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung, aber auch die Pflicht zur Klugheit einzusehen, wann man sich ergeben muss« (fr.de, 13.3.2022).

Ja, es ist verstörend, ein Land zur Kapitulation aufzufordern – und so dem Welthelden Zelensky implizit Mitschuld an den ukrainischen Toten zu geben, solange die Ukraine sich der Kapitulation verweigert.

Der Westen feiert den Widerstand der Ukraine, gibt jedoch nicht die militärische Hilfe, die es tatsächlich bräuchte, um Putin realistisch zu stoppen. Dass man vermutlich sehr gute Gründe dafür hat, es nicht zu tun – etwa Angst vor dem Krieg zwischen NATO und Russland, und zwar mit nuklearen Waffen – ändert nicht die Tatsache, dass man es nicht tut.

Es wird gefordert und gefördert, die Russen nadelstichartig zu ärgern, bis die sich hoffentlich genervt wieder zurückziehen (»Stinger« heißt wörtlich »Stachel«). Die an die Ukraine bislang gelieferten Waffen sind eher Waffen für einen »dauernden Aufstand«, nicht die Waffen, die es wirklich braucht, einen Krieg auch zu gewinnen.

Was wollen »wir« also wirklich?

Ach, die Frage ist doch nicht, was man zu wollen vorgibt. Die Frage ist nicht einmal, was man zu wollen vielleicht sogar selbst glaubt. Die Frage ist, was die tatsächlichen Handlungen bewirken.

Gewiss nicht unwahr

Der Spruch von der Wahrheit als erstem Opfer des Krieges, er legt nahe, dass die Kriegsparteien, jede auf ihre Weise, die Wahrheit zu ihrem Nutzen zurechtbiegen, und dass sie es tun, das ist gewiss nicht unwahr.

Ich sehe aber noch eine Quelle möglicher Unwahrheit im Krieg, und die ist – um es pathetisch zu sagen – unser eigenes »Herz«.

Wir selbst wollen gewisse Dinge hören, ob sie Sinn ergeben oder nicht, weil sie zu hören sich gut anfühlt. Wir selbst wollen gewisse Dinge sagen, weil sie zu sagen sich gut anfühlt – und zwar »gut« im Sinne von »kribbelt so schön im Bauch« als auch im Sinne von »ach, was bin ich wieder moralisch«.

Es fühlt sich gut an, die Ukraine zum Durchhalten aufzufordern. Der Sesselgeneral fühlt sich selbst stellvertretend wie ein Held, wenn er die Ukrainer zum Kampf gegen Russland mit Stellvertreterwaffen ermuntert. Weniger gut fühlt es sich dagegen an, im dauernden Krieg zu leben, im Krieg zu sterben, seine Angehörigen oder sein Zuhause zu verlieren (oder als ukrainische Frau nach Deutschland zu fliehen, um dann von einem irakischen und einem nigerianischen »Flüchtling« vergewaltigt zu werden, bild.de, 14.3.2022 – welche selbst wohl via Ukraine kamen).

Und was es bewirken wird

Wer wird in der Ukraine gewinnen? Am Ende gewinnt immer die Realität. Die erste Frage ist, welche Realität wir gewinnen lassen können – und wollen!

Die zweite Frage ist, ob wir der bevorzugten Realität helfen werden, eben Realität zu werden.

Tut oder tut nicht, aber belügt euch nicht darüber, was ihr tut – und was es bewirken wird.

Weiterschreiben, Wegner!

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