Dushan-Wegner

05.09.2021

Zu viele Zufälle

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Foto von Masaaki Komori
Sowas aber auch, dass die Fehler beim Staatsfunk immer wieder in die eine politische Richtung passieren. Hat bestimmt gaaaar nichts mit Wahlkampf und Propaganda zu tun. Würg!! – Manchmal möchte man mit all dem einfach nichts mehr zu tun haben…
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Die Sonne geht auf. Ein neuer Tag – ein neuer Nachrichtenzyklus im Propagandastaat. Was steht an?

Ich will gestehen: Der Spaß am Entlarven und Aufzeigen der Unwahrheiten in Staatsfunk und Mainstream ist weniger geworden. Die Gründe sind vielfältig, und einer der Gründe ist für sich sogar ein Zeichen der Hoffnung.

Es sind heute nicht mehr nur Freie Denker oder der Twitterer @argonerd, welche die publizierten Halbwahrheiten dokumentieren und hervorheben. Das ist gut so, da sind Funken echter Hoffnung zu spüren!

Jedoch: Wenn immer mehr Leute die Unwahrheiten aufdecken, aber »die da« immer neue Unwahrheiten nachschütten, könnte das auch ein Hinweis darauf sein, dass es »denen« schlicht egal ist, wenn sie aufgedeckt werden – frei nach Solschenizyn: Die wissen, dass wir wissen, das sie lügen, und doch lügen sie weiter.

Vor allem aber: Mit jedem neuen Tag verstärkt sich das klebrige Gefühl, dass wir wie durch Sumpf und Schlamm waten und durch Morast stapfen – und es fühlt sich schmutzig an.

Ich will einen Mittelweg finden, der doch kein Kompromiss ist. Wie soll ich das anstellen? Ich suche nach höherer Erkenntnis, und – Sie kennen mich – da greife ich auch mal nach der Bibel.

Zu Lebzeiten

»Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen«, so betet Jesus in Johannes 17:15f, »sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.«

Mancher könnte sich fragen, warum denn Jesus betet – es ist ja nicht das einzige Mal. Wir fragen uns, ob es ein Selbstgespräch ist, und dann erinnern wir uns an die Sache mit der Dreieinigkeit.

Ich persönlich gehe davon aus, dass Geist und Seele eine evolutionär vorteilhafte Funktion des Körpers sind, ähnlich wie zum Beispiel die Verdauung. Mit dem Zerfallen des Körpers werden auch seine Funktionen eingestellt. Es fragt ja auch keiner nach: Gibt es eine Verdauung nach dem Tod? (Notiz dazu: Tatsächlich gibt es sie wohl – der Körper verdaut sich selbst. Unsere Seele aber, unsere Lüste, Ängste und unser sogenannter Intellekt, wenn man diese Instanzen nicht in Zaum hält, können sie uns schon zu Lebzeiten fressen und verdauen.)

Und doch lese ich die Bibel gern, denn in ihr ist bewährte Weisheit codiert, die Weisheit von Menschen und wohl auch Generationen, die in wichtiger Hinsicht größer waren als ich und wohl auch wir.

Zu suchen

Ich erlaube mir heute, jene Passage auf meine Weise aktuell zu deuten – und ich will dazu drei knappe Absätze lang ausholen.

Wie Sie wissen, denke ich in relevanten Strukturen. Zusammengefasst: Jeder Mensch (auch der, der zugleich Gott ist), ist in Strukturen eingebunden, etwa Familie oder Nation, aber auch sein eigener Körper, eine Firma oder eine Religion. Die großen wie auch kleinen moralischen Fragen des Lebens sind allesamt Verhandlungen der Relevanz von Strukturen – wie ordne ich die Relevanz, was ist mir wirklich wichtig?

Um nicht allezeit in Konflikt mit sich selbst zu leben, um nicht zerrissen und unglücklich zu sein, sollte der Mensch seine relevanten Strukturen derart anordnen, dass sie nicht immerzu einander schwächen, sondern im Idealfall vielleicht sogar einander stärken. Ich nenne relevante Strukturen auch Kreise, daher unser Wahlspruch: Ordne deine Kreise!

Ordnung braucht Planung. Für die Ordnung der persönlichen Kreise sind die nützlichsten Werkzeuge ein Kalender und eine Aufgabenliste, ein Zettel und ein Bleistift — oder natürlich digitale »Getting-Things-Done«-Werkzeuge (wie Todoist, OmniFocus oder Things).

Jedoch, so wichtig, klug und sogar edel es zweifelsohne ist, seine unmittelbaren Kreise zu ordnen – manchen Menschen verlangt es, seinen Platz in weit größeren Kreisen zu finden. Es ist uns angeboren, Teil einer viel, viel größeren Ordnung sein zu wollen. Ein Gebet ist ein Werkzeug, uns selbst innerlich derart anzuordnen, dass wir Teil der ganz großen Ordnung sind. (Zur Kontrolle: Prüfen Sie meine These gern an jedem Ihnen bekannten Gebet, etwa dem Vaterunser, wie es sich plausibel deuten lässt als das Ringen eines Menschen um seinen Platz in den ganz großen Kreisen.)

Wenn nun Jesus betet, können wir die überlieferten Worte so interpretieren: Er verhandelt seine eigene Rolle in der ganz großen Ordnung – doch wenn wir uns den Wortlaut vergegenwärtigen, fällt uns etwas sehr Besonderes auf: »Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen…« – Jesus sucht nicht (nur) seine eigene Ordnung im großen Ganzen, er ringt um die Rolle seiner Anhänger und Nachfolger.

Da wir von Jesu Gebet lesen können, ergibt sich logisch: Er ringt nicht »im Privaten« – er ringt, so dass und wohl auch damit diejenigen, um deren Ordnung er ringt, es lesen können – und damit selbst beginnen, ihre Ordnung innerhalb der wirklich großen Kreise zu suchen.

Welchen Ratschlag also gibt Jesus – der vermutlich wirkmächtigste »nicht-so-alt-gewordene weise Mann« der Menschheitsgeschichte? Welche Ordnung innerhalb der großen Kreise (um es in unseren Worten zu sagen) empfiehlt er? – Es ist eine bemerkenswerte Formulierung: In dieser Welt, aber nicht von dieser Welt.

Zu zuverlässig

»Nicht von dieser Welt…« – was aber ist denn diese Welt, heute und tatsächlich?

Ich will eine aktuelle Meldung herausgreifen, stellvertretend für die vielen Dinge, die man als »diese Welt« betrachten könnte.

Zunächst ein schneller Rückgriff auf einen früheren Essay: 2019 hörten wir vom bemerkenswerten Fall einer Öko-Kette, die wie im Geiste der ideologischen Gleichschaltung eine bestimmte Marke von Hirse auslistete, weil deren Hersteller wohl nicht laut genug »Hurra« gerufen hatte. Der deutsche Staatsfunk drehte dazu ein Propaganda-Filmchen und interviewte eine angebliche »Kundin«, die sich im TV vor der »AfD-Hirse« ekeln durfte. Später stellte sich heraus – oh Wunder! – die »Kundin« war eine Grünen-Abgeordnete (Essay vom 16.10.2019: »Das ZDF und die Lügenlawine«).

Dass der deutsche Staatsfunk wie eine Dauerwerbesendung für bestimmte politische Standpunkte wirkt, das ist wahrlich nicht neu, das scheint deren Job zu sein. Geradezu charmant wird es aber, wenn man – warum auch immer – dem Staatsfunk wohl besonders nahe Politiker als »normale Bürger« zu verkaufen versucht.

In Berlin hat der Staatsfunk aktuell einen »empörten Radler« interviewt, der auffällig Grünen-nahe Empörung zu bester Sendezeit verbreiten durfte – und man »vergaß«, zu erwähnen, dass auch er ein Grünen-Abgeordneter ist (bild.de, 4.9.2021).

Es ist Wahlkampf in Deutschland, und man könnte bald einen zweiten Sendeapparat aufmachen, der sich damit beschäftigt, die Propaganda, Tricks und angeblichen »Fehler« der sogenannten »Öffentlich Rechtlichen« aufzudecken.

»Kann das alles Zufall sein?«, so fragt Bild-Chef Julian Reichelt (ebenda).

Ich erlaube mir, diese rhetorische Frage mit einem zweiten Rückgriff zu beantworten! Schon 2017 (immerhin zwei Jahre nach dem Unrechtsjahr 2015) schrieb ich den Essay »Darf man über ›Lügen‹ reden?«, und darin schrieb ich über Zufälle dieser Art, und über die Leute, welche sich da immer wieder »irren«: »Nein, die ›lügen‹ nicht, die gehen nur in auffällig zuverlässigem Gleichschritt in die gleiche, falsche Richtung.« (Jener Essay vom 28.11.2017 arbeitet heraus, wie und warum eine gesamte Redaktion lügen kann, auch wenn der Einzelne sich tatsächlich nur irren sollte. Wenn ein Medium nur solche Leute einstellt, deren Denken sich warum-auch-immer zuverlässig im Sinne der politischen Ausrichtung der Redaktion »irrt«, dann lügt die gesamte Redaktion, auch wenn der Einzelne nur »irrt«. – Aus Gesprächen mit Journalisten ahnen wir aber, dass die Irrtümer realiter vermutlich nicht alle nur »irrtümlich« sind…)

Zum Zeugen

Nein, wir müssen nicht buchstäblich auf die Knie gehen (auch wenn es einigen Leuten gut täte), wir müssen nicht stehend den Blick gen Himmel richten und betend heilige Formeln aufsagen, um uns zu fragen, welchen Platz wir in der großen Ordnung haben.

Wir werden täglich angelogen, von zynischen, kalten Gestalten. Wir sind in dieser Welt, doch wir wollen nicht von dieser Welt sein.

Täglich Kälte und Zynismus atmend wollen wir doch selbst nicht kalt und zynisch werden.

Von Lügen umgeben wollen wir nicht selbst zu Lügnern werden (wir denken an »If–« von Rudyard Kipling, ich lese es mit Ihnen im Essay vom 7.11.2018) – Vor allem aber: Niemals, wirklich niemals, belüge dich selbst! 

Ich habe Shakespeare früher schon zum Zeugen gerufen, ich will es heute wieder tun, und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. 

Hamlet, 1. Akt, 3. Szene: »This above all: to thine own self be true« – »dies über allem: zu dir selbst sei wahrhaftig«, oder auch: »dir selbst bleibe treu«.

Weiterschreiben, Wegner!

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