Dushan-Wegner

04.09.2021

Versuchskaninchen im Sumpf

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Foto von Jonathan Lampel
Wir waten durch einen Sumpf aus halben Wahrheiten und ganzen Lügen. Wer bitte glaubt denen noch irgendwas? Es ist geradezu erfrischend, wenn ein Politiker sich ehrlich macht und offen sagt: Ihr seid alle Versuchskaninchen!
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In der Krise könnte Demokratie nur dann als solche funktionieren und unbeschadet überleben, wenn das Volk in seelischen Angelegenheiten gebildet ist, auch in großen Entscheidungen bedächtig abwägt und seine Kreise gut zu ordnen weiß – ein Volk weiser Männer und Frauen.

Jedoch, es gibt kein Leben im Konjunktiv – dies ist eine Zeit mehrerer einander überlagernder Krisen.

Zu den »neunormalen« Krisen wie Migrations- und Coronakrise kommen die nicht weniger brennenden Krisen, die wir nicht auf dem Radar haben. Man könnte jene unsichtbaren Krisen mit dem kürzlich verstorbenen Donald Rumsfeld die »unknown unknowns« nennen, die unbekannten Unbekannten (ich erklärte es im »Zwischenstand« vom 25.4.2020).

Die mangelnde Allgemeinbildung in Sachen Software ist eine »unsichtbare Krise« (siehe dazu auch »Künstliche Intelligenz und Mäusespeck« (2019)). Besonders tückisch und tödlich aber sind virenartige Krisen, die aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit verhindern, dass die Befallenen (Individuen, Gesellschaften) die Krisen überhaupt merken oder gar lösen – namentlich etwa das, was ich die »Weisheitskrise« nannte (siehe Essay »Welche Krise haben wir heute?«).

Mein Essay vom 24.09.2018 trug den Titel: »Zeige mir eine lügende Regierung und ich zeige dir ein ausgeraubtes Land«. Darin beschrieb ich eine weitere Krise, die auch 2021 ihr hässliches Haupt aus den Abgründen der Unkultur reckt; ich schrieb: »Die Flüchtlingskrise ist zuerst eine Wahrheitskrise.« – Die Wahrheitskrise ist seitdem wahrlich nicht abgeklungen!

In Sachen Migration hat die Politik inzwischen de facto aufgegeben, die wahre Wahrheit hinter Lügen zu verstecken. Wofür noch Lügen erfinden, wenn man einfach jeden, der Kritik am suizidalen Wahnsinn übt, von der Propaganda fertigmachen lassen kann?

Die Regierung fliegt, warum auch genau immer, eben noch abgeschobene Straftäter wieder nach Deutschland ein – geradezu gruselig glucksend, dass ein afghanischer Kinderschänder und andere Kriminelle, die man unter hohen Kosten nach Deutschland einflog, jetzt leeeeeider nicht mehr abgeschoben werden können (bild.de, 3.9.2021) – dafür aber teils schon bald in Deutschland auf die Bevölkerung losgelassen werden (@ClausStrunz, 4.9.2021). Für diese Krise nationaler Zurechnungsfähigkeit haben wir noch nicht einmal einen Namen.

Von Überlappungen

Eine andere Krise dagegen scheint noch immer in täglich weiter wirkenden Teilen mit der Wahrheitskrise zu überlappen – die Corona-Panik-Krise.

Eine Krise – griechisch κρίσις – ist, ungelenk aber reichlich präzise gesagt, eine Situation der notwendigen Entscheidung. Nicht die übergroßen Probleme allein sind es, die eine Krise zur solchen machen. In der Krise geht es nicht ohne Entscheidung weiter. Die Entscheidung in der Krise wird den zukünftigen Kurs der Geschichte bestimmen – und selbst eine Nichtentscheidung, ein Wegschauen, ein Ignorierenwollen und das folgende Nichthandeln werden als Entscheidung fungieren.

In der Wahrheitskrise verliert das Konzept von Wahrheit als »faktenkohärenter Aussage« seine Kraft. Was als »wahr« gilt, das hat sich in der Wahrheitskrise weitgehend von der Faktenlage gelöst (und von deren bestmöglicher Abschätzung durch ehrlich prüfende Instanzen), vielmehr wird täglich neu ein kollektives Wahrheits-Schauspiel ausgehandelt.

Man »tut so«, als wäre dieses oder jenes wahr – und wer nicht beim erfolgreichsten der Wahrheitsspiele »mitspielt«, der wird als Außenseiter gebrandmarkt. (Jede Wahrheitskrise hat ihre eigenen Bezeichnungen dafür. Bekannt wurde etwa »Ketzer« – und natürlich »Ketzerin«. Heute spricht man von »Rechten« oder »Schwurblern«. Die modernen Abweichler und Wahrheitssager entwickeln ihre eigene Medienkompetenz und würzen sie mit einer Prise praktischer Ironie, indem sie sich die jahrzehntelang positiv besetzte Abweichler-Bezeichnung »Querdenker« anziehen, »verbrennen« sie diese.)

Dass die Corona-Krise sich mit der Wahrheitskrise überlappt – niemand wird es bestreiten (zumindest niemand, den wir ernst nehmen sollten). (Für den aktuellen Stand der Forschung bezüglich der Corona-Lügen in Presse, Propaganda und Politik verweise ich auf sciencefiles.org, 3.9.2021: »Spahn lügt: Pandemie der Unehrlichen«)

Von Experimenten

Und doch, auch in dieser instabilen Zwischenzeit einander überlagernder Krisen finden sich Gelegenheiten zum Schmunzeln!

Der aktuelle Kanzlerkandidat der SPD, ein gewisser Olaf Scholz, tritt aktuell immer wieder mit einer für Politiker im Propagandastaat ungewöhnlichen Ehrlichkeit auf.

Über die experimentelle mRNA-Injektion sagt Scholz:

Wer nicht geimpft ist, läuft Gefahr, infiziert zu werden. Und deshalb bitte, auch an dieser Stelle, überzeugt eure Liebsten. Überzeugt die Leute im Stammtisch (sic!), überzeugt den Sportverein, überzeugt die Kollegin und Kollegen (sic!) im Betrieb: Wir alle waren gerne eure Versuchskaninchen. (Scholz im Video auf welt.de, 27.8.2021)

Scholzens auffallend ehrliche Offenbarung beginnt mit einer Quasi-Lüge – passend zur Wahrheitskrise. »Wer nicht geimpft ist, läuft Gefahr, infiziert zu werden« – es ist eine Lüge, wenn man nicht ergänzt: »und wer geimpft ist, auch.«

Jedoch, die Formulierung »Versuchskaninchen« ist wohl kein Ausrutscher. Scholz verwendet sie scheinbar öfter und also gern, etwa in einem Radiointerview (welt.de, 3.9.2021).

Wie man es erwarten würde, protestieren die Täter hinter diesem »Versuch« – beziehungsweise ihre Sprecher (»Vertrauen«, »50 Millionen«, »unverantwortlich«, bla bla bla).

Im Text »Du bist Teil dieses Experiments« (31.07.2021) nannte ich die mRNA-Injektionen das »größte Experiment der Menschheitsgeschichte«. (Übrigens: Ich habe den Titel jenes Essays auf ein T-Shirt geschrieben, auf Deutsch wie auch auf Englisch!)

Was eben noch die zugespitzte, glossierte Provokation eines einzelnen Essayisten war, das ist nun plötzlich die ganz selbstverständliche Nebenbei-Wahrheit eines Kanzlerkandidaten (welcher plötzlich ernsthafte Chancen hat, weil das Goldfischgedächtnis zu vieler Wähler vergisst, was für wirr-gefährliche Sozialisten wirklich in der SPD den Ton angeben – und weil der Cum-Ex-Skandal sich um Summen und Vorgänge dreht, die im »einfachen« Wähler keine Emotionen wecken).

Wer geimpft ist, der ist nun also fast-schon-amtlich ein »Versuchskaninchen«. Es ist ja nicht so, dass wir das nicht gewusst hätten – das Überraschende ist lediglich, dass »die da oben« es ganz offen zugeben. (Und ja, ich habe meinen bissigen Kommentar dazu ebenfalls zum T-Shirt gemacht: »Versuch’s doch, du Kaninchen«)

Deutschland und die Deutschen sind nicht nur Labormaterial in einem »Experiment«, »eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln« (Yasha Mounk in den Tagesthemen, siehe u.a. Essay vom 11.09.2020). Jetzt wird auch noch zugegeben: Zig Millionen Deutsche sind »Versuchskaninchen« in Sachen mRNA-Injektion – und die Pharmaindustrie muss auch weiterhin nicht für Schäden an den »Versuchskaninchen« haften, genauso wenig wie die mit Lügen und wackligen Zahlen operierende Politik.

Von Traurigkeit

Es ist ja nicht alles unwahr, was gesagt wird – und längst nicht das meiste wahr. Wenn man die Wahrheit mit Erde vergleichen wollte und die Lüge mit Wasser, so waten wir durch Schlamm. Wir waten durch einen Schlamm, in welchem sich Lügen und Wahrheit zu einer klebrigen Masse verbinden.

Als Kind habe ich die »Unendliche Geschichte« gelesen, und zu den Szenen, die sich mir einprägten, gehört jene vom Pferd Artax, das in den Sümpfen der Traurigkeit versinkt (ich erwähnte es im Essay vom 8.10.2019).

Wer sich sein Leben lang darauf verließ, dass es so etwas wie sichere Wahrheit gibt, dass die Regierungen und Propaganda-Abteilungen, die ihre Bürger unablässig belügen, weit fort auf fernen Kontinenten sind, der könnte heute tatsächlich ernsthaft traurig werden.

Wir werden angelogen. Manches ist wahr, anderes falsch – und was uns gesagt wird, wird uns gesagt, weil es unseren Gehorsam motivieren soll. Es ist ein Sumpf der halben Wahrheiten und der ganzen Lügen – und wir sind auch darin Versuchskaninchen, dass nicht jeder von uns gleich gut mit der Wahrheitskrise zurechtkommt.

Von Stabilität

Wir waten durch einen bösen Sumpf der Unwahrheit und kalten Absichten. Ich weiß nicht, wer mehr zu bedauern ist – der, welcher sich seiner Traurigkeit ergibt, oder der, welche erst gar keine Traurigkeit empfindet.

Wir sind nicht mehr geschockt, dass die Lügen offensichtlich sind, dreister und buchstäblich »un-verschämt«. Es ist heute wenig mehr als eine Randnotiz, wenn der deutsche Staatsfunk bewegte Videobilder aufwändig retuschiert und manipuliert, um die Realität an die eigene Vorstellung anzupassen, siehe bild.de, 3.9.2021: »Öffentlich-Rechtliche geben Manipulation zu«.

Wir waten durch einen Sumpf, und der einzige Weg zu entkommen ist eben der, einen festen Halt zu finden – unter den Füßen oder als überhängenden Ast über uns.

Wer an höhere Mächte glaubt, oder wer »Friends in high places« hat, dem wünschen wir, dass diese ihm als die »überhängenden Äste« dienen, welche ihn aus diesem Sumpf herausziehen.

Allen anderen aber, uns Gewöhnlichen, ist aufgetragen, sich selbst die Steine zu suchen, die unseren Füßen gerade genug Halt geben, im Sumpf nicht unterzugehen.

Diese Zeit ist nicht stabil. Dieser Zirkus wird abgebaut werden (und wenn ich sehe, wie clownesk sich alle drei Kanzlerkandidaten geben, vermute ich, dass das schon bald der Fall sein wird).

Lernt programmieren! (Und wenn ihr zu alt dafür seid, dann helft euren Kindern oder Enkeln dabei.) Sucht und berechnet, was euch wirklich wichtig ist, und dann ordnet eure Kreise!

Die sehen in dir ein Versuchskaninchen, wahrlich nicht nur in Sachen mRNA-Injektion – was siehst du in dir?

Weiterschreiben, Wegner!

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