Dushan-Wegner

24.09.2022

Das wahre Vergehen

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Foto von Sam Field
Erwarte nicht, dass man sich entschuldigt, wenn sich zeigt, dass du wieder richtig lagst. Dein wahres Verbrechen war, von der offiziellen Wahrheit abgewichen zu sein. Dass du damit richtig lagst, macht es in deren Augen nur noch schlimmer!
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Ich könnte in diesen Essay mit einem spontan ausgedachten Wort wie »Metamuster« einsteigen. Das ist präzise (obwohl es wie Beratersprache klingt), schmeckt aber leider zunächst etwas trocken – feuchten wir es an: »Du Hohlbirne, Hetzer, Schwurbler, Pack, braunes Gesindel, russischer Propagandatroll, Vollidiot, Abschaum, braunes Gesindel, bösartig, krank, verbitterter alter Mann!«

Denkwerkzeug

Diese Liste böser Begriffe war saftiger als der trockene Begriff »Metamuster«. Erholen wir uns kurz von solch schlimmen Ausdrücken, und zwar mit (ent-) spannender Theorie.

Wenn ich hier »Muster« sage, meine ich hier eine Formel, die sich aus den vorliegenden Ereignissen ergibt, und die Prognosen zu kommenden Ereignissen dieser Art erlaubt.

Die Vorsilbe »meta« soll hier (und generell) sagen, dass ein Phänomen auf einer höheren Ebene behandelt wird. (»Metaethics« untersucht etwa, wie Ethik zustande kommt.) Metaphysik ist das Nachdenken über die Natur der Natur. Und »Metamuster« wäre demnach entsprechend ein »Muster, das sich aus Mustern ergibt«.

Mit diesem Denkwerkzeug in der geistigen Hand wollen wir noch einmal die obigen derben Beschimpfungen betrachten!

Alle plötzlich hin

Wer in den sozialen Medien zum Thema Ukraine etwas anderes als Lobpreis für Zelenskij sagt, der wird vulgär angefeindet, und zwar mit dem ganzen Arsenal übelster Beschimpfungen, wie sie »die Guten« gern sagen: »Du rechte Hohlbirne«, »primitiver Hetzer«, et cetera (siehe oben).

Wir erkennen in deren »Argumentation« ein Muster: Zum Thema Ukraine ist nur eine Meinung erlaubt – und man muss noch nicht einmal gegen diese eine Meinung sein, um übel angefeindet zu werden: Heute genügt es bereits, eine ukrainekritische Meldung aus dem Februar 2021 zu zitieren, um das Schlangenzischen der sogenannten »Guten« zu hören (siehe auch Essay vom 1.3.2022).

Heute darf nur eine Wahrheit gelten. Es darf nur eine Meinung gemeint werden. Jede Ablenkung von der einen Meinung aber schließt dich aus der Gemeinschaft der »Guten« aus – wenn nicht sogar aus der Gemeinschaft der Menschen, die als solche behandelt werden sollten.

Um in den Augen der »Guten« seine Menschenwürde zu verscherzen, genügt es heute, sich auch nur an einzelnen Details des Themengebietes zu stören (etwa am Verhalten reicher Ukrainer, die im Luxus-Auto bei den »Tafeln« vorfahren und große Ansprüche anmelden; vergleiche mdr.de, 18.9.2022).

Wenn ein Mensch fragt, wo die ukrainische Korruption und die Nazis alle plötzlich hin sind, dann hat man keinesfalls in irgendeiner Form den Angriff des (berechnenden, aber womöglich eben falsch berechnenden) Putin auf die nach Westen tendierende Ukraine gerechtfertigt. 

Wer heute auch nur ein Jota vom einen erlaubten Dogma der Sankt-Zelenskij-Kirche abweichte, den will das dunkle Herz der »Guten« auf dem hell lodernden Scheiterhaufen »gecancelt« sehen.

Das ist ein Muster: Egal, was du heute zum Thema »Ukraine« sagst – wenn es nicht 1:1 die eine erlaubte Meinung ist, wird man dich (mindestens) übel beschimpfen.

Jedoch, ich sehe ein Metamuster, ein Muster der Muster.

Es ist nicht »nur« das Thema Ukraine, zu dem nur eine Meinung erlaubt ist, und zwar so weit, dass bei allgemeiner Zustimmung kleine Fußnoten anzubringen bereits als zu bekämpfende Ketzerei gilt.

Zu bestimmten Themen existiert in Deutschland de facto ein von Politik, Staatsfunk und Propaganda festgelegtes »offizielles« Set an Faktenlage, Deutung und Meinung.

Testen Sie es selbst!

Greifen Sie zufällig ein großes Thema der letzten Jahre heraus, und kaum jemand wird eine Schwierigkeit haben, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einzig erlaubte angenommene Faktenlage, Deutung und Meinung zu benennen.

Die erlaubte Meinung und Deutung der Faktenlage kann sich von einem Tag auf den anderen in ihr Gegenteil verwandeln – doch wer nicht sofort die eine erlaubte Meinung vertritt, wird beschimpft, beleidigt und nach Möglichkeit fertiggemacht.

Denken wir nur an das Jahr 2015 zurück! Es war Merkel selbst, die Anfang des Jahrtausends noch mit realistischen Tönen zum Thema »Einwanderung« ihren Rückhalt in der CDU ausgebaut hatte (siehe dazu Essay vom 4.2.2020: »Die Mutter aller Lügen«). Jedoch, nachdem die in DDR und Moskau geschulte »Jungkommunistin« (Zitat Lafontaine) an die Macht gelangt war, wurde in Deutschland zufälligerweise durch »weichen« Druck nur eine Meinung erlaubt – und zwar in Sachen Einwanderung das Gegenteil der merkelschen Zuwanderungs-Aussagen von 2002/2003. Wer aber 2015 dann von der einen erlaubten Meinung abwich, wurde und wird fertiggemacht.

Als Maaßen es wagte, der Chemnitz-Lüge der Kanzlerin zu widersprechen, verlor er seinen Job (siehe Essay vom 17.9.2018) – doch nicht die Lügnerin Merkel und ihre Anhänger wurden von den Anhängern des Leit-Narrativs übel beschimpft, sondern jener, der die Lüge herauszustreichen wagte. Wenn eine offensichtliche Lüge zur »offiziellen Wahrheit« erklärt wurde, dann gilt eben frei nach Tucholsky nicht der Lügner für gefährlich (und also beschimpfenswert), sondern derjenige, der auf die Lüge hinweist.

Wer Anfang 2020 empfahl, dieses neue Virus aus China ernst zu nehmen, der wurde vom Staatsfunk als rechter Spinner verhöhnt (siehe Essay vom 13.3.2020) und von der Politik für einen verrückten Verschwörungstheoretiker erklärt. Es sollte nicht lange dauern, bis offenbar von oben die Anweisung einer 180°-Kehrtwende erfolgte. Die Politik übernahm plötzlich die Warnungen der »rechten Spinner« – und übersteigerte sie ins Tausendfache.

Entschuldigte man sich bei denen, die gewarnt hatten und dafür beschimpft worden waren?

Natürlich nicht.

Dämlich lachend

Das Vergehen jener, die früh vor Corona gewarnt hatten – und dann vor überzogenen Reaktionen – lag nie in der mangelnden Richtigkeit der Aussagen, sondern im Abweichen von der einen »offiziellen Wahrheit«, die ein neues, abstraktes »Wahrheitsministerium« festgelegt hat.

Plötzlich galt wieder derjenige als »rechter Spinner«, »Schwurbler« und »Leugner«, der vor einer überzogenen Reaktion und Maßnahmen warnte (an welche sich die Politiker ja offenbar nicht immer selbst hielten).

Es ist eine wichtige Lehre: Erwarte nicht, dass man dich um Vergebung bittet, wenn sich zeigt, dass du wieder einmal richtig gelegen hast. Dein wahres Vergehen bestand die ganze Zeit doch darin, von deren »offiziellen Wahrheit« abgewichen zu sein. Damit auch noch richtig gelegen zu haben, das lässt deine Schuld nur noch schwerer wiegen!

Oder betrachten wir die deutsche Einstellung zu Russland. Wer, wie Trump, vor Jahren davor warnte, dass Deutschland von russischer Energie abhängig würde, der wurde von Vertretern der »richtigen« Meinung ausgelacht und beschimpft.

Wir erinnern uns an Maas & Co., wie die Truppe dämlich bei der UN über Trumps Warnungen lachte (bild.de, 27.9.2018, Essay vom 8.3.2022). Trump behielt Recht – doch wer Trump damals zustimmte, wurde übel beschimpft.

In derselben Rede warnte Trump übrigens auch vor den Mullahs im Iran. Auch dafür verhöhnten ihn die Iran-Versteher in Berlin. Heute heucheln deutsche Politiker nun Anteilnahme mit den Demonstranten im Iran – und scheinen sich nicht so recht entscheiden zu können, wen sie in Deutschland demnächst als »bösen Rechten« in dieser Angelegenheit beschimpfen werden.

Schießscharte und Drahtseil

Das berühmte Overton-Fenster, ist in Deutschland kein Fenster, sondern mehr so eine Schießscharte, die genau eine enge Perspektive erlaubt. (Als »Overton-Fenster« wird laut Wikipedia der »Rahmen an Ideen bezeichnet, die im öffentlichen Diskurs akzeptiert werden«.)

Wenn wir schon Sprachbilder neu anpassen, dann richtig: Der deutsche Meinungskorridor ist mehr so ein Drahtseil, und zwar eines, das alle paar Tage die Richtung wechselt.

Unterm Drahtseil erlaubter Meinung ist kein Rettungsnetz aus Meinungsfreiheit gespannt.

Unterm Drahtseil erlaubter Meinung kocht eine tödliche Schlangengrube, bevölkert von Journalisten, Propaganda-NGOs und all ihren willigen Helfern. Wer unachtsam vom Drahtseil erlaubter Meinung fällt, den beißen die Schlangen – dafür wurden sie gezüchtet, dafür werden sie bezahlt.

Tun und Wert

Als Nicht-Linke sind wir tendenziell etwas einfühlsamer und leider auch empathischer als Linke, und also können uns die hingeworfenen Beleidigungen linker Pöbler mehr verletzen, und uns mehr Emotionen abfordern, als das Tun dieser Leute es wert wäre. (Siehe auch Essay »Eine Brücke über den großen Graben« vom 15.12.2017.)

Und doch, und doch: Wenn wir mal wieder als »Hohlkopf«, »Putintroll«, »Rechter« oder »Schwurbler« beschimpft werden, dann dürfen wir zumindest auf der Ebene des Verstandes zu verstehen versuchen, dass dies keine inhaltliche Aussage ist.

Die Beschimpfungen, welche die sogenannten »Guten« absondern, folgen alle demselben »Metamuster«: Die schimpfen, weil wir es wagen, Fußnoten an die Einheitsmeinung zu setzen, oder ihr gar – oh Schreck! – ganz zu widersprechen.

Wenn sie dich für das Ergebnis deines Denkprozesses übel beschimpfen, dann bedeutet es oft genug, dass du zu Erkenntnissen gelangt bist, die denen verschlossen bleiben.

Wo die nicht mehr weiterdenken dürfen, denken wir frech weiter. Darum beneiden sie uns, und dafür hassen sie uns. Werden wir aber nur deshalb mit dem Denken aufhören? – Nein!

Es gilt, auch weiterhin: Prüfe alles, glaube wenig, denke selbst – und wenn sie dich fürs Denken beschimpfen, dann denke extra mutig weiter!

Weiterschreiben, Wegner!

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