Dushan-Wegner

26.05.2022

Der Idiot, den ich »Ich« nenne

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Foto von Alexandru Boicu
In Davos trifft sich der Great-Reset-Club, fliegt in Privatjets an und schmiedet Pläne, wie sie unser Leben »reduzieren«. Unsereins darf derweil gucken, wie wir unser Leben sinnvoll weitertreiben.
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Ich hadere mit dem Idioten, den ich »Ich« nenne, so schreibt mir ein Leser dieser Tage. Er fühlt sich ausgenutzt in seiner Situation, so fühle ich es in und zwischen den Zeilen.

Jeder Euro verdient sich mühsam, doch der Chef gibt Durchhalteparolen aus. Wir kennen das. »Tschakka, du schaffst das«, oder: »Wir sind eine Familie hier.«

Es ist natürlich nicht die einzige Nachricht, die ich dieser Tage lese. Da sind einerseits die anderen E-Mails, davon schmerzhaft viele unbeantwortet. Da sind aber auch die großen Weltnachrichten, und sie lassen sich wieder sehr kurz zusammenfassen: Die Verschwörungstheoretiker waren zu optimistisch, ihre Fantasie war nicht düster genug.

Die-da-oben geben ihre Pläne inzwischen offen zu. Der »Great-Reset-Club« trifft sich derzeit in Davos. Man fliegt in Privatjets an, schraubt sich mit Limousinen durch enge Bergstraßen, um Pläne darüber zu schmieden, wie sie unser Leben »reduzieren«.

Ich empfehle hier die alternativen Medien für Analysen und nützliche Deutung – die Mittelstrahl-Medien sind weiterhin eben das.

Es ist eine denkwürdige Zeit. Es herrscht Krieg. Superreiche treffen sich auf die denkbar dekadenteste Weise, um den »Great Reset« zu managen. (Randnotiz: Während in diesen Kreisen so offen wie stolz und wörtlich vom »Great Reset« besprochen wird, gibt es noch immer Bürger, die sich von der Propaganda einreden lassen, eben das sei eine »Verschwörungstheorie«. Man könnte sich fragen, ob diese Leute, wenn es einen »Idiotentest fürs aufgeklärte Bürgertum« gäbe, diesen bestehen würden.)

Der Zustand der Demokratie erinnert mich an »Tropic Thunder«. Jenes Meisterwerk ist ein Film über den Dreh eines Films. Robert Downey Jr. spielt »einen Kerl, der einen Kerl spielt, der als ein anderer Kerl verkleidet ist«. Im englischen Original: »I am a dude, playing another dude, disguised as another dude.« (Unbedingt den Chill-Remix dieses Zitats hören!)

Die Regierung will, dass man fleißig so tut, als sei all ihr Treiben »demokratisch«, und wer allzu frech Fragen stellt, bei dem kommen schon mal die Behörden vorbei. Man fragt ihn, warum er unbedingt all die lupenreinen Demokraten »delegitimieren« möchte.

Viren-Pandemien folgen aufeinander wie Film- oder Theater-Produktionen. Wir haben noch nicht einmal die Trümmer der letzten Panik-Maßnahmen aufgeräumt, und schon wird die nächste Pandemie getrailert.

Ja, all das jenseits des Punktes, an welchem man noch »Sorge« hat. Und doch, und doch. In mir ist eine nur halb rätselhafte Stille. (Ich beschrieb sie in »Hört nicht auf«.)

Lauter als all der Lärm dieser enttäuschend trivialen »Endzeit« – es wird nicht die letzte sein – klingen mir jene Worte eines Einzelnen in Ohr und Seele: »Ich hadere mit dem Idioten, den ich ›Ich‹ nenne.« – Es ist heute mir wichtiger und dringender als all der übrige Lärm zusammen.

Der Zweck des bewussten menschlichen Denkens ist es, eine Antwort auf die eine große Frage zu erarbeiten: »Was soll ich tun?«

(Ich selbst setze hier eine Art »konkretisierten Kantscher Imperativ« ein: »Handle stets so, dass du auch deinen Kindern raten würdest, so zu handeln.«)

Was würde ich meinen Kindern raten, was sie tun sollten, wenn sie irgendwann im Leben das Gefühl hätten, ausgenutzt zu werden und wie ein »Idiot« dazustehen? Was würde ich mir selbst raten? Welche Handlung werde ich tatsächlich ausführen?

Für jetzt will ich diese Antwort vorschlagen: Tue, was du für richtig hältst, auch wenn es nicht Spaß macht.

Wirklich problematisch ist es, wenn sich eine Tätigkeit für dich nicht richtig anfühlt. In Anlehnung an jene berühmte »Commencement-Speech« von Steve Jobs (siehe YouTube) wage ich zu antworten: Das Problem ist nicht, dass und wenn eine Tätigkeit keinen Spaß macht. Das ist Teil des Lebens. Das große Problem ist, wenn sich eine Tätigkeit über Tage, Monate oder sogar viele Jahre hinweg nicht richtig anfühlt.

Dies sind Zeiten der geschürten Dauerkrisen. Die Reichen werden reicher und die Mittelschicht fürchtet das Abrutschen. Der Mensch wird austauschbar und kann sich schon mal als »Idiot« fühlen.

Ich kann mich gut in jenen Leser hineinfühlen, und ich sage mir selbst: Lass dich nicht davon abbringen, dass es super anstrengend ist. Prüfe aber, ob es sich »richtig« anfühlt. Sollte es sich aber nicht richtig anfühlen, dann plane, wie du es »richtigstellst«. Und tue es zugleich zuerst sorgfältig und zweitens zeitnah.

Wenn du dich fühlst wie ein Kerl, der einen anderen Kerl spielt, der verkleidet ist als ein anderer Kerl – welcher »Kerl« ist der »richtige«?

Ob du ein superreicher Verschwörer in Davos bist oder ein simpler Malocher ganz ohne Privatjet, du hast nur ein Leben. Lass es anstrengend sein, ja, geh auch mal an die Grenzen deiner Kraft – doch stell sicher, dass es das richtige Leben ist.

Weiterschreiben, Wegner!

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