Dushan-Wegner

01.06.2019

Der Satz, der die-da-oben so schön ärgert: »Ich glaube das nicht!«

von Dushan Wegner, Lesezeit 9 Minuten, Bild von Ambir Tolang
Harvard preist Merkels »Wir schaffen das«. Es ist ein Glaubenssatz, wie manche »Wahrheit« heute. – Die Eliten hassen es, wenn Leute öffentlich »Ich glaube das nicht« entgegnen, und gerade deshalb tut es so gut, sich zu bekennen: »Ich glaube das nicht!«
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Demokratie ist, so besagt ein flapsig-zynischer Spruch, wenn zwei Wölfe und ein Schaf darüber abstimmen, was es zum Abendessen gibt. (Propaganda ist, so ließe sich ergänzen, wenn drei Wölfe tausend Schafe überzeugen, dass es ihr Schicksal sei, gefressen zu werden.)

Sollte eine Familie demokratisch organisiert sein, ein-Menschlein-eine-Stimme? Anders gefragt: Werde ich mit meinen Kindern darüber abstimmen, ob es Gummibärchen oder Salat zum Abendessen gibt? Nein.

Eltern sind benevolente Diktatoren, benevolent bis zur Selbstaufopferung, aber eben Diktatoren – ich will zumindest ein ehrlicher Diktator sein.

Ich sage: »Räume dein Zimmer auf, und dann geht der Tag weiter!« – Das ist keine Drohung, höchstens eine sanfte Erpressung, wenn der folgende Tag etwa aus Skateboarden oder Schwimmen bestehen soll; vor allem aber gewöhnen sich Kinder daran, im besten Sinne: Aufzuräumen ist Teil des Familienlebens, also bringen wir es hinter uns. Kinder mögen dem Aufräumen eher kritisch gegenüberstehen, aber die Ordnung wissen sie durchaus zu schätzen – die Ordnung in den Dingen, die Ordnung in Familienverhältnissen auch, und die Ordnung in den Abläufen nicht minder.

Ich könnte ja auch ganz anders meine väterliche Macht auszuüben versuchen, und damit meine ich nicht die liebevolle Überredung, wie Elli es angeht, sondern die Drohung mit ausgedachten Schreckgespenstern! Viele Jahrhunderte und wohl auch Jahrtausende lang wurde Kindern mit gruseligen externen Spukgestalten gedroht. Wer nicht brav ist, den holt Knecht Ruprecht, und steckt ihn in den Sack, oder der Butzemann, der böse Wolf; womöglich auch der »schwarze Mann« (wobei »schwarz« sich in diesem Fall wohl auf die Pest bezieht) oder der Schneider mit der Schere, und schneidet einem die Daumen ab!

Zweierlei hindert mich, auf solche rabiaten Maßnahmen zur psychologischen Erzwingung von Wohlverhalten zurückzugreifen: Erstens erscheint es mir moralisch fragwürdig (und nebenbei auch recht schwach, wenn man es bedenkt), für seine Autorität als Vater oder Mutter auf ausgedachte Horror-Figuren zurückzugreifen, zumal solcher Spuk die zarten Kinderseelen ernsthaft traumatisieren könnte – und das genügt mir bereits als Begründung, es nicht zu tun.

Der zweite Grund ist mehr eine philosophische Randnotiz: Die Begründung pädagogischer Autorität mit ausgedachten Kinderschreckfiguren birgt ein mögliches Problemszenario, dessen Eintreten mit fortschreitender Reife wahrscheinlicher wird; die zwingende Kraft der ausgedachten Schreckensfigur kann mit einem einzelnen Satz ausgehebelt werden, und dieser multidimensional destruktive Satz würde schlicht lauten: »Papa, ich glaube das nicht.«

Auch nur zu murmeln

Nicht alle Verantwortungsträger teilen meine Bedenken hinsichtlich der Begründung von Autorität durch Glaubenssätze, und – Sie ahnen es – ich rede nicht (mehr) von Eltern am Rande des Sofazusammenbruchs.

Es ist 2019, und – als wäre die Aufklärung nie passiert – werden politische Entscheidungen und Machtansprüche wieder mit dogmatischem, irrationalen Glaubenssätzen verteidigt. Was modernen Eltern richtigerweise peinlich wäre, das ist für die Eliten in Politik, Gesellschaft und Medien der neue Chic.

Vor kaum einem Monat war die angebliche »Elite-Universität« Harvard mit einem Rückfall in mittelalterliche Denkweisen in den Schlagzeilen. Linksbewegte Studenten hatten Harvards ersten schwarzen Dekan (genauer: »Faculty Dean«), Roland S. Sullivan, Jr., zu ihrem Feind erklärt. Sie sprühten Hass-Grafittis (siehe etwa thecrimson.com, 25.2.2019) und lancierten Online-Petitionen (siehe change.org). Sein angebliches »Vergehen« sei es, Teil des Verteidiger-Teams von Harvey Weinstein zu sein, dem diverse verbotene Manöver sexueller Natur vorgeworfen werden. Dass Sullivan einst Obama unterstützte, dass er öfter pro bono sozial Schwache vertrat – als Harvard-Jura-Professor – das alles war Harvards Linksbewegten egal – wer einen Bösen verteidigt, muss in deren Augen auch ein Böser sein.

Wie reagiert die Universität? – Wurden die Studenten, welche so grob gegen die Prinzipien des modernen Rechts verstießen, für ihr unflätiges, anti-demokratisches Verhalten gerügt? Wurden sie exmatrikuliert? Nein, auch hier ahnen Sie es: Sullivan wurde als » Faculty Dean«  entlassen (sein Vertrag wurde nicht verlängert) – samt seiner Frau, klar – wenn schon Mittelalter, dann richtig (Berichte: welt.de, 17.5.2019; thecrimson.com, 11.5.2019). Zumindest in dem Fall kann man feststellen: Harvard ist ein Ort, an dem, wenn der linke Mob nur laut und dreist genug ist, die Empörung über den Werten der Aufklärung steht.

Die Frau, die mit Hilfe erschreckend vieler unterwürfiger Helfer den politischen Kontinent Europa spaltete, die Gewissenlose, welche Deutschland auf viele Jahrzehnte beschädigte, diese DDR-Funktionärin, welche die CDU an sich riss und viel Leid über Deutschland brachte, diese Zerstörerin wurde nun an eben derselben »Elite-Universität« Harvard mit einem weiteren Ehrendoktor behangen (siehe etwa nytimes.com, 30.5.2019).

In Deutschland wird Merkel auf öffentlichen Veranstaltungen furios ausgepfiffen und im Bundestag gibt es wieder eine Opposition, doch in Übersee, unter den (angehenden) US-Eliten konnte Merkel endlich wieder genießen, ihre kindischen Sinnbrocken unterzubringen (siehe auch: »Festgemauert in den Phrasen«, faz.net, 1.6.2019). Dass sie dabei für Dinge geehrt wird, gegen die sie politisch aktiv war – etwa die Einführung der Homo-Ehe, gegen welche sie stimmte! – geschenkt; die Glaubenssätze von Linken sind auf Lügen gebaut, aber das wissen wir bereits.

Merkel sagte Dinge, die sich als »Anti-Trump« deuten ließen (»Mauern können einstürzen«), und dafür gibt es unter Linken und Globalisten, hüben wie drüben, wenig logische Nachfragen, aber viel Applaus. Massiv bewacht und von uns, dem Pöbel, abgeschirmt, so predigt es sich gut von der Offenheit. Die Eliten mögen Merkel, die ihr Land kaum noch beim Namen nennen mag, und sie hassen Trump, der sein Land liebt und verteidigt – so weit nichts Neues – und doch ist da ein verräterisches Detail.

Im fernen Harvard, weit weg vom Breitscheidplatz, weit weg von den Brennpunkten und No-Go-Areas, weit weg von kippenden Schulen und verlorenen Stadtteilen, ganz besonders weit weg von den neuen Gräbern, weit weg und aus sicherer Entfernung wurde Merkel ganz explizit für ihren Satz »Wir schaffen das!« gepriesen (siehe etwa welt.de, 31.5.2019).

Sie wolle, »für das einstehen, was sie für richtig halte«, sagt Frau M. in der Ferne, zu Standing Ovations – doch davon abgesehen, dass es ein Kalenderspruch ist: Na und? Dafür einstehen, was man für richtig hält, das tut jeder Verrückte und jeder IS-Kämpfer. (Übrigens auch jede Mutter und jeder Vater, aber erklären Sie das mal den »Eliten«.)

Doch, selbst wenn wir es ernst nehmen: Wissen Sie, wer nicht dafür einsteht, was er angeblich für richtig hält? Merkel. Sie bezieht nicht eine Wohnung in Neukölln, sie wohnt nicht im Ruhrgebiet in der Nähe eines möglichen Treffpunktes von IS-Sympathisanten, und selbst wenn sie Kinder hätte, würden diese gewiss nicht eine »Brennpunktschule« besuchen – wohl aber sicherlich Harvard, wo Eliten von ihrer ach-so-moralisch-erhabenen Offenheit faseln – wohlbeschützt vom »Harvard University Police Department«, inklusive, unter anderem, Einlasskontrollen, Campus-Shuttle-Service, Begleitservice – ja, mit genug Security redet es sich leicht von edlen Werten!

Merkel sondert an diesem Punkt ihres Schaffens wenig mehr als wohlfeile Glaubenssätze ab. Man könnte es belächeln, wäre da nicht das »Detail«, dass Eliten diese Glaubenssätze uns, dem Fußvolk, den »Deplorables« (H. Clinton) als verpflichtende Glaubenswahrheit vorgeben.

»Wir schaffen das!« ist ein Glaubenssatz, den die Eliten von dir noch einfordern, während du deinem Kind die Stichwunde verbindest, während du mit Wut und Tränen deine Heimat zurücklässt.

»Wir schaffen das!«, so lautet der Glaubenssatz, den die fernen Eliten nun priesen, und es ist dadurch nicht weniger gefährlich geworden, auch nur zu murmeln: »Ich glaube das nicht.«

Wer Geld hat

Der vermutliche gefährlichste Satz der Welt, ist heute, noch immer: »Ich glaube das nicht.«

Wenn Sie Bürger eines jener sonnigen Staaten sind, in welche unsere moralisch so erhabene Regierung deutsche Waffen oder allgemeine Technik exportieren lässt, und wenn Sie dort zum Thema der Staatsreligion erklären, »Ich glaube das nicht!«, dann stehen die Chancen eher düster, dass Sie im Rest Ihres ab da wohl kurzen Lebens nochmal das Sonnenlicht erblicken.

Falls Sie selbst keine Kinder in deutschen Schulen haben, fragen Sie doch jemanden, dessen Kinder mit »linksgrünem« Lehrpersonal gesegnet sind, wie es einem ketzerischen Kind ergeht, welches mutig der Gehirnwäsche mit »ich glaube das nicht« widerspricht.

Wer Geld hat und noch mehr davon will, spekuliert heute mit »CO2-Zertifikaten« (siehe etwa welt.de, 22.5.2019: »So retten sie die Welt – und verdienen Geld dabei«), doch wer die zugrundeliegenden Glaubenssätzen auch nur etwas ankratzt, gilt als »Leugner« und wird geächtet.

In der Geschichte wurde die Sklaverei mit Glaubenssätzen begründet; die Monarchie wurde mit dem Gottesgnadentum (»Dei gratia«) begründet, also ebenfalls mit Glaubenssätzen. Einer der inneren Motoren des amerikanischen Kapitalismus ist bis heute die »Prosperity Gospel« (»Wohlstandsevangelium«), wonach Geldvermögen und »wahrer« Glaube zusammengehen – in beide kausalen Richtungen!

Ob strahlender Kapitalismus oder schattige CO2-Zertifikate, ob Monarchie, Sklavenhandel oder die Verschandelung der Landschaft durch gefährlichen Stahlschrott: Wenn irgendwer damit viel Geld verdient, wird es zum Glaubenssatz erklärt – das ist, anders als das »Amen« in heutigen Kirchen, nach wie vor sicher.

Die jeweils aktuellen Glaubenssätze der Zeit können die Sklaverei, die Monarchie, die Vorrangstellung der Kirche oder irgendwas mit Klima betreffen. Die Leute, die Geld daran verdienen, werden versuchen, einerseits die Masse aufzuwiegeln, »Ungläubige« zu strafen und auszustoßen, andererseits Abweichler direkt anzugreifen und »unschädlich« zu machen.

Die Inhalte wechseln, doch zwei Aspekte bleiben über die Zeiten und Kulturen hinweg gleich: Erstens verdient jemand viel Geld an den offiziellen, nicht-zu-hinterfragenden Glaubenssätzen, und deshalb wird zweitens »Ich glaube das nicht« zum potentiell gefährlichen Satz, wenn er sich auf das jeweils aktuelle Credo bezieht.

Die Handlungen des Menschen folgen seinen Überzeugungen. Wer den Menschen eine Überzeugung aufzwingen kann, der kontrolliert indirekt ihre Handlungen, sprich: Er übt Macht über sie aus – und so kann er von den teils unsinnigen, aber ihm nützlichen Überzeugungen profitieren.

Wer die offiziellen Wahrheit mit »Ich glaube das nicht« ablehnt, weil sie schlicht absurd und leicht überprüfbar falsch ist, der entzieht sich der Macht mächtiger Profiteure, und wenn er andere Menschen überzeugt, es seinem Unglauben gleichzutun, der greift direkt die Macht der Glaubensprofiteure an – ein riskantes Geschäft.

Still, aber deutlich

»Ich glaube das nicht« ist einer der gefährlichsten Sätze der Welt, doch es ist der Satz, mit dem die innere Freiheit beginnt.

Ich rede meinen Kindern keine Spukgeschichten ein, keine perfiden Glaubenssätze, auf denen ich meine Autorität aufbauen wollte – und ich lasse mir keine unsinnigen Glaubenssätze aufoktroyieren, selbst wenn diese 24 Stunden am Tag im Staatsfunk verkündet werden.

Zu wählen, was man selbst als wahr erkannt hat, und sich seine Zweifel an der offiziellen Wahrheit zu gestehen, das ist der Beginn der inneren Freiheit. – Demokratie sollte auch bedeuten, dass auch der kleine Bürger den Regierenden und Meinungsmachern so laut, wie es ihm beliebt, »Ich glaube euch nicht!« ins Gesicht brüllen darf, und was sagt es uns, dass sich das heute immer weniger Menschen trauen?

Ich kann es gut verstehen und ich verurteile niemanden, der aus berechtigter Sorge um seine Familie lieber nicht allzulaut »Ich glaube das nicht!« ausruft. – Wer seine Arbeitsstelle oder seine Aufträge nicht verlieren und die Schullaufbahn seiner Kinder nicht gefährden möchte, wer es nicht riskieren mag, seine Familie ins Visier der Antifa zu bringen, der hat gute Gründe, »Ich glaube das nicht!« höchstens nur still zu murmeln.

»Ich glaube das nicht!« ist ein gefährlicher Satz, der viele Leute ärgert, also brüllen Sie ihn nicht allzu laut in die Welt hinaus – es sollte immer ein Morgen geben, einen nächsten Tag.

Für uns selbst jedoch, vor unserem Gewissen, im Allerprivatesten, da dürfen wir, um nicht zu zerbrechen, leise aber deutlich feststellen: Ich glaube das nicht.

Weiterschreiben, Wegner!

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