Dushan-Wegner

15.01.2022

Quarantäne: Medizinisch sinnvoll oder perfide Haftstrafe?

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Foto von Bisakha Datta
Geimpfte können sich infizieren und andere anstecken, aber angeblich sind Symptome geringer. Ergo: Wenn es um Gesundheit ginge, müssten Geimpfte nicht ebenfalls in Quarantäne gehen, und dazu extra streng beobachtet werden, um Symptome nicht zu übersehen?
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Wir alle mögen einen Bierdeckel! Wer hat denn nicht im Gespräch mit seinen Freunden mal mit einem Bierdeckel gespielt und dabei schon mal gedankenverloren die Pappe in kleine Stücke zerrissen? (In traditionellen Kölner Kneipen ist das problematisch, denn da gilt der Bierdeckel als Kreditkarte: ein Kölsch ein Strichlein.)

Wenn Politik oder Propaganda sich in Schulbuch-Populismus üben wollen, behaupten sie, dass Regeln oder Anordnungen so einfach sein sollten (oder bereits so einfach sind) – dass sie »auf einen Bierdeckel« passen, und das gilt dann als Qualitätsmerkmal.

Friedrich Merz war etwa bekannt für seine Forderungen nach einer simplen Steuererklärung, die so einfach sein sollte, dass sie auf einen Bierdeckel passt. Natürlich war die Bierdeckel-Forderung populistischer Bullshit, aber ein Bullshit von der Art, wie Journalisten ihn gern auflecken – womit wir so halb bei einer Meldung des Tages wären!

Corona-Bierdeckel

Wir lesen aktuell wieder von einem »Bierdeckel«, und diesmal geht es wenig überraschend um Corona.

Wenn ein Medienkonzern im Propagandastaat die neuen Regeln der staatlich verordneten Corona-Panik verkündet, dann klingt das regierungsgenehme Gejubel so:

So einfach geht Corona-Quarantäne – Die neuen Regeln passen auf ’nen Bierdeckel (bild.de, 15.1.2022)

Als verantwortlicher Journalist zeichnet ein »Sören Haberlandt«. Zur sogenannten »Wahl« in den USA 2020 tweetete er übrigens »WE DID IT« (@SorenHaber, 7.11.2020), und retweete damit Kamala Harris. Jetzt erklärt dieser Herr dem Volk eben: »So einfach geht Corona-Quarantäne«. Ich prophezeie Herrn Haberlandt eine erfolgreiche Karriere mit vielen Journalismuspreisen.

Teil der neuen Regeln ist die Verkürzung der Quarantäne von 14 Tagen auf 10, so erfahren wir.

Zweite Regel soll sein, dass es Ausnahmen gibt, und zwar für »Geboosterte«, »Doppeltgeimpfte« und »Genesene«, und das gilt je ein Vierteljahr.

Die Quarantäne soll gelten, wenn man Kontakt zu einem Infizierten hatte – aber eben nur für Ungeimpfte!

»Vaccinated people easily transmit Delta variant«

Wenn der Journalist vom Springer-Medienkonzern das wäre, was ich früher mit »Journalist« meinte, dann hätte er nachgehakt: Moment, es ist inzwischen Allgemeinwissen, dass Geimpfte und Geboosterte infiziert werden und auch das Virus weitergeben können. Warum also nur Quarantäne für Nicht-Injizierte?!

Drei Schlagzeilen dazu in der Auslandspresse:

Covid: Double vaccinated can still spread virus at home (bbc.com, 28.10.2021)

Zu Deutsch etwa: »Covid: Doppelt-Geimpfte können das Virus noch immer daheim verbreiten«.

The Risk of Vaccinated COVID Transmission Is Not Low (scientificamerican.com, 16.12.2021)

Zu Deutsch etwa: »Das Risiko der Covid-Übertragung durch Geimpfte ist nicht niedrig«.

UK study finds vaccinated people easily transmit Delta variant in households (reuters.com, 28.10.2021)

Zu Deutsch etwa: »Britische Studie stellt fest, dass Geimpfte daheim die Delta-Variante leicht weitergeben können«.

Man findet diese Geständnisse wohlgemerkt seit einigen Monaten nicht mehr nur in freien Nachrichten (wie in Deutschland etwa »Freie Denker«), sondern auch, wie hier zitiert, zumindest im englischsprachigen Mainstream.

»might«, »may«, »appears«

Einige englischsprachige Mainstream-Quellen behaupten zwar, dass die Ansteckung und Übertragung durch die mRNA-Injektion geringer werden, doch sie scheinen es meist mit solchen Einschränkungen zu versehen, dass man in solcher Formulierung auch einen Mord unterstellen könnte ohne belangt zu werden (»man hört, er könnte, unter Verdacht stehen, eventuell…«).

(Zur Übung kann man sich ja die entsprechende Seite bei mayoclinig.org vornehmen und all die einschränkenden Vokabeln herausstreichen: »might«, »currently«, »small percentage«, »may spread«, »it appears«, und als Krönung: »Vaccination also might make illness less severe« – wenn das exakte Gegenteil der Fall wäre und die »Impfung« die Krankheit sogar verschärfen würde, hätten die Autoren »technisch nicht gelogen« – sie haben ja oft genug die Sicherheit ob der Wahrheit ihrer Aussagen eingeschränkt.)

Das Bierdeckel-Problem

Die bildliche Sprache, wonach etwas »auf einen Bierdeckel« passt, ist regelmäßig Populismus – und zwar textbuchmäßig, also ein konkreter Vorwurf nach der Populismus-Definition, die ich in »Talking Points« vorlege: Indem ich Populismus bescheinige, werfe ich vor, dass eine Aussage, eine Forderung oder eine Regel das zugrundeliegende Problem unangemessen vereinfachen.

Unangemessen zu vereinfachen bedeutet, Aspekte wegzulassen, die der Zuhörer bei vollständiger Betrachtung der Angelegenheit nach aller Erfahrung lieber berücksichtigt gesehen hätte.

Der Mensch will Energie sparen, das hat die Evolution so vorgesehen. Mit wenig Aufwand viel zu erreichen fühlt sich »sexy« an, geradezu erotisch. Das Auto ist »sexy«, weil man mit der wenigen Energie, die es braucht, das Gaspedal zu betätigen, ungeheuer viel Motor-Energie entfesseln kann. Populismus ist sexy, weil der Hörer das Gefühl vermittelt bekommt, mit wenig Denkaufwand »ganz große Räder« drehen zu können.

Wenn ich sage, etwas sei »populistisch« stelle ich (anders als Politik und Propaganda Ihnen in Talkshows etc. weismachen wollen) nicht eine objektive Eigenschaft fest, sondern erhebe einen konkreten Vorwurf, den ich selbst wieder verteidigen können sollte.

Wer etwas »populistisch« nennt, sprich: es als »unangemessen vereinfachend« beschreibt, muss angeben können, worin 1. die Vereinfachung besteht, und 2. warum sie unangemessen sein soll.

Gestaffelt nach Grad

Die Forderung nach der Steuererklärung auf dem Bierdeckel »vereinfacht«, indem sie schlicht alle Sonderregelungen des Steuerrechts wegwerfen will. Diese Vereinfachung ist unangemessen, weil der erste Zweck der vielen Sonderregelungen des Steuerrechts eine Näherung an das Ideal der Gerechtigkeit sind.

Ein Beispiel von sehr vielen: Es würde sich ungerecht anfühlen, wenn ein Behinderter das Geld, das er zum Ausgleich seiner Behinderung braucht, so er überhaupt ein »normales« Einkommen verdient, auch noch voll versteuern muss. Deshalb gibt es pauschale Freibeträge, gestaffelt nach Grad der Behinderung; §33b Einkommensteuergesetz. Eine Bierdeckel-Steuerklärung würde auch das streichen. Es wäre eine unangemessene Vereinfachung, finde ich, und deshalb nenne ich die Forderung populistisch.

Die »Quarantäne-Regeln auf einem Bierdeckel« klingen, so dürfen wir sagen, auf ähnliche Weise populistisch, denn sie vereinfachen das zugrundeliegende Problem auf unangemessene Weise.

Was ist denn der Zweck der Quarantäne-Regeln? Vorgeblich sollen sie dazu dienen, die Verbreitung einer schlimmen Seuche zu verhindern – ebenso wie die mRNA-Injektion.

Nun scheint aber festzustehen, dass die mRNA-Injektion weder vor Ansteckung noch vor Erkrankung noch vor Weitergabe schützt – doch populistisch (also: unangemessen vereinfachend) wird dies bei den »Bierdeckel-Regeln« nicht berücksichtigt.

De facto bedeutet die neue Quarantäne-Regel: Wer einen Infizierten trifft und nicht »geimpft« ist, der muss augenscheinlich nicht aus medizinischer Notwendigkeit, sondern als blanke Schikane und Strafe für Ungehorsam in Haus-Gefangenschaft gehen.

Einen Sinn oder nicht

Wenn es wirklich exakt nur um eine Krankheit geht, und wenn die Krankheit tatsächlich einen milderen Verlauf durch die Impfung nimmt, dann müsste doch logischerweise der Geimpfte nicht nur ebenso nach Infizierten-Kontakt in Quarantäne gehen, sondern seine Quarantäne müsste noch strikter überwacht werden, denn bei ihm wäre es wahrscheinlicher, dass Symptome übersehen werden, er aber dennoch ansteckend ist!

Die neuen Quarantäne-Regeln klingen mir populistisch – und de facto sind sie nichts anderes als eine Androhung von Haus-Gefangenschaft für Ungehorsame – ob es medizinisch einen Sinn ergibt oder nicht.

In meinen Ohren

Ich weiß nicht, woher der Journalist von der BILD-Zeitung die Idee für die aufwändige Bierdeckel-Grafik hat. Sitzt man bei der BILD zusammen und überlegt, wie die neuen Regeln der Regierung besonders eingängig »verkauft« werden können? Die BILD-Zeitung sagt, dass sie frei und unabhängig ist, also werden solche Ideen bestimmt nicht in Kooperation mit den Profi-Bullshittern von Regierung oder Pharmafirmen entwickelt worden sein.

Jedoch: Ich vermag spontan nicht zu sagen, was solche Journalisten anders täten, wenn sie einfach nur bezahlte Propagandisten einer Undemokratie wären.

Ich weiß, was ich Populismus nenne. Ich weiß, dass ich diese Vereinfachung der Quarantäne unangemessen finde – und dass meiner Meinung nach ein Journalist dies hätte erkennen und anprangern müssen – statt etwas zu schreiben, was in meinen Ohren wie blanke Propaganda klingt.

Debatte und Lernen

Bierdeckel tragen das »Bier« im Namen, doch hier liegt eine andere Redensart nahe, und sie hat mit einem meist süßeren Getränk zu tun, nämlich dem Kakao.

Ich allein kann nicht verhindern, dass unlogische und schikanierende Regeln erlassen werden.

Ich muss aber nicht so tun, als würden diese Regeln einen Sinn ergeben.

Um es im Geist von Erich Kästner zu sagen: Wir sollten nicht so tief sinken, von dem Kakao, durch den man uns zieht, auch noch zu trinken.

Weiterschreiben, Wegner!

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