Ich bin konservativ und liberal, und das darf man in Deutschland nicht sein. – Wer hat es gesagt? Wissen Sie es schon? Und weiter: »Man darf ja auch heute nicht seine Meinung sagen in Deutschland. Versuchen Sie das doch mal! Ein Schritt vom Wege, und Sie sind erledigt.«
Und, wissen Sie, wer das sagte? – Es war Walter Kempowski. Veröffentlicht wurde es Juli 2007 in der Schweizer Weltwoche, Sie wissen schon, die Zeitung, wo der kluge Roger Köppel der Chef ist. Im Oktober desselben Jahres war Kempowski tot, doch die Worte gelten noch immer: Man darf ja auch heute nicht seine Meinung sagen in Deutschland.
Haben Sie davon gewusst?
In Kempowskis ausführlichem Werk (Romane, Tagebücher, Essays) tragen zwei Bücher einfach nur eine Frage als Titel. Es sind »Haben Sie davon gewußt?« und »Haben Sie Hitler gesehen?« – der Inhalt dieser Bücher besteht aus den Antworten auf diese Fragen. Kempowski befragte Deutsche zu ihrer Erinnerung ans Dritte Reiche und er notierte ihre Antworten. Ein so einfaches wie brillantes Konzept. Selbst ohne die vielen Fragmente gelesen zu haben, kann man ahnen, in welche Richtung die Antworten tendieren werden. Wenn man die Fragmente dann liest, ist es gerade die Nonchalance, mit der angebliches Nichtwissen behauptet wird, die uns schockt (man hörte Gerüchte, ja, aber sicher wissen, das konnte man sich nicht vorstellen) – und die dokumentierte Verehrung des teuflisch Absurden (die Frau, deren Nachbarin bei den Ansprachen Hitlers ihr Radio streichelte, et cetera). Manchmal sind es gerade die bürokratischen Banalitäten, die einen schocken, etwa von der Angewohnheit der Nazis, im KZ Ermorderte via Vordruck als »an Herzversagen gestorben« zu gruppieren. Über Kreuz lässt das eine das andere jeweils umso schrecklicher wirken: Die wenigen Befragten, die frank und frei ihr Mitwissen zugeben, und die Mehrheit, die ihr Nichtmitwissen und damit impliziert wohl ihre Nichtmitschuld zu Protokoll gibt.
Darf man vergleichen?
Darf man das Heute mit dem Damals vergleichen? Ja, man darf und man muss. Gerade die Undemokraten, Zensoren und Freiheitsfeinde, deren Verhalten und Gesinnung auffallend dem wahnsinnigen großdeutschen Kleingeist von damals ähnelt, nennen jeden ihrer politischen Gegner (also die vernunftapplizierende Sektion des politischen Diskurses) schon beim kleinsten Widerspruch einen »Nazi« und »rechtsextrem« – doch weist man sie darauf hin, dass sie vielleicht tatsächlich in einen Spiegel brüllen, brüllen sie einfach weiter, und fügen noch ein »Verharmlosung« an.
Ja, man muss das Heute mit dem Gestern vergleichen. Die Linken von heute werden in mancher Hinsicht vom ähnlichen Geist getrieben wie die echten Nazis von damals: Hass auf Abweichler, rücksichtslose Machtsucht, Entmenschlichung des politischen Gegners, Verachtung von Demokratie und Rechtsstaat – während man demokratische Mittel ausnutzt und ausnutzt, bis man selbst an der Macht ist.
Wir dürfen und müssen das Heute mit dem Damals vergleichen, aus einem simplen Grund: Dieselben menschlichen Schwächen, die zum Leid von damals führten, führen heute zu einem anderen Leid. Die Linke von heute ist getrieben von denselben unguten Säften des Geistes wie die Nazis von einst – Machtsucht, Intoleranz, Vulgarität – und das Ergebnis ist auch diesmal viel Leid.
Die nächste Frage wird heißen: Warum wurdest du nicht »rechts« genannt?
Im September 2018 hatte der deutsche Staatsfunk und die Regierung ein Videoschnipsel, aufgenommen von Antifa-Schlägern, zum Anlass genommen, über angebliche »Hetzjagden« in Chemnitz zu berichten. Teilnehmer, Polizei und der Chef des Verfassungsschutzes hatten Zweifel an der Wahrhaftigkeit dieser Aussagen.
Die Konsequenz? In einer anständigen Demokratie wäre die Kanzlerin, wenn sie bei einer solchen Verleumdung ihrer eigenen Bürger erwischt worden wäre, zurückgetreten. Nicht so in Deutschland. Die Rechtgläubigen von Berlin forderten den Kopf des Verfassungsschutz-Chefs (siehe »Berliner Inquisition, Maaßen und die Scheiterhaufen des Wahrheitssystems«).
Es ist erschreckend, wie offen die linksgrüne Priesterschaft fordert, dass jeder, der nicht ihre Phantasie-Version der Wahrheit akzeptiert, politisch hingerichtet wird (siehe auch: »Wenn die Lüge gratis ist, dann hat die Wahrheit einen Preis«).
Linksgrüne haben eine neue Lieblingsvokabel für Menschen, welche die offizielle, aber offensichtlich falsche Wahrheit anzweifeln: »Rechte«, oder für besonders notorische Wahrheitssager: »Rechtsextreme«.
Wie ein Ketzer
Jürgen Trittin ist angeblich ehemaliger Marxist und Trotzkist, ehemaliges Mitglied des beobachteten »Kommunistischen Bundes« und ein bekanntes Mitglied der Grünen, derer Chef er zeitweilig war. Heute, im Alter, wo andere Menschen dann doch etwas Weisheit finden, fällt Trittin eher durch radikale Äußerungen gegen Abweichler auf – zum Beispiel gegen den Chef des Verfassungsschutzes.
Herr Maaßen (der übrigens, stand 24.10.2018, noch immer Chef des Verfassungsschutzes ist, bis ein Nachfolger gefunden ist), hat die Ungeheuerlichkeit gewagt, sich gegen die Verleumdungen durch den Staatsfunk zu wehren. Es hat einen Geschmack von impliziter Unterwerfung, dass er sich in einem Brief an die ARD wehrt, wie ein Ketzer, der einen verzweifelten Brief an die Inquisition schreibt, aber gut, immerhin wehrt er sich (siehe spiegel.de, 23.10.2018).
Dass ein Prominenter die Chuzpe aufbringt, die reale Wahrheit hochzuhalten gegen die politische korrekte Wahrheit, das ist natürlich ein Affront gegen die neuen Hohepriester (und die, die es gerne wären, selbst wenn ihre Zeit vorbei ist).
Trittin schreibt:
»Der Rechte vom #Verfassungsschutz wiederholt keine (sic!) Medienschelte – er beschimpft erneut Regierungssprecher @RegSprecher Allein dafür müsste #Merkel den #Maassen feuern – hat sie aber nicht mehr im Kreuz« (@JTrittin, 23.10.2018/archive.is)
Herr T. meint wohl »seine« Medienschelte, nicht »keine«, aber gut, in der Hektik des politischen Twitter-Nahkampfs am frühen Morgen kann die Autokorrektur schon mal den Sinn ins Gegenteil umdrehen.
Was macht einen Menschen nach dieser Logik »rechts«? Dass er darauf besteht, dass Politiker die Wahrheit zu sagen haben? Interessant. Herr T. ist nicht allein! Auch die Noch-immer-Kommunisten jener Partei, die – bevor sie sich umbenannte – Menschen foltern ließ, wenn sie unangenehme Wahrheiten aussprachen, und erschießen ließ, wenn sie fliehen wollten, stimmen in den »Wahrheit ist rechts«-Chor ein – ein Beispiel:
»Er kann es einfach nicht lassen. Ein rechter Überzeugungstäter, der Herr #Maaßen« (@katjakipping, 23.10.2018, archive.is)
Die Dysphemismus-Mühle
Die Euphemismus-Mühle ist jenes Phänomen, wonach Wortneuschöpfungen und Euphemismen (wie »Migrationshintergund« statt »Ausländer«) schnell die Bedeutung des alten Wortes annehmen, denn anders als die Politische Korrektheit es sich wünscht, gehen Probleme nicht durch Umbenennung weg.
Wir entdecken derzeit das Gegenstück zur Euphemismus-Mühle, die Dysphemismus-Mühle: Linksgrüne und Haltungsjournalisten suchen nach immer neuen »bösen« Worten für Abweichler und Selbstdenker. Man hat es lange mit »Nazi« versucht, doch das »zieht nicht mehr«. Man versuchte es mit »Hitler« (das ging sehr peinlich in die Hose, als man sich selbst dabei erwischte, der »eigentliche« Hitler zu sein, siehe auch »Kann der Tanker Deutschland noch die Richtung wechseln?«).
Man dreht derzeit etwas zurück und nennt einfach jeden »rechts«, der sich weigert, die quasi-offiziellen Lügen zu wiederholen. Doch, weil auch »rechts« nicht immer zieht, ist »rechtsextrem« bzw. »Rechtsradikal« ein neuer Dysphemismus für kritische Stimmen (siehe etwa Felix Dachsel, Chefredakteur Vice Deutschland/ archive.is; oder die Grünen via handelsblatt.com).
Schon immer alle
Wenn es in zehn und zwanzig Jahren noch überhaupt ein Deutschland gibt, dann werden sie alle behaupten, schon immer als »Rechte« bezeichnet worden zu sein.
»Rechts« hat heute keine politische Konnotation mehr. Sicher, es gibt noch politische Meinungen, die nach traditioneller Deutung als »rechts« zu verorten sind, und es gibt Individuen, die das sind, was man früher eben »rechtsextrem« nannte; vor allem für die Glatzköpfe mit den Runen auf den T-Shirts (die es ja noch weiterhin gibt) wird es neue Ausdrücke brauchen, und das ist ein Problem, denn »rechtsextrem« wird heute selbst für Demokraten verwendet, die auf von Linken verpönten Werten wie Demokratie, Rechtsstaat und Vernunft beharren.
Als »Rechts« beschimpft zu werden bedeutet heute meistens, dass man die Chuzpe besitzt, die Wahrheit zu sagen und die Vernunft über die Emotion zu setzen. Der Verstand gilt als »rechts«, die Logik sowieso, und Gewissen, ja, Gewissen gilt heute als »rechtsextrem«.
Heute »rechts« als Schimpfwort zu benutzen ist zuerst ein Schuldeingeständnis des Beschuldigers. »Du Rechter« bedeutet heute »ich Mitläufer«.
Ich kenne viele anständige Menschen, und sie sind sehr verschieden, doch sie haben eins gemeinsam: Wer heute anständig ist, wer auf sein Gewissen hört, wer die Augen nicht verschließt, sondern seinen Verstand einsetzt und die Wahrheit sagt, der wird bald als »rechts« oder sogar »rechtsextrem« beschimpft. – »Rechts« steht heute nicht für eine politische Richtung, sondern für die störende Gewohnheit, seinen Verstand zu gebrauchen.
Das öffentliche Geplärre war noch nie ein guter Ratgeber, damals nicht und heute nicht. Die Folgen öffentlicher Dummheit mögen heute andere sein als in den Zeiten, die Kempowski abfragte, doch die Ursachen ähneln sich frappant.
Folge deinem Gewissen, ob die Propaganda dich gerade einen »Kommunist« nennt oder einen »Rechten«. Habe den Mut, dich deines Verstandes zu bedienen, gerade dann, wenn die Propaganda mit Herzchen, Dramatik und großen Gefühlen an deine Instinkte appelliert.
Wenn du heute nicht ein »Rechter« genannt wirst, halte inne, und frage, was du falsch gemacht hast – bald werden all die Wendehälse behaupten, sie seien schon immer ein »Rechter« genannt worden.