Es gibt ein Kompliment von euch, meinen Lesern und Zuschauern, bei dem zucke ich jedes Mal zusammen. Dieses Kompliment geht etwa so: »Super, Herr Wegner, das sehe ich genauso!«
Ist es wirklich »super« von mir, wenn ich deine Meinung bestätige? Ich will nützlich sein. Ich nütze dir noch nichts, wenn ich dir bloß sage, was du hören willst!
Ja, ich fürchte die Bestätigung. Nicht obwohl, sondern weil sie so wohltuend ist. Ich will euch nicht bestätigen.
Der Bestätigungsfehler (English: confirmation bias) ist ein »mentaler Filter«.
Schutz- und Sparfilter
Jede Minute prasseln auf deinen Verstand und deine Gefühle so viele Informationen ein, dass du gar nicht anders kannst, als zu filtern. Mit »filtern« meine ich: Die Information wird von unbewussten Denkvorgängen abgearbeitet und fürs Erste nicht ans Bewusstsein weitergereicht.
Dein Gehirn filtert etwa heraus, wenn sich Ereignisse gleichförmig wiederholen – deshalb sind Jahre, in denen die Tage einander ähneln, so schnell vorbei, obwohl sich die einzelnen Tage hinzogen. Mit anderen Filtern wollen wir uns vor seelischen Schmerzen schützen. Man »verdrängt«.
Und dann gibt es jene Filter, mit denen wir einfach Energie bewahren wollen. Diese Energiesparfilter können auch nur halbe Sätze ausblenden, während sie andere Satzteile erstaunlicherweise sogar verstärken.
Wenn ich etwa meinem Sohn sage: »Räum dein Zimmer auf, und später gibt es dann Eiscreme«, ratet mal, welchen Teilsatz er vollständig filtert und welchen er extra laut hört!
Scheuklappen – die »5. Kolonne«?
Der Bestätigungsfehler ist ein solcher Filter, der uns Denkenergie spart, aber auch unser Selbstbild schont und uns die Illusion geistiger Gewissheit beschert. – Wir hören nur, was wir hören wollen. Bestätigungsfehler bedeutet, dass der Verstand sich selbst Scheuklappen anlegt.
Nehmen wir etwa das ewige Thema »illegale Migration«.
Wenn man der Meinung ist, dass illegale Migration dem Land ausschließlich schadet, wird man die eine Art von Ereignissen zur Kenntnis nehmen. Stichwort »Einzelfall«.
Wenn man illegale Migration aber ausschließlich als Menschenrecht deutet und rundherum begrüßt, dann wird man wieder andere Nachrichten lesen wollen. Stichwort »Flüchtling findet 10.000 Euro in bar, bringt sie zur Polizei, rettet auf dem Weg drei verunfallte Autofahrer, holt ein Kätzchen vom Baum, hilft Ömchen über die Straße, baut ein Haus, zahlt nebenbei zwanzig Deutschen die Rente – und verzichtet dann auf den Finderlohn (für die 10.000 Euro, die ihr schon vergessen habt)«.
Mehr als uns bewusst ist
Manches massenpsychologische Phänomen hat mehr mit Bestätigungsfehlern zu tun, als uns bewusst ist!
Denken wir etwa an Hexenjagden, sowohl die buchstäblichen als auch die metaphorischen Hexenjagden heute.
Die »Hexenjäger« haben ein bestimmtes Konzept von »Hexe« im Kopf, und wenn jemand als »Hexe« bestimmt ist, erkennen sie genügend Attribute an der Zielperson, die deren Status als »Hexe« bestätigen.
Für Ideologien ist der Bestätigungsfehler in der täglichen Praxis geradezu überlebenswichtig (soweit eine Ideologie ein »Leben« hat)! Der Sozialist sieht am Kapitalismus alles, was ihm bestätigt, wie böse der Kapitalismus ist und wie gut der Sozialismus wäre, wenn er doch nur endlich einmal richtig umgesetzt würde.
Der Bestätigungsfehler kann gefährlich sein, wenn er Entscheidungen mit schweren Konsequenzen formt. Ob Piloten, Ärzte oder Manager: Wer nur das sieht, was er zu sehen erwartet, wird versagen und großen Schaden verursachen, wenn die Dinge sich wirklich anders verhalten.
Auf welche Nachricht?
Der Bestätigungsfehler kann im Zwischenmenschlichen eine Beziehung stabilisieren – etwa, wenn du ganz bewusst die guten Seiten eines Menschen siehst. Der Bestätigungsfehler kann eine Beziehung töten, wenn du die schlechten Seiten eines Menschen siehst. Und der Bestätigungsfehler kann dich gefährlich in die Irre führen, wenn du vor lauter »Bestätigung« nicht siehst, was wirklich passiert.
Im persönlichen Selbstgespräch ist der Bestätigungsfehler folgenreich, sowohl positiv als auch negativ. Wer nur die schlechten Seiten an sich selbst und seinem Leben sieht, kann zu tragischen Schlüssen kommen. Wer nur die guten Seiten an sich sieht, der ist je nach Erfolg ein eingebildeter Clown oder eben ein Erfolgstyp. Auf welche Information und welche Nachricht soll ich also hören, um Bestätigungsfehler zu vermeiden?
Karl Popper lehrt die Falsifikation. Sie ist ein Grundprinzip der Wissenschaft, nämlich dass eine Aussage nur dann »wissenschaftlich« genannt werden kann, wenn man prüfen kann, ob sie nicht vielleicht auch falsch ist – ansonsten ist sie laut Popper metaphysisch. (Insofern war die »Wissenschaft«, die mit »folgt der Wissenschaft!« gemeint war, eben keine Wissenschaft, da sie ja nicht hinterfragt werden sollte. Sie war Metaphysik, und entsprechend treten die damals Verantwortlichen bis heute mit dem Duktus okkulter Hohepreister auf.)
Dieses Grundprinzip der Wissenschaft, die Falsifikation, ist ein nützliches Prinzip für alle Bereiche des Denkens.
Irren ist menschlich
»Memento mori« – »Bedenke, dass du sterblich bist«, so flüsterte der Auriga (der Wagenlenker) dem triumphierenden Cäsar zu. Du aber sollst dir zuflüstern: Bedenke, dass du irren kannst, dass du blind sein könntest, für das, was deinen Irrtum aufzeigt.
Ich will mich ja selbst lehren: Fürchte nicht, was dich widerlegt!
Unsere bestmögliche Wahrheit ist immer nur der vorläufig am wenigsten lächerliche Irrtum. Dass du widerlegt wirst, ist keine Niederlage, sondern ein weiterer Schritt auf deinem Weg heraus aus der Dummheit.
Ich hoffe, ihr seht das alles genauso mit dem Bestätigungsfehler, und wenn ja, dann will ich euch darin bestätigen!
Ihr wisst ja, wie ich seit Jahren zu sagen pflege: Prüfe alles, glaube wenig, denke selbst!