Sie war 42 Jahre alt. Sie hatte den ganzen Tag gearbeitet. Es war sechs Uhr am Abend und sie wollte nach Hause fahren. Am 1. Dezember 1955 stieg sie in den Bus Nr. 2857.
Sie setzte sich auf einen der für Schwarze reservierten Plätze. Ihr Sitz war in der vordersten dieser Reihen, direkt hinter den für Weiße freigehaltenen Reihen.
Die Trennung der Sitzreihen in Weiß und Schwarz geschah durch eine Markierung. Als immer mehr Weiße einstiegen, stand der Busfahrer auf, ging nach hinten und versetzte die Markierung.
Nach damaligen Recht mussten damit vier Schwarze aufstehen und ihren Sitzplatz für Weiße räumen. Drei gehorchten, sie, Rosa Parks, gehorchte nicht. Sie rückte nur zum Fenster auf.
Der Busfahrer fragte sie, warum sie nicht aufstand. Sie sagte: »Ich denke nicht, dass ich aufstehen müssen sollte.« (»I don’t think I should have to stand up.«, siehe z.B. Wikipedia)
Rosa Parks wurde verhaftet und polizeilich erfasst. Am nächsten Tag wurde sie in einem 30 Minuten langen Verfahren zu 10 Dollar Strafe und 4 Dollar Gerichtskosten verurteilt. Parks ging in Berufung, und in dem sie dies wagte, forderte sie das System der Segregation insgesamt heraus.
Strukturelle Gewalt
Barack Obama sagte über Rosa Parks:
Rosa Parks hatte kein gewähltes Amt inne. Sie wurde nicht in Reichtum oder Macht hineingeboren. Heute vor sechzig Jahren veränderte sie dennoch Amerika. (obamawhitehouse.archives.gov, meine Übersetzung)
Als Rosa Parks sich weigerte, aufzustehen und als Schwarze den Platz für Weiße freizugeben, da war ihr eigentlicher Gegner nicht der einzelne Busfahrer, nicht die Weißen, die sich statt ihrer setzten sollten, und auch nicht der Polizist, der bei ihrer Festnahme schlicht sagte: »… das Gesetz ist das Gesetz, und Sie sind verhaftet.«
Rosa Parks eigentlicher Gegner war ein System, das Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe trennte. Nicht einzelne Menschen waren ihr Ziel, sondern ein System, dass ihr gegenüber eine Art von Gewalt ausübte.
Wenn Systeme einzelne Menschen in ihrem Wohlbefinden, ihrer Unversehrtheit oder ihren Lebenschancen verletzen, spricht man heute von »struktureller Gewalt«, selbst wenn es einzelne Menschen sind, welche konkrete Gewalt ausüben. Die Kastenlosen in Indien erleiden eine Form von struktureller Gewalt und die Schwarzen im segregierten Amerika erlitten strukturelle Gewalt.
Wann immer ein System das Leben des Einzelnen beeinträchtigt, dann gilt der Einzelne als Opfer struktureller Gewalt.
Die Machthaber
Da Machthaber naturgemäß das System prägen, über das sie herrschen (sonst wären sie ja nicht wirklich Machthaber), werden sie oft bestreiten, dass sie selbst zur strukturellen Gewalt beitragen, dass es diese überhaupt gibt, und wenn die Existenz nicht zu leugnen ist, werden sie zumindest bestreiten, dass sie von dieser profitieren. (Zugleich gilt natürlich auch für einen Machthaber, dass der Vorwurf allein ihn nicht schuldig macht – es spielt eher keine Rolle, ob sie es anerkennen oder nicht; man muss den Sachverhalt extern prüfen.)
Ein König wird kaum anerkennen, dass seine Monarchie ungerechtfertigte strukturelle Gewalt ausübt, indem etwa jene, welche dem Hof fern sind, in ihren Lebenschancen benachteiligt werden – dennoch kann es der Fall sein.
Nicht jeder Religionsfunktionär wird anerkennen, dass religiöse Autorität strukturelle Gewalt ausübt, indem etwa jene, welche ein anderes Weltbild einnehmen, ausgegrenzt werden. (Mancher Religionsfunktionär wird allerdings, je nach Kontext, kein Problem damit haben, anzuerkennen, dass er diese Gewalt ausübt, er wird sogar mit ihr kokettieren und sich zugleich auf »Gottes Willen« berufen.)
Womit wir beim dritten Beispiel wären: Ein demokratischer Politiker wird kaum anerkennen, dass/wenn von ihm und seinen Entscheidungen strukturelle Gewalt ausgeht. Er wird die Schuld an Verbrechen auf andere Faktoren schieben, etwa auf seinen Vorgänger im Amt, auf die Weltwirtschaft oder sogar auf jene, welche eben gegen die Gewalt protestieren (siehe auch: »Kampf gegen Rechts, das neue politische Schlangenöl«).
Offenbar nicht so gut
Aus Essen lesen wir die Schlagzeile: »Polizistin vor Shisha-Bar verprügelt« – aus dem Bericht der BILD:
Screenshots eines Handyvideos zeigen, wie ein Angreifer eine junge Polizistin (26) attackiert, ihr die Beine wegzieht. Sie fällt auf den Asphalt und versucht, sich aufzurichten. Doch ein anderer Mann tritt ihr mit Wucht in den Unterleib. Schließlich kann ein Kollege (27) dazwischen gehen, sie vor weiteren Tritten und Schlägen schützen. (bild.de, 12.9.2018)
Der Anlass für diesen Gewaltausbruch war eine einfache Polizeikontrolle gewesen. Die Ordnungshüter hatten überprüfen wollen, ob in der Shisha-Bar auch keine Minderjährigen verkehrten. Das fanden einige libanesisch-stämmige Personen offenbar nicht so gut, also griffen Sie u.a. die Polizistin an.
Ein Mann wurde gefasst, mit Hilfe von Passanten. Er war 17. Während er eine Nacht bei der Polizei verbrachte, passierte dies:
Die Familienmitglieder des Festgenommenen kamen später zur Wache, drohten, ihre Familie zu mobilisieren – sie wollten die Polizisten einschüchtern! (bild.de, 12.9.2018)
Die Familie wird es wohl als Erfolg verbuchen, denn der junge Mann ist wieder, schreibt die Zeitung, auf freiem Fuß.
Sie steht für alle Bürger
Man könnte die Selbstverständlichkeit, mit der Polizisten und Rettungskräfte heute angegriffen werden, als »soziale Spannungen« oder noch immer als »Einzelfälle« herabreden. Man könnte es ignorieren, weil man selbst Glück hatte oder weil man aus anderem Grund in Umständen lebt, die es (noch) nicht betrifft.
Ich denke, dass es hier klüger macht, einen Schritt zurück zu gehen, durchzuschnaufen und eine Sekunde über den Gesamteffekt nachzudenken.
Die Essener Polizistin, die jetzt dienstunfähig geschrieben ist, sie ist ja nicht allein. Sie war offiziell als Vertreterin der Staatsmacht vor Ort, doch genau darin vertrat sie alle ehrlichen Bürger. Wer in die falsche Bar geht, durch den falschen Park joggt oder einfach nur Pech hat, dem kann es genauso gehen wie der Polizistin – und die Politik wird ihn genauso ignorieren.
Keine Einzelfälle, System!
Für Friedensforscher Johann Galtung, der den Begriff prägte, war strukturelle Gewalt jede Beeinträchtigung des menschlichen Lebens, so dass es dem Menschen weniger gut geht, als es ihm potentiell gehen könnte. (Wikipedia bietet einen Einstieg samt Begriffskritik.)
Ein Beispiel: Bevor Penicillin erfunden war, war es nicht möglich, es einzunehmen. Nachdem es aber erfunden und durchaus bezahlbar war, könnte es als »strukturelle Gewalt« angesehen werden, es einem Menschen zu vorzuenthalten.
Die Morde, die Messerstechereien, die Schlägereien, die Bedrohung, die Angriffe auf Rettungskräfte, all die vielen »Einzelfälle« – entweder es ist die ungewöhnlichste Häufung ungünstiger Zufälle in der Geschichte irgendeines Rechtsstaats, oder es stimmt etwas mit dem System nicht. Es gibt Hinweise darauf, dass die vielen Einzelfälle eben keine solche sind, sondern in der Ursache möglicherweise zusammenhängen – und damit haben wir es mit struktureller Gewalt zu tun.
Die Gewalt, welche die Polizistin erlebte, vor der sich täglich Bürger fürchten, ist wahrscheinlich die unmittelbare Folge des politisch umgesetzten linksgrünen Wahns. Der »normale«, brave Bürger wird unnötig in seinem Recht auf Unversehrtheit und freie Entfaltung beeinträchtigt von einem System, das aus ideologischen Gründen seine Benachteiligung bis hin zu seinem Tod in Kauf nimmt.
Die Polizistin, die Opfer von Chemnitz, von Köthen, und all die vielen Ungenannten, sie sind Opfer struktureller Gewalt in direkter Folge des politisch realisierten linksgrünen Wahns.
Pech gehabt
Rosa Parks weigerte sich, ihren Sitzplatz aufzugeben. Sie sah nicht ein, dass sie weniger wert sein sollte und weniger Rechte haben sollte als einer, der mit der blassrosa Haut der Weißen zur Welt gekommen ist. Indem sie sich weigerte und nicht auswich, wo das legale Unrecht es von ihr verlangte, veränderte sie die Welt zum Besseren.
Wenn eine 14-Jährige umringt und belästigt wird (Moers, 11.9.2018), wenn der einfache Busfahrer bedroht und beleidigt wird (Dörzbach, 11.9.2018), wenn neue Mitbürger ihren Forderungen nach einer Zigarette mit »Allahu akbar! I kill Christians!« den erforderlichen Nachdruck verliehen haben sollen (Prozessbeginn 12.9.2018 in Fulda) – die Liste ließe sich auch heute lang fortsetzen – dann handelt es sich eben nicht um »Einzelfälle« (wie @einzelfallinfos sich in bitterer Ironie selbst nennt), sondern womöglich um Gewalt aus einer Struktur heraus, sprich: strukturelle Gewalt.
Entweder wir glauben daran, dass jedes Leben gleich viel wert ist und dass jeder Mensch das Recht auf freie Entfaltung und Unversehrtheit hat – oder die ganz große Linksgrün-Fraktion soll zumindest ehrlich sein und Art. 1 GG überarbeiten, in etwa so: »Die Würde des Menschen ist unantastbar, außer er wird für linksgrüne Ziele geopfert; dann hat er eben Pech gehabt.«
Was in Deutschland heute passiert, ist mindestens moralisches Unrecht – und einige Juristen meinen, dass auch juristisches Unrecht im Spiel war. Die historische Größe von Rosa Parks werden Sie und ich kaum erreichen; umso mehr sollten wir sie uns zum Beispiel nehmen.
Vielleicht morgen?
Wer am Unrecht leidet, der ist selten darin allein, doch es braucht einen Mutigen, der es innerhalb eines Umfelds als Erster ausspricht – oder, und hier sei mir das Gendern erlaubt, eine Mutige!
Als Rosa Parks sich weigerte aufzustehen, war sie in dem Moment allein, kein Zweifel. Die drei anderen Schwarzen neben ihr standen auf und setzten sich um, doch ihr Widerstand inspirierte eine ganze Nation. Rosa Parks verweigerte sich dem legalen Unrecht, und darin gab sie anderen Mut.
Die strukturelle Gewalt, die linksgrüner Wahn in Deutschland bewirkt hat, ist nicht ohne Ursache, was aber eine Ursache hat, das kann geändert werden. Es gibt sie, die Verblendeten und Gutmenschen, die sogar ihre Töchter für linksgrüne Ideologie in Gefahr bringen würden (siehe auch: »Seid’s ihr völlig deppert?!«), doch es sind nicht alle.
Viele Bürger sehen das Unrecht und leiden am Unrecht, doch sie warten auf den Mutigen in ihrem Bekanntenkreis, der aufsteht und sagt: Nein, nicht mit mir! – Haben Sie den Mut, in Ihrem Umfeld der- oder diejenige zu sein? Wenn nicht heute, vielleicht morgen?