Dushan-Wegner

26.03.2022

»I support the current thing«

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, I support the current thing!
Startup-Idee: Ein Bot, der automatisch Ihre Social-Media-Icons anpasst und in Ihrem Namen postet, was man gerade posten muss, um zu den »Guten« zu gehören und das Zeichen zu setzen: »I support the current thing.«
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Ich erinnere mich noch an die Jahrzehnte vor und nach der Jahrtausendwende, als jeder und sein Hund ein »Startup« zu gründen schienen. Was für verrückte Ideen in dieser »dot-com-Ära« umgesetzt wurden!

Einige Startups gingen wieder ein (etwa pets.com, gegründet 1998, man liefert Hundefutter, mit Amazon als 54%-Investor in der ersten Runde, 2000 liquidiert). Andere Unternehmen florieren bis heute und machten ihre Gründer zu Multimilliardären, etwa das 2004 gegründete Facebook.

Nun, ich habe heute auch eine Startup-Idee, wenn sie auch zwanzig Jahre zu spät kommen mag für den Dot-Com-Boom, dafür aber immerhin von einem Elon-Musk-Tweet inspiriert wurde.

Meine Domain-Idee für dieses supernotwendige, brillante und einmalige Startup heißt: »dafuer-dagegen-dabei.de«. (Stand 26.3.2022, 9:46 Uhr ist diese Domain laut denic.de noch frei – viel Spaß damit, wer auch immer sie registriert!)

Die Grund-Idee für mein Startup habe ich, wie es sich gehört, »aus dem Internet«, konkret von einem Satz-Meme: »I support the current thing«. (Vielleicht sollte ich mich lieber gleich international aufstellen? Die Domain »currentthing.com« steht aktuell zum Verkauf, mit einem Mindest-Gebot von 1.000 US-Dollar.)

Der Hintergrund

Am 14. März 2022 tweetete Elon Musk ein Bild, das einen »NPC Wojack« zeigt (siehe auch den Essay »Non-Player Characters (NPCs) und das automatisierte politische Denken« von 2018), mit einer Ukraine-Flagge vor sich, hinter sich eine Wand der symbolischen Flaggen diverser sexueller Orientierungen, und in der Schrift um die Figur steht: »I support the current thing«.

»I support the current thing«
@elonmusk, 14.3.2022

In einer Variante dieses Memes zeigt die NPC-Figur nicht nur Unterstützung für die Ukraine und sexuelle Orientierungen, sondern auch noch für Black Lives Matter, für QR-Codes, also Impfausweise, für Impfung und Booster – und natürlich trägt die Figur eine OP-Maske.

I support the current thing.
Quelle: Internet

»I support the current thing« bezeichnet die Gewohnheit einer gewissen Bevölkerungsschicht, sich alle paar Tage oder Wochen wechselnd für ein moralisches Thema engagiert zu geben.

Mal ist man ganz schlimm doll für die unbegrenzte Einreise männlicher nordafrikanischer Migranten (solange sie in die Brennpunkte geschickt werden, und den Tag nicht in den teuren, linksgrünen Bio-Soya-Latte-Mutter-und-Kind-Cafés verbringen), und man versieht seine Social-Media-Icons deshalb mit »Refugees Welcome«-Aufschriften und mit jedem, der die Hurra-Stimmung kritisch sieht (oder von importierter Gewalt betroffen ist), bricht man lieber den Kontakt ab.

Laut knowyourmeme.com wurde »I support the current thing« zum ersten Mal wohl vom »1. März 2022« gepostet, in einer geradezu ästhetisch schlichten Form:

»I support the current thing«
Quelle: @empty_banks, via knowyourmeme.com

Es verwundert exakt gar nicht, dass der User @empty_banks aktuell auf Twitter gesperrt ist. So sind sie halt, die »Guten«.

Wenn 3P (Politik, Pharma und Propaganda, vormals »Presse«) auf 3G drängen, postet der »gute« Bürger brav 😷, 💉 💉 💉 und/oder 🔴 🔴 🔴  in seine Social-Media-Accounts. Wenn man über die Opposition spricht, schreibt man brav ein »No« vor den Parteinahmen, um deutlich zu machen, dass man den Störrischen eigentlich das Existenzrecht abspricht. Man sagt nicht »Querdenker«, sondern »Querdullis« oder »Covidioten«. Und in diesen Tagen pflastert man eben überall Ukraine-Flaggen hin (🇺🇦 🇺🇦 🇺🇦) – während man die Gasheizung aufdreht, da es um diese Jahreszeit noch etwas frisch ist.

Die Zielgruppe

Das Anfang 2022 kursierende Meme »I support the current thing« mag der Anstoß für meine total ernst gemeinte Startup-Idee sein, doch im Grunde habe ich die Zielgruppe schon vor Jahren recht präzise beschrieben.

Im Essay »Mensch vs. Gehorsam« vom 8.3.2018 beschrieb ich, wie die wahre politische Kluft heute nicht zwischen »Rechts« und »Links« verläuft (sofern diese Wörter noch politische Bedeutung haben), sondern zwischen den »Gehorsamen«, und denen, die selbst und vom Menschen her denken.

Meine Startup-Idee bedient gezielt die Gehorsamen – und die, welche dafür gehalten werden wollen (oder aus wirtschaftlichen Gründen für »geistig gehorsam« gehalten werden müssen).

Das Produkt

Der Essay vom 15.10.2018 trägt den Titel »Non-Player Characters (NPCs) und das automatisierte politische Denken«, und meine Startup-Produkt-Idee wagt heute, dreieinhalb Jahre später, den Schritt, dieses automatisierte politische Denken auch tatsächlich zu automatisieren.

Die User (was aus gutem Grund auch als »Drogenkonsument« übersetzbar ist) melden sich mit ihren Social-Media-Accounts bei meinem Startup an, sie erteilen mir Zugriff auf ihre Social-Media-Accounts, laden ein neutrales Originalfoto hoch, und sie erlauben meinen Bots (ähnlich den von mir programmierten Bots, welche die Freien Denker betreiben), für sie bei Facebook, Twitter et cetera zu posten.

Ab da ist die Arbeit für den User erledigt, denn die Bots übernehmen für ihn das heute so wichtige »Zeichensetzen« und die »Zivilcourage« beim öffentlichen Bezeugen von »Haltung«.

Wann immer ein neues Thema auftaucht, zu welchem Politik und Propaganda die übliche »moralisch gute« Einheitsmeinung festlegen, werden ganz automatisch die Benutzer-Icons des Users angepasst.

Ähnlich wie bei dem von mir (in ca. einer Stunde umgesetzten) super seriösen politikroboter.dushanwegner.com werden zu den jeweils aktuellen Themen kurze Texte generiert (allerdings via KI, wenn möglich mit GPT-3, und nicht mit einem billigen JavaScript-Zufallsgenerator) und im Namen des Users veröffentlicht.

Der Nutzen dieses Produkts ist offensichtlich: Während Sie sich in Kalifornien ein leckeres Eis gönnen, postet der Gesinnungs-Bot über alle Kanäle »CO2 stoppen!« und »Flugverbot jetzt«. Wenn Sie gerade alle Hände damit voll haben, die Ansiedelung von Migranten auf Ihrem linken Künstler-Areal zu verhindern, kann mein Bot derweil in Ihrem Namen »Refugees Welcome« und »Kein Mensch ist illegal« in alle Plattformen schreiben.

Die Monetisierung

Ich finde, die Welt hat noch nicht genug 10-Euro-im-Monat-Dienste, und also wird auch mein Startup zur automatischen Unterstützung als »Freemium« in mehreren Service-Levels angeboten werden, Free, Premium und Corporate.

Im Free-Paket werden meine Bots in ihrem Namen die politisch korrekten Botschaften posten und Ihr Icon automatisch mit den »Farben des Tages« versehen (aktuell also die Farben der Ukraine-Flagge halb-transparent über Ihrem Foto), zusätzlich wird aber auch automatisch Werbung gepostet werden (was natürlich dazu führen kann, dass Sie in einem Posting für Menschenrechte eintreten, und dann direkt Werbung machen für die WM in Katar – aber gut, bei Ihrem vermutlichen Publikum wird so etwas wahrscheinlich ohnehin nicht auffallen).

Im Premium-Paket für 9,99€ im Monat wird dann keine Werbung in Ihrem Namen geschaltet, und Sie erhalten zusätzlich wöchentlich bzw. nach aktuellem Bedarf ein E-Mail-Briefing, das Sie bezüglich der politisch korrekten Formulierungen des Tages informiert. So posten Sie nicht nur automatisch das einheitlich moralisch Richtige, um »Zivilcourage« und »Haltung« zu zeigen, sondern sind auch im Alltag gewappnet bezüglich der Dinge, die Sie aktuell sagen müssen, um als einer von »den Guten« akzeptiert zu werden. Die Abo-Gebühr könnte eventuell steuerlich geltend gemacht werden, denn immer aktuell die »richtige Haltung« zu zeigen ist oft wirtschaftlich überlebenswichtig.

Zusätzlich ist eine Corporate-Schiene denkbar (Projektname »Metaethics«). Unternehmens-Kunden können automatisierte, aber individuell abgestimmte politische Meinung erstellen lassen, sie erhalten dazu persönliche Betreuung sowie moralische Überwachung und Vorab-Prüfung ihrer eigenen Außenkommunikation außerhalb unseres Bot-Systems.

Das Fazit

Dies ist ein Essay, der die politisch-gesellschaftliche Lage kommentiert. Ich habe nicht recherchiert, ob nicht jemand so etwas tatsächlich schon anbietet – es würde mich ja fast wundern, wenn es keiner versucht hätte! Eigentlich ist es von der Arbeit etwa des Staatsfunks, welcher ja ohnehin im Hauptjob den Leuten die »richtige« Meinung vorgibt, nur noch ein technisch sehr überschaubarer Schritt (als Starthilfe siehe etwa opensource.com, »10 Python image manipulation tools«), die »richtige« Meinung samt aktuell eingefärbtem Icon auch direkt in den Accounts des Publikums zu posten.

Je detaillierter ich diese Quatsch-Idee aber beschreibe, umso realistischer sie vor meinem inneren Auge erscheint, umso gruseliger wird sie mir selbst.

Ich erinnere mich noch daran, als Bürger sich ganz doll schlimm vor den Abhörgeräten und Wanzen der Geheimdienste fürchteten – heute kaufen wir etwa in Form von Smartphones unsere eigenen Abhör- und Ortungsgeräte, zahlen monatliche Gebühren dafür und geraten in seelische Not, wenn wir das uns überwachende Gerät einmal daheim vergessen.

Ähnlich könnte ich es mir vorstellen, dass die Lächerlichkeit einer automatisch geäußerten politischen Meinung bald in Selbstverständlichkeit umschlägt. Bald wird sich nicht der Bürger rechtfertigen müssen, der seine Meinung einem Roboter überlässt, sondern derjenige, der es nicht tut.

Neues Mantra

Ich arbeitete eine Zeit lang fürs TV, und als ich aufhörte, schwor ich mir, dass meine eigenen Kinder niemals Echtzeit-Fernsehen daheim haben würden (ich hatte gelernt und sogar unterrichtet, wie man Leute »dranhält«, sprich: manipuliert, selbst wenn sie das Programm eigentlich doof finden).

So ähnlich halte ich es mit meiner fiktiven Idee der »automatischen politischen Meinung«: Ich finde es gut und wünschenswert, eine politische Meinung sein eigen zu nennen, die eben nicht von Robotern einfach darstellbar wäre.

Nein, meine Idee ist nicht ernst gemeint. (Sollte ich Ihnen aber tatsächlich den Mund wässrig gemacht haben, können Sie das derart gelockerte Wagniskapital ja als Leserbeitrag loswerden, ich mache dann weiterhin viele charmante Essays daraus.) Dass die Idee nicht ernst gemeint ist, heißt aber nicht, dass es nicht eine denkbare Zielgruppe geben könnte, welche das Produkt in der Realität einsetzt, »nur um ganz sicher zu sein« – und allein die plausible Möglichkeit dieses Gedankens scheint mir erschreckend genug zu sein. (Zum Vergleich: Vor Jahren brachte ich einen JavaScript-basierten, bitter-sarkastisch gemeinten Online-Trauer-Generator heraus – einige Leser erinnern sich – der die bekannten politischen Trauer-Phrasen zu Terror-Anschlägen generierte. Ich nahm den Generator offline, als Menschen die automatisch generierten Phrasen ernst zu nehmen begannen und sich ihnen von Herzen anschlossen.)

Ich selbst bekenne mich gern dazu, immer wieder aus Prinzip zu prüfen, wie man das Argument der Gegenseite stark machen könnte, welche Perspektiven und Anliegen es noch gibt (siehe dazu auch Essay »Zwanzigjährige und du, die Truhe hebend«).

In ähnlichem Geiste will ich uns heute ein nur halb ernst, aber auch nur halb unernst gemeintes Mantra geben: Pflege eine politische Meinung, bei der sich ein Roboter schwer tun würde, sie vollautomatisch nachzumachen!

Weiterschreiben, Wegner!

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