Nehmen wir an, Ihr Haus hat ein Loch im Dach (Sie hätten also einen »Dachschaden«, hähä!), und Sie benötigen dringend Dachziegel. Es gibt in Ihrer Stadt sechs ernstzunehmende Läden mit Baumaterial, von denen genau eines die notwendigen Dachziegel anbietet, während die anderen fünf Läden nichts als Wandfarbe verkaufen. Die Wandfarben-Verkäufer verbreiten wilde Gerüchte über den Dachziegel-Verkäufer, und die Gerüchte wirken tatsächlich!
Es wird zur moralischen Mode, das Dach seines Hauses verkommen zu lassen. Nun popelt der Besitzer des Dachziegel-Ladens gelegentlich in der Nase und manchmal stinken seine Kinder, doch er hat Dachziegel! – Die fünf übrigen Ladenbetreiber mit der Wandfarbe beschimpfen den Verkäufer der Dachziegel und werfen ihm einige Unappetitlichkeiten vor, von denen nicht einmal alle falsch sind… doch Sie wollen einfach nicht, dass es Ihnen auf den Kopf regnet, und der eine hat eben die Dachziegel – wo und was kaufen Sie ein?
»Nichts sonst jetzt!«
Als am 19. Dezember 2016 ein Islamist einen LKW kaperte und in einen Weihnachtsmarkt steuerte, ordnete die Grüne Fraktionsvorsitzende an:
Das ist eine furchtbare Nachricht. Trauer und Mitgefühl. Nichts sonst jetzt! #Berlin #Breitscheidplatz
(@GoeringEckardt, 19.12.2016 / archiviert)
Man könnte fragen, dank welcher Autorität die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag ein deutschlandweites Redeverbot erlassen könnte, doch es scheint mir mehr eine Mahnung zu sein, gerichtet an Staatsfunker und Kollegen, nicht zu vergessen, was die geltende Moralgesetzlage ist, sprich: was berichtet werden »darf« – und was nicht.
In Hanau hat diese Woche ein offenbar verwirrter Mann (nach aktuellem Wissensstand) neun Menschen in der Öffentlichkeit ermordet, dann daheim seine Mutter und schließlich sich selbst.
Der Autor Martin Lichtmesz weist darauf hin (@lichtmesz, 20.2.2020), wie unterschiedlich die Kommentierung der Morde von Hanau durch dieselbe Grüne Funktionärin ausfällt. Zu den Morden von Hanau galt das »Nichts sonst jetzt!« wohl nicht:
Der Täter von #Hanau handelte offenbar aus rassistischen Motiven und wollte durch diese furchtbaren Morde gezielt Angst und Schrecken verbreiten. In meine Trauer mischen sich Entsetzen und Wut. Meine Solidarität gilt den Betroffenen.
(@GoeringEckardt, 20.2.2020 / archiviert)
Nach welchen Kriterien entscheidet die Dame, wann Medien und Bürger die Klappe zu halten haben – und wann man gleich, was »offenbar« die Motive waren und berichtet werden sollten? Berichtet wird, was ins Narrativ passt – und wenn es nicht passt, gilt: »Nichts sonst jetzt!« – Kleinere Medien berichten derweil, dass der Vater des Täters früher für die Grünen kandidiert haben soll (siehe etwa rtl.de, 21.2.2020), die größeren Medien aber, ganz wie befürchtet und zugleich erwartet, schienen eine Riesenchance auszumachen, das linke Narrativ nachzuziehen und gegen Abweichler zu agitieren.
Die innere Logik der Reaktionen auf Terror-Anschläge – ließe sich im Fall der Ex-FDJ-Funktionärin Göring-Eckardt wie auch der Ex-FDJ-Sekretärin Merkel (siehe welt.de, 28.5.2013) ähnlich beschreiben, nämlich: »Vorwärts immer, rückwärts nimmer!« – und das »Vorwärts« dieser Damen wird Deutschland noch auf viele Jahrzehnte zu schaffen machen.
Beim Spiegel heißt es, die AfD hätte »im Angebot« gehabt, was der Mörder zitiert haben soll (spiegel.de, 20.2.2020). Die üblichen Staatsfunker, die keinen Zweifel an ihrer »Haltung« aufkommen lassen, gingen zum politischen Angriff auf die Opposition über. Georg Restle verunglimpft die AfD als »ideologischen Wegbereiter der Rechtsterroristen« (@georgrestle, 20.2.2020 – siehe ansonsten die Essays »Der Fisch stinkt vom Staatsfunk her« und »Propaganda in deinem Wohnzimmer«.) Rainald Becker lässt ahnen, woher der Wind auch noch wehen könnte; auch er nutzt zynisch die »Gelegenheit«, der AfD eins mitzugeben, und es ist dem Herrn wohl wichtig, seine Bewertung zu verbreiten, »dass die AfD gefährlicher ist als die Linke« (tagesschau.de, 20.2.2020) – man könnte fast meinen, da hätten einige noch nicht aufgegeben, dass in Thüringen wieder einer von der umbenannten SED zum Chef erklärt wird, mit welchen Mitteln auch immer.
»Namen und Adresse«
Wo alle hassen und hetzen, da muss Herr Böhmermann vom ZDF natürlich noch lauter hassen und hetzen, spannenderweise indem er erstmal ohne Quellenangabe eine gewisse Claudia Roth zitiert:
Wir müssen die Stichwortgeber benennen, all diese neurechten Plattformen, deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht – von Roland Tichy über Henryk M. Broder bis hin zu eindeutig rechtsradikalen Blogs.
(@janboehm, 20.2.2020 / archiviert, vor allem wenn auch Sie »geblockt« sind)
Ach, wenn diese Gestalten wenigstens in ihrem Hass konsequent wären: Noch im Februar 2018 war Broder bei Böhmermann zu Gast (was mir Bauchschmerzen bereitete) und man spielte ein launiges Spielchen (siehe Clip bei YouTube) – die »Plattform« achgut.com bestand damals schon seit 14 Jahren. Nun aber sieht der Herr vom ZDF (siehe auch »Die Nazi-Methoden des Herrn Böhmermann«) wohl also seine Gelegenheit, die Schuld an den Mordtaten eines von Zionisten schwafelnden Verschwörungstheoretikers impliziert einem prominenten, aber »störenden« Juden anzuhängen. (Es ist übrigens derselbe ZDF-Herr, der sich die Hände mit Desinfektionsmitteln reinigte, nachdem er einem Juden die Hände schüttelte, natürlich als »Gag«; siehe etwa freitag.de, 42/2018.)
Die vorletzte Konsequenz geht schließlich Jakob Augstein:
Die Wegbereiter der Gewalt haben Namen und Adresse: Sarrazin, Broder, Tichy, und andere, die die Verrohung des Diskurses vorangetrieben haben. Zuerst kommen die Worte, dann die Taten. Das ist bei den Rechtsterroristen so, wie bei den Islamisten.
(@Augstein, 21.2.2020 / archiviert)
Man stelle sich vor, ein Nicht-Linker hätte offen gepostet, dass unliebsame Andersdenkende nicht nur irgendwie mit Mord zu tun hätten, als »Wegbereiter«, sondern auch noch darauf hingewiesen, dass diese »Namen und Adresse« haben.
Politische Reaktionen
Auch die Politiker etablierter Parteien (gerade wenn diese sich gerade auf dem Weg unter die 5%-Hürde befinden) scheinen die große »Chance« zu sehen, die Morde von Hanau zum Kampf gegen den politischen Gegner zu instrumentalisieren.
Da wären etwa die üblichen Linksaußen-und-sonstiger-Lärm-Lautsprecher der Parteien von Stegner bis Kuhle, deren Äußerungen so vorhersehbar sind, dass es sich kaum lohnt, sie zu zitieren.
Bemerkenswert ist die Aussage des »heimlichen Hoffnungsträgers« der CDU, Armin Laschet:
Wir trauern, wir fühlen, wir leiden mit den Familien der Opfer in #Hanau . Und wir geloben alles menschenmögliche zu Tun, um rechtes Denken, Hetzen und Morden zu besiegen. Der Feind steht rechts! Er träufelt sein Gift in unsere Gemeinschaft. Wir müssen kämpfen. #nulltoleranz
(@ArminLaschet, 20.2.2020)
Ich weiß nicht, ob Laschet sich diese Aussage selbst ausgedacht und dann formuliert hat (oder, nebenbei, ob inzwischen jene Klausuren wieder aufgetaucht sind, siehe welt.de, 2.6.2015: »Seit 16 Jahren unterrichtet NRW-CDU-Chef Laschet an der RWTH Aachen. Dann geht ihm ein Stapel Klausuren verloren. Das Problem versucht er auf kuriose Weise zu lösen: indem er Noten einfach erfindet.«), doch abgesegnet wird er den instrumentalisierenden Tweet-Text schon noch selbst haben.
Mit »Der Feind steht rechts« und dem »Gift« wird eine Rede von Joseph Wirth zitiert (Finanzminister 1920-1921, Reichskanzler 1921-1922, siehe Wikipedia), die er nach der Ermordung Walter Rathenaus hielt (Redentext auf spiegel.de).
Armin Laschet vergleicht – es ist nicht das erste Mal, dass CDU-Politiker es tun – die lästige Opposition mit den Mördern Rathenaus. Zuvor hat etwa welt.de, 19.6.2019 dem für viele Demokraten nicht immer gut erträglichen Peter Tauber eine »Plattform« gegeben, ähnliche Spaltung in die Gesellschaft zu träufeln.
Teil der Perfidie dieses Zitats ist, dass die Bedeutung des Wortes »rechts« sich seit jener Zeit mehrfach gewandelt hat – Worte tun das manchmal über die Jahre. »Ficken« bedeutete früher hin- und her zu laufen, »geil« bedeutete, überschwänglich zu sein, und zu »vögeln«, das war die Voliere zu besuchen (wo man dann womöglich anderes tat). (Für mehr Bildung siehe bild.de, 19.7.2011 – und eine Übungsaufgabe, wenn in diesen Zeiten etwas Humor erlaubt ist: wie nannte man es, voller Überschwang in einer Voliere hin- und her zu laufen?) Ein weiteres Wort, das seine Bedeutung über die Zeiten verändert hat, ist »rechts«. Heute bedeutet »rechts« schlicht »wer Regierung und Propaganda zu widersprechen wagt« und »wer die Herrschaft des Volkes will«. Wenn politische Richtungen überhaupt noch etwas bedeuten, dann ist Rechts das neue Links – und Linke sind die neuen Monarchisten, allerdings mit Konzernen und von Milliardären finanzierten NGOs als neuen Königen und Fürsten.
»Rechts« bedeutet heute »wer es wagt, die herrschende Meinung zu kritisieren«. Wer es wagt, Merkel speziell und linke Ideologie allgemein zu hinterfragen, für den gibt es heute viele derbe Wörter, von »Arschloch« bis »Faschist«, und sie meinen meist dasselbe, etwa Peter Tauber, der gesagt haben soll: »Wer nicht für Merkel ist, ist ein Arschloch« (welt.de, 30.9.2016), »Krebsgeschwür« (siehe »Freundlichkeit ist Faschismus – willkommen in der bizarren Gegenteilwelt«), oder wie bei Laschet eben »rechts«, und all diese bedeuten Ähnliches, nämlich Abweichler, Andersdenkender und Störenfried.
Noch immer Rechtsstaat
Man hört diese Woche erschreckend häufig das Stichwort »Reichstagsbrand«. Ende Februar 1933 brannte das Reichstagsgebäude. Man vermutet, dass Nationalsozialisten mit das Feuer legten, endgültig geklärt ist es nicht. Über die Folgen jedoch muss man nicht mutmaßen: Es wurden die gesetzlichen Möglichkeiten geschaffen, den politischen Gegner zu verfolgen und schließlich die NS-Diktatur aufzurichten (siehe auch Wikipedia).
Die vielfache Mordtat eines seit langer Zeit verwirrten Mannes, so befürchten manche, könnte der Politik dienen, weiter ihre Gegner mit demokratisch fragwürdigen Mitteln zu bekämpfen und so die Werte der Demokratie schleichend dranzugeben, nur um ihre Macht zu erhalten und auszubauen.
Der simple, aber in seiner Wirkung unabsehbare Fehler der »Merkel-Front« von Laschet bis Lindner ist schlicht: Wenn alle sich praktisch nun als Links positionieren, ja wenn entgegen der Wortbedeutung »Links« als »Mitte« gelten soll, welche Wahl-Möglichkeiten haben dann Menschen, die gegen den Zeitgeist noch immer Rechtsstaat, Demokratie und die Freiheit des Einzelnen hochhalten, für die das »Wohl des Volkes zu mehren« nicht Nazi-Teufelszeug ist, sondern erster und edelster Auftrag der Politik?
Die vermutlich für jede Selbstironie taubblinden Staatsfunker berichten aktuell aus dem Iran, wo viele Bürger nicht mehr zur Wahl gehen, da sich sowieso nichts ändern wird; tagesschau.de, 21.2.2020 zitiert eine Iranerin: »Natürlich werden wir nicht wählen gehen, Zeitverschwendung.«
Es ist ein bitterer Zufall, dass manche deutsche, als demokratisch auftretende Politiker auffällige Sympathien für das iranische Mullah-Regime zu pflegen scheinen – während sie politisch auf eine ähnliche Lage hinarbeiten, wo es sowieso egal ist wen man wählt, weil alles das gleiche ist. Man hat es ja in Thüringen erlebt: Wenn ein Wahlergebnis der Kanzlerin nicht gefällt, bitten sogar Parteien die formal in der »Opposition« sind, demütig um Entschuldigung, und dann machen sie das »unverzeihlich[e]« Wahlergebnis rückgängig.
Die FDP begeht aus Gehorsam gegenüber Merkel politischen Selbstmord (siehe »Kann Merkel-Deutschland sich ›Demokratie‹ nennen?«), die SPD droht damit, ohne Merkel aus der »Großen Koalition« auszusteigen (siehe tagesschau.de, 12.2.2020), die umbenannte SED beschwert sich nach Merkels Taten meist lediglich, dass sie nicht schlimm genug sind, und die Grünen sind schon längst Merkels eigentliche »Partei des Herzens«.
(Nachtrag: Ich schrieb diesen Text vom Morgen bis zum frühen Nachmittag des 21. Februar 2020. Am Abend hörte ich dann aus Erfurt die umbenannte SED jubeln, dass die CDU sich ihr unterwerfen würde (sie sagten es anders), und doch noch den Mann der umbenannten SED wählen würde, siehe @katjakipping, 21.2.2020. Wer CDU wählte, der bekam bislang die Ex-FDJ-Sekretärin, doch jetzt wird man wohl »erwachsen«. Ein Zyniker könnte höhnen: »Wer mit der CDU ins Bett geht, wacht mit der SED auf.« – Was man von der Werten und Worten der CDU zu halten hat, das lässt sich beurteilen am Versprechen ihres Generalsekretärs vom 7.2.2020: »Es wird keine Unterstützung der CDU für Herrn Ramelow als Ministerpräsidenten oder jemand anderen von den Linken geben. Herr Ramelow hat keine Mehrheit in diesem Parlament. Da braucht man sich nichts vorzumachen.« (@PaulZiemiak, 7.2.2020/ archiviert))
Was soll ein deutscher Bürger wählen, wenn er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, zu unterstützen, was Merkel und ihre Helfer mit dem Land anstellen? Das Alleinstellungsmerkmal der AfD ist, dass sie eines hat.
Eine dysfunktionale Familie
Die Bürger, die AfD wählen, tun es nicht, weil sie Frau Weidel oder Herrn Gauland so mögen, oder weil sie einen Familienersatz suchten (wer erotisch-masochistische Gefühle für Kandidaten zu hegen pflegt, der wendet sich wahrscheinlich eher an Grüne; einen Mutti-Ersatz gibt es bei der Mutti-Partei und wer eine dysfunktionale Politik-Familie mit spannenden Geldströmen sucht, warum auch immer, dem bietet sich weiterhin die SPD an).
Nun ist es, um im Bild von den Läden zu bleiben, leider so, dass ein verwirrter Bürger zum Mörder wurde, und weil er sich neben vielen wirren Dingen auch positiv über Dachziegel äußerte, nutzen die Wandfarben-Verkäufer die »Chance« und brüllen in den Gassen, dass der Dachziegelverkäufer eine Mitschuld am Mord trage.
Eine Moralpanik, durch die zynische Instrumentalisierung eines Mordes geschürt und verschärft, lässt ja nicht die anderen Gefahren und Ungerechtigkeiten weggehen. Aktuell etwa: Ein 22-Jähriger missbraucht eine 11-Jährige und kommt »zur Bewährung« frei (bild.de, 19.2.2020) – wer aber etwas arg Unhöfliches über einen Politiker sagt, der kann demnächst noch härter bestraft werden als bislang, bis hin zu langen Gefängnisstrafen (phoenix.de, 19.2.2020). Welche Partei soll man wählen, wenn man es doof findet, dass ein wütender Facebook-Post dich in den Knast bringen kann, aber ein junger Mann, der sich an einem Kind vergeht, schon mal aus dem Gericht spaziert?
Grundwerte und Grundrechte
Es ist dumme Kurzsichtigkeit der etablierten Parteien, wenn sie nun zu einer großen linksgrünen Super-Partei verschmelzen. »Irren ist menschlich, aber immer irren ist sozialdemokratisch«, so sagte Franz-Josef Strauß einmal, und es gilt nach wie vor, und man könnte für »sozialdemokratisch« auch »linksgrün« oder einfach »links« einsetzen.
Ich glaubte gestern an das Recht des Bürgers wie auch der Nationen, selbst ihre Zukunft zu bestimmen, und ich glaube es heute mehr denn je. Ich bin guter Dinge, dass ich es auch morgen glauben werde. Ich glaube an Grundwerte und Grundrechte, die in Krisenlagen nicht über Bord geworfen werden, sondern gerade dann gelten und verteidigt werden – verteidigt werden müssen. Ich glaube an eine freundschaftliche, faire und friedliche Nachbarschaft, an eine kluge und lernende Gemeinschaft der Menschen, der Familien, der Völker und der Nationen.
Ich weiß nicht, was ich heute politisch raten könnte – oder was ich sollte, wenn ich überhaupt wollte. Mein persönlicher aber Rat bleibt (nicht nur auf dem entsprechenden T-Shirt) gerade in diesen Zeiten der Erregung als Moral, der Lüge als Wahrheit und der Stimmungsmache als Nachricht, mein Rat bleibt: Prüfe alles, glaube wenig, denke selbst!