Dushan-Wegner

09.04.2022

Die Realität und ihre Lücken

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Foto von Marek Piwnicki
Versuchen Sie mal, wenn Sie mutig sind, zu Impfung oder Ukraine (oder einem der anderen »geladenen« Themen) zu sagen: »Ich habe Fragen, ich weiß es nicht.« – Man wird Sie wüst beschimpfen! – Warum eigentlich?
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Ich werde in diesem Text über Butscha sprechen. Und über »plötzlich und unerwartet«. Doch eigentlich rede ich über das, was uns angeordnet wird, für »Realität« zu halten.

Die erfahrenen Leser unter Ihnen kennen wahrscheinlich meinen Essay »Die Freiheit nehm‘ ich mir« aus dem Jahr 2016. (Im Nachhinein betrachtet könnte man es als »Manifest« lesen.)

In jenem Text stellte ich fest, dass zu viele Mächte uns vorschreiben wollen, was uns wichtig zu sein hat. Meine Kampfansage von 2016 ist heute nicht weniger gültig: »Wer mir sagt, was mir wichtig zu sein hat, ist ein Feind meiner Freiheit. Ich wähle selbst, was mir wichtig ist.«

Ja, sechs Jahre später will man uns noch immer vorschreiben, was uns wichtig zu sein hat. Der brave Bürger von heute erklärt täglich neu: »I support the current thing!« – auf Deutsch und im Geist dieses Textes: »Ich unterstütze die aktuelle Sache!«

Jedoch, dieser Kampf um Wichtigkeit könnte uns übersehen lassen, dass neben der moralischen Gewichtung eine weitere, grundsätzliche Ebene immerzu fragwürdiger wird: Die Frage ist heute nicht (nur), was wichtig ist, sondern was der Fall ist!

Politik und Propaganda geben nicht nur vor, was uns wichtig zu sein hat, sondern zugleich auch, was man für Realität zu halten hat.

Die »richtige« Realität

Wer auf der Höhe der Corona-Panik gesagt hätte, »ich lasse mich zwar impfen, doch ich glaube, dass es gefährliche Nebenwirkungen haben kann«, dem drohte soziale Ächtung und Sperrung in Sozialen Medien, ähnlich wie einem, der sich der mRNA-Injektion nicht unterzogen hatte.

Es war den »höheren« Mächten wichtig, dass man nicht nur seinen Körper »fürs höhere Gut« zur Verfügung stellte, sondern dass man auch öffentlich bezeugte, an die »richtige« Realität zu glauben.

Wir lesen inzwischen bald täglich von Menschen, die »plötzlich und unerwartet« verstarben – oft kurz nach dem »Booster«. Ich verlinke keine aktuellen Fälle – Friede den Toten.

Die Uniklinik Marburg richtete eine Spezialambulanz für Nebenwirkungen nach Corona-Impfung ein (achgut.com, 1.4.2022), und die Zahl der Patienten auf der Warteliste wird wohl bald vierstellig sein.

Es war Teil der »offiziellen Realität«, dass die mRNA-Injektion weitgehend ohne ernste Nebenwirkungen ist, und wer das leugnete, der war wohl einer von den »Bekloppten« (Gauck) oder zählte zu den »gefährlichen Irren« (Peskow, siehe Essay vom 7.4.2022).

Aber gut: Wenn man als Prämisse setzt, dass die mRNA-Injektion wirklich für die »Volksgesundheit« wichtig ist, dann kann man natürlich argumentieren, dass man die erlaubte Realität derart zurechtbiegen müsste, dass die Menschen motiviert sind, sich der Injektion nicht zu verweigern.

Beim aktuellen »Current Thing«, dem Ukraine-Krieg, wird wieder nur genau eine Version der Realität erlaubt. Als Russland in die Ukraine einmarschierte, war es die Reaktion von Berlin und Brüssel, russische Quellen zu zensieren (siehe auch Essay »Ein Held wie eh und je«).

Facebook und Twitter versuchen derzeit, abweichende Deutungen und Fragen zu offizieller Realität zu zensieren – der deutsche Staatsfunk beklagt, dass sie nicht schnell und gründlich genug dabei sind, alles zu löschen, was nicht der »offiziellen« Wahrheit entspricht (tagesschau.de, 8.4.2022).

Derzeit hören wir, verständlicherweise, viel vom »Massaker von Butscha«. Wikipedia beschreibt es als »eine Reihe von Kriegsverbrechen in der Stadt Butscha (Oblast Kiew)«, »die während des russischen Überfalls auf die Ukraine durch Angehörige der russischen Streitkräfte an der Zivilbevölkerung begangen worden sein sollen«. – Man beachte die Formulierung »sein sollen«.

Für BILD-Zeitung und Zelensky stehen die Täter fest. Andere Parteien (nein, nicht nur Putin-Leute) sind sich da nicht ganz so sicher. Als der ehemalige US-Marine Corps intelligence officer (etwa: »US-Marine-Aufklärungs-Offizier«) Scott Ritter auf Twitter seine detailliert begründeten Zweifel am offiziellen »einzig erlaubten« Narrativ zu den Leichen von Butscha postete (@RealScottRitter, 5.4.2022; zuvor auf RT veröffentlicht), wurde ihm von Twitter der Account gesperrt, und erst später, nach Protesten wieder entsperrt.

Bei der Covid-Panik ergab es innerhalb des Narrativs noch gewissen Sinn, dass man kritische Fragen zensierte. Kritische Fragen und Meldungen zu potenziell tödlichen Folgen könnten Leute davon abhalten, sich mRNA injizieren zu lassen. Was aber ist die Begründung im Fall der Ukraine?

Warum legen »höhere« Mächte eine bestimmte Realität fest – während sie wohlgemerkt selbst zugeben, dass sie mit wackligen Informationen operieren, um Putin zu irritieren?! (nbcnews.com, 6.11.2022)

Westliche Medien senden ohne Überprüfung alles, was Zelenskys Leute an Bildern verbreiten (siehe etwa @mtracey, 3.4.2022). Die BILD-Zeitung wirkt de facto wie die deutsche Außenstelle eines ukrainischen Propaganda-Ministeriums.

Dieselben Medien, die den (relativen) Friedenspräsidenten Donald J. Trump mit einem gefälschten Dossier und dauerndem propagandistischen Querfeuer loswerden wollten (es waren am Ende die »Wahlen«), rufen in den USA nun de facto zum Dritten Weltkrieg auf (@mtracey, 3.4.2022). Warum?

Eine Lücke

Mir fällt an den schrecklichen, grausamen Bildern von Butscha etwas auf, eine logisch-pragmatische Lücke: Die Leichen liegen auf der Straße, wurden also öffentlich hingerichtet. Die Straßen sind übersät von toten Ukrainern. Diese Hinrichtungen fanden offenbar öffentlich statt, und es passierten grausam viele davon. Auf der Straße, auf Gehwegen, nahe von Essensausgaben.

Ich habe eine Frage: Warum wurde von keiner einzigen Hinrichtung ein Foto aufgenommen?

Wir haben Fotos von Hinrichtungen in Vietnam (nytimes.com, 1.2.2018) und Fotos von Folter im Abu Ghraib, Irak (dw.com, 24.8.2004). Warum gibt es zwar Bilder der grausamen Folgen in Butscha, aber kein einziges der Hinrichtungen selbst – in einer Zeit der ubiquitären Smartphones? In aller Öffentlichkeit werden Menschen erschossen, dutzendfach, und niemand nimmt ein Handy und macht ein Video oder auch nur ein Foto vom Vorgang?

Als Simulation

Nein, ich will an dieser Stelle gar nicht in die Debatte um Butscha einsteigen, nicht um Zeitabläufe, Verlautbarungen von Bürgermeistern, »Reinigung« der Stadt von »Saboteuren« (en.lb.ua, 2.4.2022), nicht um Parallelen zu anderen Schreckensmeldungen, die jeweils einen westlichen Kriegseintritt rechtfertigten. Vielleicht gibt es eine schlüssige Erklärung für die Abwesenheit von Fotos des offenbar massenhaften öffentlichen Hinrichtungs-Aktes selbst.

Es gibt Experten, die sind weit kundiger als ich (und damit meine ich nicht die Journalisten der BILD-Zeitung, die derzeit eher »schillernd« auftreten), welche es gegen alle Realitätsvorgaben zu diskutieren wagen.

Ich selbst bin weiterhin irritiert darüber, dass uns wieder und wieder eine bestimmte Realität vorgegeben wird – und jede Rückfrage als Kollaboration mit dem Feind bekämpft wird.

Mut

»Am Ende gewinnt immer die Realität«, so sagen wir, und auch im Fall der Impfungen scheint die Realität zu Staatsfunk & Co. durchzudringen. Im Ersten lief Ende März ein Beitrag zur Impfschäden, und wie lustlos sie in Deutschland untersucht werden (daserste.de, 23.3.2022).

Wenn wir sagen, dass Irak keine Massenvernichtungswaffen hatte und keine Babys aus Brutkästen gerissen hatte, haben wir nicht gesagt, dass Saddam Hussein ein netter Kerl war – wir haben nur festgestellt, dass die »Guten« (also: »wir«) wohl gelogen hatten.

Wenn ich Fragen zu Lücken in den Butscha-Berichten stelle, sage ich damit nicht, dass die Putin-Armee nicht einen brutalen Angriffskrieg begonnen hatte – sondern dass es mich stört, wenn uns ein bestimmtes Bild der Realität vorgegeben wird, und jeder Zweifel auch nur an einem Detail den Zweifelnden zum Putin-Kollaborateur macht. (Und ein Putin-Kollaborateur will man wahrlich nicht sein, wir ahnen ja, wie die ukrainischen Azov-Nazis mit vermutlichen Kollaborateuren umgehen – das heißt, wenn die Azov-Nazis nicht gerade im Auftrag von Zelensky via Video zum griechischen Parlament sprechen; siehe reuters.com, 7.4.2022.)

Neue Freiheit

»Die Freiheit nehm’ ich mir«, so schrieb ich 2016, und ich sprach von der Freiheit, selbst festzulegen, was mir wichtig ist, was meine relevanten Strukturen sind.

Auch heute nehme ich mir eine Freiheit heraus, und auch diese Freiheit könnte die einen verärgern und die andern verängstigen: Ich nehme mir die Freiheit heraus, wenn ich mir unsicher bin, was »die Realität« oder von mir aus »die Wahrheit« ist, eben das zu sagen.

Politik und Propaganda wollen uns diktieren, was »die Realität« ist – ich bin so dreist, und nehme mir heraus, bei Notwendigkeit zu sagen, zu diesen Themen und zu anderen: Ich höre euch, doch was ihr »die Realität« nennt, es hat Lücken.

Heute gilt es als revolutionärer Akt, zu sagen: »Ich weiß es nicht, doch ich habe Fragen.«

Nun, dann – lasst uns in diesem Sinne »revolutionär« sein. Wer weiß, was er nicht weiß, der darf sich ein wenig sicherer in den Dingen sein, die er dann eben doch einigermaßen sicher weiß.

Ich weiß, was ich weiß (mit ausreichender Gewissheit). Ich will so mutig zugeben, was ich alles nicht weiß, wo ich Lücken sehe und Fragen habe.

Weniger falsch zu liegen – das ist mir wichtig, die Freiheit nehme ich mir!

Weiterschreiben, Wegner!

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