Dushan-Wegner

03.05.2021

Wir Hungerkünstler

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Foto von Alexandre St-Louis
Deutschland hungert sich selbst aus. Mal unter dem Vorwand Klima, mal unter dem Vorwand Corona, mal EU, immer wieder irgendwas mit »Moral«. – Warum eigentlich?!!
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»Du hungerst noch immer?« fragte der Aufseher, »wann wirst du denn endlich aufhören?« – »Verzeiht mir alle«, flüsterte der Hungerkünstler; nur der Aufseher, der das Ohr ans Gitter hielt, verstand ihn.

Liebe Leser, die obigen einleitenden Worte entstammen – vielleicht haben Sie es am Wort Hungerkünstler erkannt, der Erzählung Kafkas eben diesen Titels.

Hungerkünstler, das waren einst Leute, die sich ihr täglich Brot damit verdienten, nichts zu essen, auch kein Brot, über Tage und Wochen hinweg. In Kafkas Erzählung »Ein Hungerkünstler« wird auf die zu erwartende kafkaesk-sarkastische Weise das Schicksal eines ebensolchen diskutiert.

Zuletzt wird das zahlende Publikum des in einem Käfig darbenden Hungerkünstlers weniger. Man vergisst ihn sogar ganz, entdeckt ihn zufällig wieder: »Einmal fiel einem Aufseher der Käfig auf, und er fragte die Diener, warum man hier diesen gut brauchbaren Käfig mit dem verfaulten Stroh drinnen unbenützt stehenlasse; niemand wußte es, bis sich einer mit Hilfe der Ziffertafel an den Hungerkünstler erinnerte. Man rührte mit Stangen das Stroh auf und fand den Hungerkünstler darin.« (zitiert nach zeno.org)

Man versucht, den Hungerkünstler zum Abbruch seines Hungerns zu bewegen – der ursprüngliche Zweck, nämlich ein zahlendes Publikum zu gewinnen, funktioniert ja nicht mehr.

Die einleitenden Worte dieses Essays entstammen dieser Szene, und hier sind sie nocheinmal, jetzt aber mit folgendem Kontext und einer Pointe! (zitiert nach zeno.org, Absätze der besseren Lesbarkeit halber von mir eingefügt)

Auszug aus »Franz Kafka: Der Hungerkünstler«

»Du hungerst noch immer?« fragte der Aufseher, »wann wirst du denn endlich aufhören?«

»Verzeiht mir alle«, flüsterte der Hungerkünstler; nur der Aufseher, der das Ohr ans Gitter hielt, verstand ihn.

»Gewiß«, sagte der Aufseher und legte den Finger an die Stirn, um damit den Zustand des Hungerkünstlers dem Personal anzudeuten, »wir verzeihen dir.«

»Immerfort wollte ich, daß ihr mein Hungern bewundert«, sagte der Hungerkünstler.

»Wir bewundern es auch«, sagte der Aufseher entgegenkommend.

»Ihr solltet es aber nicht bewundern«, sagte der Hungerkünstler.

»Nun, dann bewundern wir es also nicht«, sagte der Aufseher, »warum sollen wir es denn nicht bewundern?«

»Weil ich hungern muß, ich kann nicht anders«, sagte der Hungerkünstler.

»tragisch und für die Menschen«

Ein besonders melancholischer Zeitgenosse könnte täglich Buch führen, welche und wie viele deutschen Firmen und Fabriken in diesen Tagen und Jahren ihre Tore schließen. (Auf Twitter wird es mit dem Hashtag »#futschi« quasi-automatisch protokolliert.)

Ein aktuelles Beispiel ist die Papierfabrik Zanders in Bergisch Gladbach. Bei express.de, 1.5.2021 erfährt der Leser: »Schock-Aus für 360 Mitarbeiter Traditionsfirma in Bergisch Gladbach stellt Betrieb ein«. Bei tichyseinblick.de, 3.5.2021 werden einige Hintergründe ausgeleuchtet.

Die Firma hatte keineswegs immer nur rosige Zeiten gekannt, doch der endgültige Todesstoß war ein komplett künstlicher, von der Politik beschlossener:

Bis zur Deadline am Freitag hätte das Unternehmen etwa sieben Millionen Euro benötigt, für ausstehende Zahlungen für CO2-Zertifikate. (express.de, 1.5.2021)

Der Bürgermeister von Bergisch Gladbach lässt sich mit einigen Standardphrasen zitieren:

Das jetzt bekannt gegebene Ende der Papierproduktion ist tragisch und für die Menschen in der Stadt ein großer Verlust, denn ‚bei Zanders‘ zu arbeiten bedeutete über fast zwei Jahrhunderte für viele Bergisch Gladbacherinnen und Bergisch Gladbacher berufliche Sicherheit und gutes Einkommen. (Bürgermeister Frank Stein, zitiert nach bergischgladbach.de, 30.4.2021)

Frank Stein ist SPD-Politiker, aufgestellt von SPD, Grünen und FDP. Für SPD und Grüne muss es doch ein Jubelfest sein, wenn die aufwändige Papierproduktion eingestellt wird (um das Papier eben mit LKWs von anderswo heranzufahren, wo es aus verschiedenen Gründen billiger produziert werden kann), und die FDP ist für ihre Begeisterung für CO2-Spekulationen bekannt (sie verkauft es als »Klimapolitik durch die Kräfte und Kreativität des Marktes«, siehe fdp.de).

Die Verwendung des Wortes »tragisch« durch den SPD-Politiker Stein ist falsch und gelogen: Ein Ereignis tragisch zu nennen, impliziert Unausweichlichkeit, aber auch Mitgefühl. Einen Firmentod »tragisch« zu nennen, den die Politik der eigenen Partei mit herbeigeführt hat, ist gelogen. Ein Dieb, der dem Beraubten das Mitgefühl ob seines Verlustes ausspricht, ist glaubwürdiger als ein SPD-Politiker, der Mitgefühl mit einem politisch gewollten Firmentod behauptet.

Aber gut, das Weltbild von Linken ist auf Lügen gebaut, und also braucht ihre Politik reichlich Lügen, um »erklärt« zu werden, das wissen wir. Die größere Frage ist doch: Warum tut Deutschland sich diesen Irrsinn an? Wird denn auch nur ein einziges Gänseblümchen gerettet, wenn die Produktion in Deutschland kaputtgemacht wird?

Kein zahlendes Publikum

Deutschland will sich als »Hungerkünstler« versuchen.

Deutschland erinnert an jene Sekten, die sich eingeredet haben, dass durch ihre Askese und moralische Erhebung magischerweise die Welt gerettet würde. Es ist »spannend«, wenn Deutschland versuchen sollte, 800 Millionen Afrikaner aufzunehmen und selbstredend nach höchsten deutschen Sozialstandards zu versorgen (vergleiche Gunnar Heinsohn in welt.de, 4.1.2016). Es ist »ambitioniert«, wenn Deutschland mit einem Welt-Anteil der CO2-Emissionen von 1.93% (Stand 2019 laut statista.de) meint, durch Abwürgen der eigenen Industrie (woraufhin dieselben Produkte eben woanders hergestellt werden, oft nach laxeren Standards), irgendwie das Weltklima umbiegen zu können – ja sogar etwa den möglichen Einfluss der Sonne auf die Erdtemperatur aufhalten zu können (siehe engl. Wikipedia: »Solar activity and climate«). Am deutschen Hungern soll die Welt genesen!

Der Hungerkünstler in Kafkas Erzählung endet tragisch, weil er sein Hungern ernst nimmt, auch wenn es schon lange keinen mehr interessiert.

Tatsächlich war es etwas anderes, das die Zunft der Hungerkünstler ihre Popularität verlieren ließ: Zu viele von ihnen wurden als Betrüger entlarvt. (Wikipedia listete einige Betrugsfälle.)

Man muss es den Deutschen lassen, dass ihr Umweltschutz beides ist: Selbstzerstörerisches Hungern und Selbstbetrug. Windkraft ist praktizierte Umweltzerstörung (und Gewalt dazu). Elektroautos sind, so etwa handelsblatt.com, 2.5.2018 (archiviert), »rollender Sondermüll«. Der Ausstieg aus Kohle- und Atomenergie bedeutet schlicht, von Drittländern abhängig(er) zu werden, denn anders als Annalena »Kobold« Baerbock es sich so vorstellt, fungiert »das Netz« nicht »als Speicher«, und das ist auch nicht »alles ausgerechnet« (deutschlandfunk.de, 21.1.2018).

Das wirtschaftliche »Hungern« im Namen der Umwelt ist teils ein Selbstbetrug, teils aber ein echtes Aushungern.

Unternehmen und Arbeitsplätze werden ausgehungert, doch diese Selbstzerstörung findet wenig Bewunderer, kein zahlendes Publikum – und eher wenige Nachahmer.

Vorwand Bewundertwerdenwollen

Was treibt also Deutschland an, wenn das »Hungern« doch offensichtlich Leid bewirkt, aber wenig vom behaupteten Effekt?

Ich bin zunehmend vorsichtig damit, Verschwörungstheorien mit leichter Hand abzutun; zu häufig sind selbst die wildesten Theorien regelmäßig wahr geworden – erst galt die Virus-Gefahr als »rechte Panikmache«, dann galten die Lockdowns als »Fake News« (@bmg_bund, 14.3.2020/archiviert), dann die geplante »Ermächtigung« der Regierung, und so weiter. Wenn einer also die Theorie aufstellte, dass unsere Zukunft als »Chinas Kolonie« nicht nur das faktische, sondern auch das von gewissen Akteuren beabsichtigte Ziel ist, tue ich mir schwer, das sofort als substanzlos abzutun.

Jedoch, braucht es eine Verschwörungstheorie, wo eine kollektive Psychose zur Erklärung genügen könnte?

Will Deutschland bewundert werden? Will es der Welt als gutes Beispiel vorangehen? – Nun, man liest immer wieder von solchen nach Größenwahn schmeckenden Forderungen (handelsblatt.com, 19.9.2019 wäre ein zufälliges Beispiel: »Deutschland muss beim Klimaschutz Vorbild bleiben«).

Kafkas Hungerkünstler ist ehrlicher, und wenn wir ihn mit Deutschland vergleichen, dann erscheint das Bewundertwerdenwollen tatsächlich als vorgeschoben!

Warum hungert der Hungerkünstler also wirklich? – Er sagt es ja selbst: »Weil ich hungern muß, ich kann nicht anders«.

Man will offenbar

Der Umweltschutz erscheint zunehmend als nur vorgeschobener Grund für die Selbstzerstörung – das Aushungern des eigenen Landes wirkt zunehmend wie sein eigener Zweck. »Weil ich hungern muß, ich kann nicht anders«, sagt der Hungerkünstler.

Bei den Corona-Maßnahmen scheint es ja ähnlich gelagert zu sein: Man will offenbar Lockdowns beschließen und sich »ermächtigen«, also sucht man sich die »Experten«, welche die notwendigen Horrorszenarien, immerzu drohenden Bettenmangel und Inzidenzen bescheinigen – oder man erfindet sie gleich selbst (siehe auch Essay vom 28.4.2021).

Deutschland zerstört seine Wirtschaft, das bleibt eine Konstante, nur die Begründungen wechseln. Das Land wird ausgehungert, und warum? »Weil ich hungern muß, ich kann nicht anders«.

In Kafkas Erzählung hat der Aufseher bald genug vom selbstgewählten Hungern des vermeintlichen Künstlers.

»allzu fanatisch ergeben«

Vor der unseligen Merkel-Ära galten wir tatsächlich als bewundernswertes Vorbild – wir werden zum Kuriosum, zum Vorreiter ohne Hinterherreiter. Wir werden zur Sekte, doch wir wollen es nicht wahrhaben – und wir können auch nicht anders. Wir werden bald noch mehr an der selbst herbeigeführten Irrelevanz zu knabbern haben – und doch können wir nichts ändern. Um es mit Kafka zu sagen: »Der, welchen Tausende umjubelt hatten, konnte sich nicht in Schaubuden auf kleinen Jahrmärkten zeigen, und um einen andern Beruf zu ergreifen, war der Hungerkünstler nicht nur zu alt, sondern vor allem dem Hungern allzu fanatisch ergeben.«

»In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an Hungerkünstlern sehr zurückgegangen«, so beginnt Kafkas Erzählung, und es ist sehr wahr. Deutschland hungert sich aus, eine nationale Psychose, und als solche für Außenstehende langweilig.

»Nun macht aber Ordnung!« sagt der Aufseher, und man begräbt den Hungerkünstler samt dem Stroh seines Käfigs. In den Käfig aber zieht ein junger, kraftstrotzender Panther ein, und über diesen schreibt Kafka: »nicht einmal die Freiheit schien er zu vermissen, dieser edle, mit allem Nötigen bis knapp zum Zerreißen ausgestattete Körper schien auch die Freiheit mit sich herumzutragen; irgendwo im Gebiss schien sie zu stecken«.

Die Chancen stehen gut, dass was auch immer nach uns kommt, die scharfen Zähne eines Raubtieres fletschen wird.

’s ist bald klüger

Kafka schrieb den Hungerkünstler zwei Jahrzehnte, nachdem Rilke sein Gedicht vom Panther schrieb (welches ich im Essay »Bleibt wütend!« vom 23.1.2020 besprach und sogar selbst vorlas). Wir dürfen davon ausgehen, dass er durchaus wusste, welches Schicksal auch dem Panther drohen würde – doch bis dahin, in der ersten Zeit, zu Beginn würde der Panther, wie der Hungerkünstler, durchaus attraktiv sein – und gefährlich dazu.

Ach, was nutzt es denn, unseren Hungerwahn zu beklagen? Ich habe ausgesprochen, sollte es damit aber dann nicht genug sein? – Das Kluge schiene mir zu sein, sich auf den Panther gefasst zu machen, der nach uns kommt.

’s ist bald vergeblich, den Hungernden überzeugen zu wollen, vom Hungerwahn abzulassen. ’s ist bald klüger, dem Panther ins Auge zu sehen, der den Hungernden bald ablöst.

Lasst den Hungerkünstler hungern, wenn er sich nicht überzeugen lässt – was wollt ihr auch tun?

Haltet Ausschau nach dem Panther, der an des Hungerkünstlers Stelle kommen wird. Übt euch schon einmal darin, den Pranken wie auch dem Blick des Panthers auszuweichen, und vor allem vom Blitzen seiner Zähne nicht verführt zu werden.

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