Zwei Straßen weiter wohnt ein Kampfhund. Okay, okay, ich weiß, dass »Kampfhund« ein ungenauer Begriff ist, und meine Gattin Elli erklärt mir, dass es ein Staffordshire Terrier ist, doch Sie und ich wissen, wovon ich rede: Ein Tier mit kleinen Augen und riesigem Kiefer, ein geschätzter Zentner vibrierender Muskelmasse, und wenn es spazieren geführt wird (»es« ist übrigens ein Weibchen), dann zerrt das Tier an seiner Lederleine, knurrt und schnauft – und man fragte sich, wann die zierliche Besitzerin einen Roller oder ein Skateboard kauft, um sich dank der Kraft ihres Zerberus effizient fortzubewegen, statt immerzu darum zu kämpfen, nicht umgerissen zu werden.
Schläger und Schnüffler
In Deutschland ist, mit mindestens ideeller Rückendeckung von Teilen der Politik und der politiknahen Medien, eine linke und anti-demokratische, latent gewaltbereite Szene entstanden, in direkter Tradition gewisser Kampfgruppen der Weimarer Republik. In klügeren Zeiten wurden diese Leute etwa vom SPD-Mann Wehner »rotlackierte Faschisten« genannt, wenn sich diese Leute auch »Antifa(schisten)« nennen – wie schon in der DDR steht »Faschisten« im hassverzerrten Mund dieser Leute schlicht für »politischer Gegner«, und da ihr Ansinnen von wenig demokratischem Geist getragen ist (linke Rechtfertigung für Macht sind Gewalt, Mob und Gleichschritt, nicht demokratische Debatte, informierte Wahlen und Interessenausgleich).
Wir haben uns ja (fast) schon daran gewöhnt, so gut man sich als Demokrat daran gewöhnen kann, dass und wenn »Journalisten« und Polit-Funktionäre sich zu den anti-demokratischen, schwarz vermummten Antifa-Schlägertrupps bekennen. Doch, bislang wurde zumindest so getan, als ob es eine Schamgrenze gäbe zwischen individueller Meinung etwa eines Abgeordneten und der offiziellen Stellung der Behörden und Gerichte. Bislang wurde auch zumindest formal getan, als sei man doch nur gegen Faschisten (und wenn es ginge, würde man wieder einen antifaschistischen Schutzwall bauen?!), und dass die selbsternannten »Antifaschisten« irgendwas mit Gewalt zu tun haben, das hören die bekennenden Antifa-Sympathisanten immer zum ersten Mal (und halten es für eine Lügenverschwörung der – Trommelwirbel bitte! – der Faschisten).
Vor einigen Tagen wurde, unter anderem mit Hilfe des Merkel-Wahlvereins, SED-/PDS-/Die-Linke-Mitglied und »Anti-Kapitalistin« Barbara Borchardt zum Mitglied des Verfassungsgerichts von Mecklenburg-Vorpommern ernannt (siehe auch Essay vom 19.5.2020).
Wenn die politische Karriere nahtlos von der Sozialistischen Einheitspartei über den Antikapitalismus ins Verfassungsgericht führt, dann darf der Demokrat schon mal Rauch erkennen – und wo Rauch ist, da ist bekanntlich Feuer, und es braucht nicht einmal Antifa- oder Stasi-artige Schnüffelei, um die Flammen zu finden.
In der BILD-Zeitung berichtet Sven Hadon, dass die DDR-Diplom-Juristin vor gar nicht langer Zeit an einer Antifa-Demonstration teilnahm, bei der offen zur Gewalt gegen »Nazis« (= Antifa-Code für politische Gegner) aufgerufen wurde (bild.de, 30.5.2020). Borchardt steht stolz und selbstbewusst direkt neben einem Plakat auf dem auf Englisch geschrieben ist (ich übersetze): »Faschisten, lauft lieber! Wir werden euch Nazi-Abschaum zusammenschlagen!«
Borchardt wurde damals auch wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten angezeigt, doch das Verfahren wurde – oh welche Überraschung! – eingestellt. Das berichtete Geschwurbel der Staatsanwältin zur Begründung des Skandalurteils ist dann doch bemerkenswert: Es seien wegen heutiger »Reizüberflutung« auch »einprägsame, teilweise auch überpointierte Formulierungen« hinzunehmen (bild.de, 30.5.2020). Ah ja. Man hört: »Es ist nicht verboten, wenn unsere Leute es tun.«
»Jährliche Einnahmen von über einer Million Euro«
Es ist nicht das erste Mal in jüngerer Zeit, dass ein Organ, dass die Verfassung schützen und verteidigen soll, mit bemerkenswerten Personalentscheidungen bedacht wurde. Wir erinnern uns an den Fall des CDU-Mannes Stephan Harbarth, der etwa im Bundestag den aus demokratischer und rechtsstaatlicher Sicht fragwürdigen »Migrationspakt« glühend verteidigte (siehe Essay vom 9.11.2018) und auch sonst nicht als Merkel-Kritiker auffiel (um es höflich zu sagen), dafür aber wohl mit sehr, sehr, sehr netten Nebeneinkünften (handelsblatt.com, 5.3.2020 : »Jährliche Einnahmen von über einer Million Euro«) – und nun wird er schließlich Chef des Bundesverfassungsgerichts, und wie Jürgen Mladek im Nordkurier feststellt (nordkurier.de, 23.5.2020), nun über Gesetze entscheiden könnte, die er selbst mitbeschloss. Mladek ist noch milde, wenn er konstatiert, dass man nach Harbarth und Borchardt eher vorsichtig damit sein sollte, mit dem Finger auf Ungarn oder Polen zu zeigen.
Nun, gut, unter Merkel und Staatsfunk rutscht Deutschland täglich und längst-nicht-mehr-schleichend aus dem heraus, was ich als »spürbar den Werten der Demokratie verpflichtet« empfinde – und doch, dass nun auch Menschen zur angeblichen Verteidigung des Systems eingestellt werden, die es offen und aggressiv abzulehnen scheinen – das ist selbst für die von innen her vergammelnde Merkel-Staatsfunk-Denkart neu. (Man beachte auch das Interview mit der sympathischen Frau Borchardt in sueddeutsche.de, 28.5.2020, mit Zitaten wie »Warum muss mit Wohnen Geld verdient werden?« – In Deutschland werden Interviews nach Gegenlesen freigebeben, man fragt sich, was sie noch sagte, wenn sie das stehen ließ.)
Die Antifa ist, ähnlich wie die Terrororganisation »Islamischer Staat«, eine Chimäre aus losen Vereinigungen und einer Art von »Ideologie mit Markenbewusstsein«. Als »Antifa« treten heute sowohl Schläger-Banden als auch »Hobby-Spitzel« auf, die einerseits Oppositionelle und die politischen Gegner des Staatsfunks und politiknaher Medien an Leib und Leben bedrohen – andererseits auch anonyme Schnüffelarbeit leisten oder potentiell manipulierte Videos bereitstellen, die dann als »Nachrichten« im Staatsfunk verbreitet werden könnten, von wo aus sie der Regierung als Beleg für die »Wahrheit des Tages« gelten würden (siehe auch »I’ve Seen the Future, Baby!« vom 29.8.2018).
Ob wir sein Spielzeug sein wollen
Wir kennen ihn, diesen Beruhigungssatz von Hundebesitzern – und vielleicht haben wir ihn häufiger als sarkastisches Zitat denn tatsächlich ernstgemeint gehört: »Der will nur spielen!«
Was ist denn die Situation, in welcher der Satz – und sei es dem Klischee nach – ausgesprochen wird?
Man stelle sich vor, die vierbeinige Kampfmaschine knurrt und fletscht die Zähne, und uns wird Angst und Bange, und der Hundebesitzer tut unsere ganz natürlichen Alarminstinkte als Fehleinschätzung ab, und all die Berichte über Hunde, die jemandem das Gesicht abbissen, werden als Vorurteil und Ignoranz und Rechtssein abgestempelt, und man versichert uns gegen allen unseren Augenschein, der Hund wolle »doch nur spielen«. (Unwillkürlich fragen wir uns, was der Hund wohl unter »Spielen« versteht, und ob wir sein Spielzeug sein wollen.)
Ähnlich wie mit dem zähnefletschenden Kampfhund werden wir auch im Fall des zähnefletschenden Sozialismus beschwichtigt – aus »der will nur spielen« wird »der Sozialismus wurde nur noch nicht richtig ausprobiert«.
Ich halte Sozialismus nicht wirklich für eine politische Richtung, sondern für eine Taktik der Machterlangung. Im Essay »Gegen Links, für die Menschlichkeit« schrieb ich:
Bei genauerer Betrachtung stellt man fest: Sozialismus ist nicht wirklich eine Gesellschaftsform. Sozialismus ist eine Taktik der Machterlangung, und sie besteht darin, mit den denkbar vulgärsten populistischen Versprechen an die Macht zu gelangen – und dann die Menschen zu knechten, bevor sie merken, dass sie belogen und betrogen wurden.
Sozialismus ist der Versuch, an allen bewährten Legitimationsverfahren vorbei Macht zu erlangen, es beginnt immer mit populistischen Versprechen (Wohnen ist gratis! Reichtum für alle!), und es geht bald in Arbeitslager, Folter und Verfolgung über, und es mündet entweder im Zusammenbruch des Systems – oder geht es wie China (manche sagen: und Putin-Russland) in mindestens zum Teil kapitalistische Systeme über, in denen sich noch immer eine Machtelite selbst reichlich bedient, aber die »kleinen Leute« gewisse unternehmerische und ideologische Freiheiten erhalten (solange sie nicht die Macht »derer da oben« hinterfragen).
Macht und Unterwerfung
Ein paar sozialistische Sprüche über die Verstaatlichung, geäußert von einem Studienabbrecher in den oberen Fluren der Medienkonzern-Partei, ein paar antikapitalistische Sprüche von einer Verfassungsrichterin – all das ist nicht so schlimm, »die wollen doch nur spielen« – richtig?
Wir kannten jenen Kampfhund, der zwei Straßen weiter wohnt, als er noch ein süßer kleiner Welpe war. Frei nach Silverman: Sozialisten, ob Nationale oder die mit der Internationale, sind gefährlich – auch wenn sie niedlich sind solange sie klein und schwach sind.
Wir kannten jenen Kampfhund, als er noch ein süßer kleiner Welpe war, doch macht ihn das weniger gefährlich?
Ja, wir kennen den Sozialismus, der heute wieder in Deutschland seinen Hals aus dem Sumpf der Ideengeschichte reckt – und er ist kein Iota weniger gefährlich, weniger zynisch, weniger von eigener Macht und Unterwerfung des Volkes besessen.
Elli sagt, der Hund aus der Nachbarschaft sei bestimmt verwirrt von der Welt, die ihn eben noch liebkoste, mit ihm knuddelte und spielte – und sich nun vor ihm fürchtet. Es ist viel Wahres in Ellis Worten – im Sozialismus jedoch sehe ich nichts, was ihm das moralische Recht geben könnte, wieder aus dem Abgrund hervor zu steigen.
Unbeschadet überlebt
Es gibt Menschen, die haben eine Pistolenkugel überlebt (wie sie etwa von den Grenzern am »antifaschistischen Schutzwall« geschossen wurde, auf Befehl der Mauermord-Partei). Es gibt Menschen, die haben überlebt, mit Messern aufgeschlitzt zu werden (etwa von »jungen Männern«, welche eingeladen wurden, um die Kassen gewisser Organisationen zu füllen). Es gibt Menschen, die haben es überlebt, im Fass die Niagarafälle hinunter zu stürzen (und dann schrieben sie Bücher darüber).
All das gibt es, so unwahrscheinlich und riskant es ist. Jedoch: Es gibt keinen Staat, keinen einzigen, der den Sozialismus unbeschadet überlebt hätte.
Es gibt zwei Weisen, auf welche sich Staaten entwickeln können, wenn sie einmal vom Gedankenvirus des Sozialismus befallen sind – entweder Leid, Unrecht, Zusammenbruch und Übergang in eine andere Staatsform wie Hitler-Deutschland, DDR oder die UdSSR – oder den Übergang in eine andere Misch-Staatsform wie China.
Wer hätte gedacht, dass wir uns in Deutschland wünschen könnten, dass Deutschland mehr wie China wird – weil die plausible Alternative noch bedrohlicher zu sein droht?!
Demokratie braucht kluge Bürger und ehrliche Debatte – Sozialismus braucht blinden Gehorsam und die Bereitschaft, erlaubte und verbotene Wahrheit nach politischer Tageslage zu bestimmen.
Nein, der Kampfhund will nicht »nur spielen«, er will Fleisch fressen, viel Fleisch, und dass es nicht unser Fleisch ist, dass er frisst, liegt einfach nur daran, dass es für ihn aktuell komfortabler ist, das Fleisch aus der Dose zu fressen. (Und wenn Ihr Hund lieber verhungern würde, als sich an Ihnen zu bedienen, dann Glückwunsch: Ihr Hund ist menschlicher als der Sozialismus, denn der frisst die Menschen schon, bevor die Not da ist, und wenn dann die Not kommt – und sie kommt zuverlässig! – dann fressen sich die Menschen auch untereinander (oder verpfeifen einander bei den Behörden, was die Vorform des Einanderfressens ist).
Nein, die Sozialisten wollen nicht nur spielen – sie sagen ja auch heute offen, dass sie politische Gegner erschießen oder, als Gnade gewissermaßen, zur Zwangsarbeit abordnen wollen (siehe: »… wenn wir dat ein Prozent der Reichen erschossen haben«). Inzwischen ist es deutscher Alltag, dass politische Gegner von Antifa-Schläger bedroht und ins Krankenhaus geprügelt werden – und das, während Deutschland noch als Demokratie gilt.
»Wehret den Anfängen«, sagt man in Deutschland an sonnigen Sonntagen. – Wenn Linksextreme auf Abweichler einprügeln und sogenannte »Antikapitalisten« von der CDU als Richter berufen werden, könnte man fast annehmen, dass wir über die Anfänge hinaus sind.
Wir brauchen neue Sprüche, denn das hier sind nicht mehr die Anfänge. Der Sozialismus will nicht »nur spielen« – und wir sollten keine Sekunde lang davon ausgehen, dass dem so wäre. Eher liefere ich meine Kehle dem Kampfhund aus als meine Kinder den Sozialisten.