Stellen wir uns eine Brücke vor. Eine schmale Brücke, hoch über einer Schlucht, an dürren Seilen aufgehangen. Es ist gerade für einen Menschen genug Platz. Man tritt auf alte Bretter, man sucht Halt. Wer hat die Brücke aufgehangen? Wir wissen es nicht.
(Übrigens: Darf ich Ihnen diese Einleitung persönlich vorlesen? Zum Beispiel via YouTube, Spotify oder SoundCloud!)
Unter uns, zwischen den morschen Trittbrettern, geht es weit in die Tiefe. Ein falscher Tritt, ein zerbrochenes Brett, und dann nicht schnell genug festgehalten, schon geht es hinab – man wäre nicht der erste, der hinabstürzt, bevor das andere Ende erreicht ist – man wäre nicht der letzte.
Wir setzen Fuß vor Fuß. Wir müssen. Wir wissen ja nicht, wieso wir hinüber müssen, doch dass wir hinüber müssen, dass wir hinüber sollen und dass wir hinüber wollen sollen, das sagen wir uns selbst. An guten Tagen glauben wir auch, was wir uns da selber sagen.
Ein Schritt, noch ein Schritt. Windstöße, die Brücke schwankt und wir schwanken mit. Unsere Finger klammern sich an die Seile. Die Füße suchen nach dem nächsten Trittbrett. Der Fußballen prüft, ob das Brett hält, bevor die Ferse auftritt.
Für ein Dutzend Schritte geht es gut. Das andere Ende der Brücke liegt im Nebel. Der Nebel dort ist derselbe Nebel wie der unten, in der Tiefe, wohin mancher stürzt, bevor er das andere Ende der Brücke erreicht. Wir wissen nicht, was in jenen Nebeln liegt.
Wir wenden uns noch einmal um, schauen zurück wo wir herkamen, um noch einmal nachzudenken, die ganze Angelegenheit zu prüfen. Wir sehen, dass die Holzbretter, die uns hierher trugen, hinter uns zerbrochen sind.
Es ist eine magische Brücke, und es geht jedem Wanderer so, doch jeder meint, er sei der erste, dem das passiert. – Es gibt kein Zurück, die Zukunft liegt im Nebel, ein Tritt daneben und wir stürzen hinab.
Was ist die weise Strategie, wie soll der Mensch die Schritte setzen? Ist die Brücke all die Mühe überhaupt wert?
Kein Gedanke vermag sich lang genug zu halten. Wir spüren schon das Brett unter unserem Fuß sich gefährlich biegen. Es drängt uns, schnell den nächsten Schritt zu wagen. Besser der Nebel am anderen Ende der Brücke als der Nebel in der vorzeitigen Tiefe.
Mehr, stärkere Windstöße. Es kracht und knarzt in Seilen und Bretten. Wir suchen Halt, doch was hält das, woran wir Halt suchen?
Noch ein Schritt, Mensch. Noch ein Schritt!
Delfine im Nebel
Es kann einem passieren, dass man einen Bekannten mit den lustig gemeinten Worten grüßt: »Altes Haus, warum so missmutig? Wer ist gestorben?« – Und das »alte Haus« antwortet etwa: »Mein Bruder. Ein Autounfall.« – Aus dem Spaß wird Ernst und man fühlt sich als Fragesteller wie aus den Gleisen geworfen.
Ich habe oft genug gescherzt, vielleicht auch nur »halb« gescherzt, aber doch gescherzt, dass manche Verschwörungstheorien von gestern die Wahrheiten von heute seien. Die logische Konsequenz wäre, dass auch ein guter Teil der Dinge, die uns heute gesagt werden, sich morgen als Lüge herausstellen – und manche Verrücktheiten von heute morgen als »normal« gelten.
Seit Monaten erweist sich das, was von oben bestritten, diffamiert und in die Nähe der illegalen Aussage gerückt wird, nur Tage darauf als ganz selbstverständliche Wahrheit. (Wir haben es dokumentiert, siehe etwa die Essays »Corona-Virus? ›… alle erstmal durchatmen‹!« und »Vom ›Kampf gegen COVID-19‹ wird der ›Kampf‹ bleiben«.)
Einiges, was man vor Wochen noch eher nur bei freien Medien las, und auch dort oft nur »zwischen den Zeilen« (vergleiche etwa mein Essay vom 24.3.2020), wird nun auch in »braven« Zeitungen wie dem Handelsblatt diskutiert – plötzlich »darf man das« wohl (handelsblatt.com, 16.4.2020: »US-Diplomaten behaupten, dass ein Unfall die Corona-Pandemie ausgelöst hat«). China und Deutschland haben gemeinsam, dass man inzwischen Listen und Zeitverläufe ihrer Falschmeldungen und Beschwichtigungen aufstellen kann (für China nationalreview.com, 23.3.2020, für Deutschland siehe etwa den Twitterer @kartoffeligkeit, 17.4.2020). Die Suche nach der Wahrheit fühlt sich an wie der Gang über eine schmale, schwankende Brücke, vor uns liegt der Nebel und hinter uns brechen die Bretter weg – wer würde es nicht mit der Furcht zu tun bekommen?
Was liegt auf der anderen Seite der Brücke, was wartet auf uns im Nebel? Manche versprachen sich Utopien. Immerhin schwimmen jetzt Delfine in den Kanälen von Venedig! (Es stimmt nicht wirklich, siehe snopes.com, 20.3.2020, aber ist die Geschichte nicht herzerwärmend?! Pandemie for Future!)
Manche zeichnen deutlich düstere(re) Szenarien. Man muss kein Profi-Dystopiker sein, um zu begreifen, dass Wirtschaft schneller abgerissen als aufgebaut wird, dass Regierungen und gewisse Organisationen gern ihre Macht und Möglichkeiten erweitern, diese aber sehr ungern wieder abgeben.
Man redet viel vom »Abflachen der Kurve«, doch man hatte das Bild vor Augen, dass die »Kurve« symmetrisch so schnell runtergeht, wie sie hoch ging. In Italien »flacht« die Kurve ab, das ist wahr, doch die Menschen sterben weiter, mehr als zuvor (vergleiche etwa Bloomberg via finance.yahoo.com, 16.4.2020: »This Isn’t the Flattened Curve We Were Promised« (»Dies ist nicht die abgeflachte Kurve, die uns versprochen wurde«)). Es scheint tatsächlich so, dass Deutschland bislang dem Schlimmsten entgehen konnte.
Nun plant etwa in NRW das FDP-geführte Schulministerium die Schulen schrittweise wieder zu öffnen, und als wollte die FDP alle Klischees ob ihrer Kälte bestätigen, erklärt die dortige Schulministerin anlässlich der frühen Öffnung : »Wir haben natürlich auch vereinzelt Todesfälle, mit denen Schülerinnen und Schüler klarkommen müssen; wir bieten hier Unterstützungsangebote an…« (wdr.de, 16.4.2020, ab ca 3:23). Ich hoffe, dass die FDP-Ministerin die Todesfälle bis dahin meint – ich weiß nicht, wie sie davon ausgehen kann, dass es keine weiteren Todesfälle durch eine frühe Öffnung der Schulen geben wird, wodurch das »klarkommen« sich eben auch auch auf diese bezöge.
Als wollte auch die SED-SPD-Buntstifte-Regierung in Berlin ihr Image nachziehen, erklärt man, dass pünktlich zum Ramadan wieder religiöse Veranstaltungen wieder zugelassen werden (bz-berlin.de, 16.4.2020 (das große Iftar-Fest angeblich nicht – mal schauen; vielleicht gilt auch weiterhin die Vorhersage: »Ostern alles zumachen, Ramadan wieder öffnen, und Weihnachten dann wieder zumachen«, siehe Essay vom 13.4.2020) – warum hat Berlin eigentlich einem vom Verfassungsschutz beobachteten islamischen Geistlichen zusätzlich zur reichen Sozialhilfe als »Corona-Hilfe« stolze 18.000 Euro ausgezahlt?; siehe bild.de, 17.4.2020).
Wir tasten uns über eine schmale Brücke in die Zukunft, und die andere Seite der Brücke liegt im Nebel. Durch die Pandemie wurde der Nebel dichter, und manchmal hat man das Gefühl, dass nicht nur einige der lieben Mitmenschen auch noch an der Brücke ziehen und zerren, sondern dass die Regierung diese Leute auch noch dabei ermutigt – wenn sie nicht selbst gerade die Bretter ansägt!
Viele Bürger, auch unter Ihnen, liebe Leser, sind der Meinung, die Corona-Gefahr sei weit übertrieben worden. Vielleicht liegen Sie richtig. Ich hoffe, dass Sie richtig liegen. Ich hoffe, dass danach nicht etwas ganz anderes kommt. Und gegen meinen Willen fällt mir jener Leser ein, der in diesem Kontext von einer »Übung« sprach (siehe Essay vom 20.3.2020). Eine »Übung« wofür? Verschwörungstheoretiker munkeln, es sei alles nur eine »Übung« fürs »große Stillhalten«, wenn die Tore nach Europa extra weit geöffnet werden. Ich halte nichts von Verschwörungstheorien, denn die sind alle falsch. (Außerdem wird es jetzt Einwanderern, die jahrelang über ihre Identität logen, »schwerer« gemacht, den deutschen Pass zu bekommen. Alles wird gut. – tagesschau.de, 17.4.2020 ) In anderen Nachrichten lesen wir übrigens: Die EU-Kommission fordert, dass Asylanträge jetzt auch per E-Mail gestellt werden können, denn auch in der Corona-Krise müssten Asylanten »im größtmöglichen Maße« weiter Zugang zum Asylsystem haben (rnd.de, 16.4.2020). Das steht so da. Schön, dass die EU zurück zu ihren Kernthemen gefunden hat. Für ihr wenig überraschendes Versagen in Sachen Corona-Krise und Italien hat sie sich ja »entschuldigt«; tagesschau.de, 16.4.2020. Die Toten werden nicht wiederauferstehen, nicht fürs Erste, und das liegt nicht nur daran, das Ostern abgesagt wurde – in den Kirchen. Es ist eine schmale, brüchige Brücke, über die wir schreiten, und diejenigen, die uns Geld für den Brückenbau abgenommen haben, verschleudern das Geld an »Berater«, während die Brücke gefährlich verrottet.
Es macht den Blick nach vorne, ans andere Ende der Brücke, nicht beruhigender, wenn wir hören, dass sich Menschen das Leben nehmen, deren Job es eigentlich sein sollte, für uns nach vorne zu schauen. (rnd.de, 17.4.2020: »Drei Wochen nach dem mutmaßlichen Selbstmord des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer ist ein weiterer Mitarbeiter des Ministeriums tot in seinem Büro aufgefunden worden. Die Polizei geht von einem Freitod aus.«) – Über welche Brücke diese beiden Menschen auch gingen, was auch immer sie vor sich sahen, ob als Privatmenschen oder als Funktionsträger, die Brücke nicht zu Ende zu gehen erschien ihnen erträglicher als noch einen Schritt in Richtung jenes Nebels am anderen Ende zu unternehmen. Ich wünsche den Familien die Kraft, nicht an der Verzweiflung zu zerbrechen.
Es kann einem passieren, dass man einen Bekannten trifft, der einem sehr wirr klingende Theorien erzählt, und erst will man lachen, und dann bleibt einem das Lachen im Hals stecken. Es ist derselbe Bekannte, der einem erzählte, es würde zu Ausgangssperren kommen, und dann verwies man auf die Meldungen des Staatsfunks, und nur Stunden später war man blamiert (siehe Essay vom 18.3.2020).
Man erinnert sich an die wilden Theorien jenes Bekannten, eine nicht-gewählte Elite wollte die Welt zur Impfung zwingen, und man erinnert sich, wie man ihn auslachte, und dann spricht der Milliardär und Pharma-Investor Bill Gates (via Stiftung, siehe wsj.com, 16.5.2020) in den Nachrichten des deutschen Staatsfunks wie selbstverständlich im Duktus des Weltherrschers: »Große Stadien werden vermutlich geschlossen bleiben. Gleichzeitig müssen die Tests weiterlaufen, damit man weiß, ob es irgendwo wieder einen Anstieg der Ansteckungen gibt« (tagesschau.de, 12.4.2020). Was an Journalismus im deutschen Staatsfunk vorhanden war, das ist mit der Pandemie wohl endgültig abgeröchelt. Man tut nicht mal mehr, als ob man etwas anderes wäre als das, was man ist. Beim Betrachten des englischen Interview-Videos windet man sich geradezu vor Fremdschämen, wenn man sieht, wie der Vertreter des deutschen Staatsfunks dem Globalisten und Pharma-Investor die globalistischen Stichworte zuspielt (stellenweise scheint Gates selbst lachen zu müssen über die durchsichtigen Stichworte des Staatsfunkers). Gates spricht von der Impfung, die »wir 7 Milliarden Menschen geben werden«. Von welchem »wir« spricht er, immer wieder? – Es wird Zeit, zu prüfen, warum bei den Bildern von der Mondlandung die Sterne im Hintergrund fehlen.
Dackel mit Gehschaden
Stellen wir uns eine Brücke vor. Eine schmale Brücke, hoch über einer Schlucht, und wir tasten uns über diese Brücke, weil wir müssen, weil im Vortasten über diese Brücke das Leben selbst besteht, und es ist ein Paradox: Je mehr die Brücke schwankt, je unsicherer die Seile sich anfühlen, umso stärker klammern wir uns an eben diese. (Deshalb steigen die Umfragewerte der Regierenden in der Krise. Selbst ein Dackel mit Gehschaden würde in einer Bedrohungslage seine Umfragewerte verbessern, wenn er nur zuvor an der Macht gewesen wäre.)
Ich verstehe diejenigen sehr gut, die endlich alle Sperren aufheben möchten. Ich verstehe die Vorsichtigen, die lieber noch etwas abwarten würden. Das stärkste Argument für eine baldige Lockerung wäre für mich noch nicht einmal, dass »das Virus schon nicht so schlimm sei«. (China hat übrigens aktuell mal eben die offiziellen Todeszahlen für Wuhan um 50 Prozent angehoben, siehe bbc.com, 17.4.2020.) Das stärkere, wenn auch fast schon »philosophische« Argument für Lockerungen und »Normalisierung« (sprich: »wie vorher«) wäre für mich, dass die Angelegenheit noch sehr lange dauern kann, dass wir nicht wissen, wie stark diese Brücke noch schwanken wird, was es ist, das da »im Nebel liegt«. Wenn der Bürger »durchhalten« soll, darf er nicht das Gefühl vergessen, wofür er durchhält.
Wenn wir Bürger »bei der Stange« bleiben sollen (»bei der Fahne« wäre ja heute problematisch), dann dürfen wir nicht vergessen, was es alles Schönes gibt, was uns Freude bereitete, was echte Gemeinschaft uns wert war.
Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird. Manche verrückte Verschwörungstheorie von gestern ist die selbstverständliche Wahrheit von heute.
Die Brücke schwankt und wir tasten uns doch voran – was sonst sollen wir tun? Es gibt ja keinen Weg zurück! Diese Brücke ist unser Schicksal und jener Nebel ist unsere Zukunft.
Schon vor der Pandemie war es unsere Aufgabe, jeden Tag das Lebens lebenswert zu machen – heute, in der Pandemie, gilt das nicht weniger, sondern mehr.
Die ganze Welt ist eine schmale Brücke. Das Wichtigste ist, sich nicht zu fürchten.