Erinnern Sie sich noch an die Textaufgaben in der Mathematik, in der Grundschule damals? Es waren die merkwürdigsten Szenarien: »Otto hat 20 Äpfel, davon isst er 10. Wie viele Äpfel bleiben Otto übrig?« – Wir rechneten auf unseren zehn kleinen Fingerchen, und irgendwann hatten wir die Lösung (schätzungsweise zwischen fünf und achtzehn Äpfeln, vielleicht auch elf Orangen und eine Banane, aber wahrscheinlich Äpfel). Erst Jahre später, wenn überhaupt, fragten wir uns, was für einen Magen und Appetit dieser Otto hatte, wenn er einfach so zehn Äpfel verputzen konnte!
Nun, diesen komischen Figuren mit den absurd vielen Äpfeln, oder Toilettenpapier-Rollen treffen wir heute schon mal im Supermarkt: »Gabriele hat daheim tausend Rollen Toilettenpapier, sie kauft 500 Rollen dazu – wie viele Jahrzehnte kann Gabriele auf dem stillen Örtchen verbringen?« (Verzeihung an die Leserinnen, die »Gabriele« heißen – irgendeinen Namen musste ich ja wählen!)
Nicht nur die Textaufgaben der Mathematik erweisen sich dieser Tage als überraschend praktisch (nebenbei: im Text »War 2015 ein ›Testlauf‹?« be- und verhandele ich die alte Redeweise, wonach man angeblich fürs Leben und nicht die Schule lernt) – auch die Absurditäten und Gehirngymnastik der Philosophen werden überraschend relevant!
Ein altes Paradox der Philosophen triezt uns mit der Behauptung, dass alle Kreter angeblich lügen – ausgesprochen von einem Kreter.
Wenn es stimmen täte, dann hätte er damit ja gelogen, und damit wiederum die Wahrheit gesagt, und damit wiederum gelogen – wenn auch Sie sich bereits zur Quarantäne zurückgezogen haben, dann können Sie es ja noch eine Zeit lang weitertreiben…
… oder Sie können über ein anderes Thema nachdenken: Stellen wir uns komplett hypothetisch vor, dass Politik und Staatsfunk in der Hälfte der Fälle die Wahrheit sagen – und in der anderen Hälfte der Fälle die Wahrheit eher so im Sinne von Regierung und linkem Narrativ »massieren«. Wie würden Sie bestimmen, was wahr ist und was nicht? Wie würden Sie auswählen, worauf Sie hören und was Sie verwerfen?
Einfach das Gegenteil
Es gibt, weltweit, fast nur ein Thema: das chinesische Wuhan-Virus, dessen globaler Hotspot inzwischen die aktuell recht unnütz wirkende Europäische Union ist.
Täglich erweisen sich Meldungen, die eben noch vom Staatsfunk und von politiknahen Medien als »Fake News« und »Falschmeldung« abgetan wurden, nur wenig später als wahr.
Der Mundschutz wurde lächerlich gemacht (siehe Essay vom 13.3.2020), jetzt ist er selbstverständlich. Ausgangssperren wurden dementiert – innerhalb von nur Stunden kamen sie dann doch (siehe Essay vom 18.3.2020).
Manche sagen sarkastisch: »Wenn du wissen willst, was wirklich passiert, achte darauf, was der Staatsfunk sagt, und glaube einfach das Gegenteil« – ach, wenn es nur so einfach wäre!
Der Staatsfunk sagt, was der Politik und dem linkem Narrativ dient. Es ist oft falsch, es ist manchmal richtig. Nichts ist dadurch begründet, dass der Staatsfunk es sagt – doch, Vorsicht: Es ist dadurch auch nicht automatisch falsch!
Wir müssen selbst denken und Informationen bewerten lernen – und dazu gehören wichtige Denktechniken und mathematische Phänomene wie exponentielles Wachstum.
Der Verdacht
Einige von uns haben Zweifel an den Meldungen zum Coronavirus. Eine Argumentationslinie lautet: Wenn es so gefährlich ist, warum sterben in Deutschland so wenige?
Nun, wir wissen alle, dass in China oder Italien viele Infizierte elend gestorben sind – und weiter sterben. Gestern kursierten Bilder von Armee-Fahrzeugen voller Särge, die aus der Stadt gefahren wurden, weil die Krematorien überlastet sind (siehe bild.de, 19.3.2020). Die Todesanzeigen in italienischen Zeitungen füllen Doppelseite um Doppelseite (@FlorianFlade, 17.3.2020).
Man kann vermuten, warum die Todes-Zahlen in Deutschland niedriger sind (für aktuelle Zahlen siehe etwa worldometers.info/coronavirus). Man kann erwähnen, dass in Deutschland die Leichen nicht getestet werden. Man kann aber auch die Luft anhalten, und abwarten, wenn man erfährt, dass die Zahl der Infektion nach neuen Meldungen in Deutschland schneller steigt als in Italien (focus.de, 19.3.2020). Ich sehe eine weitere mögliche Begründung: Wir denken falsch – gefährlich falsch.
Das Denkexperiment
Ich darf uns auf das Phänomen exponentielles Wachstums hinweisen – und ich denke mir ein sehr einfaches, weitgehend fiktives Beispiel dafür aus – eines, in dem jeder Infizierte genau zwei weitere Menschen infiziert und alle von ihnen eingeliefert werden, und wo ein Patient am Beatmungsgerät nach einer Woche wieder gesund ist – und ansonsten tot.
Nehmen wir an, dass am ersten Tag der fiktiven Pandemie genau ein Mensch infiziert und eingeliefert wird. Er belegt eines von zehn Beatmungsgeräten – er stirbt also nicht.
Dann, Tag Zwei: Der eine Infizierte hat zwei weitere Menschen infiziert – in diesem ultra simplen Beispiel – und auch die beiden werden eingeliefert – und schon sind drei Geräte belegt – und immer noch ist niemand tot.
Tag Drei: Die beiden vom Vortag haben wieder jeder zwei Menschen infiziert, also vier Infizierte, und die werden eingeliefert, und insgesamt sind nun sieben von zehn Geräten belegt – und noch immer ist niemand tot.
Tag Vier: Die vier Neuinfizierten haben, bevor sie eingeliefert wurden, selbst immerhin acht Leute infiziert. Die werden zwar eingeliefert, doch es gibt nur noch drei freie Beatmungsgeräte – und fünf Menschen sterben.
Tag Fünf: Bevor sie eingeliefert wurden, haben die acht Infizierten selbst insgesamt 16 weitere Menschen infiziert – und kein einziger Beatmungsplatz steht zur Verfügung. Alle 16 sterben.
Tag Sechs: Die 16 haben insgesamt 32 infiziert. Alle sterben.
Tag Sieben: Der erste Patient wird nach einer Woche geheilt entlassen. Es gibt 64 neue Infizierte, von denen genau einer behandelt werden kann – und 63 sterben.
Tag Acht: Die nächsten 2 Patienten werden entlassen. 128 sind neu infiziert, 2 können in Behandlung, 126 sterben.
Und so weiter, und so fort. Selbstverständlich ist die Realität viel viel komplizierter. Nicht alle sterben, nicht alle müssen beatmet werden. Mein Beispiel soll das exponentielle Wachstum verdeutlichen.
Die Trägheit
Die erste Aufgabe einer verantwortlichen Regierung – und des ganzen Volkes – muss es im Angesicht einer Seuche sein, die exponentielle Kurve zu unterbrechen, solange es genug Plätze gibt.
Das träge, unverantwortliche Zögern der Regierung, das linksgrüne Beschwichtigen der Medien, die fahrlässigen und hoch gefährlichen Anti-Ratschläge des Staatsfunks, das alles könnte womöglich dazu beitragen, dass in Deutschland die Pandemie dann ausbricht, wenn sie anderswo schon wieder abflacht.
Mit Verlaub, die Leute, die implizieren, so viele Patienten würden doch in Deutschland nicht daran sterben – die verstehen schlicht nicht, dass wir in der Kurve dort sind, wo Italien eben noch war – und jetzt fahren sie dort die Toten in LKWs weg. Können wir die Kurve brechen?
Die Alle-Kreter-Lügen-Situation
Wir befinden uns heute in einer Alle-Kreter-Lügen-Situation: Ich glaube Staatsfunk und Politik wahrlich nicht – ich glaube aber auch nicht, dass alles, was sie sagen, gelogen ist. Mein Vater erzählt gern das Paradox, dass man das »Rude Právo«, das Parteiblatt der Kommunistischen Partei, mit einem generellen Misstrauen gelesen hat – und nach der Flucht in den Westen beziehungsweise der samtenen Revolution, feststellte, dass doch ein guter Teil gestimmt hat – während natürlich ein Teil tatsächlich falsch und propagandistisch gelogen war – so ähnlich fühlen sich Ostblock-Hintergründler heute, im besten Deutschland aller Zeiten.
Der Weg zum Everest hinauf ist so schwer wie die letzten Schritte, nicht so leicht wie die ersten.
Wir müssen lernen, zu interpolieren, zu triangulieren, das unangenehme Logische vom nur Intuitiven zu unterscheiden. Und, wir müssen jene Dinge lernen und begreifen, welche die Politiker und Staatsfunker in ihrer ideologisch verblendeten Machtgeilheit zu begreifen unfähig zu sein scheinen.
Wir sollten uns, dringendst, die Logik des exponentiellen Wachstums vor Augen führen – spätestens heute vor einer Woche sollten wir es begriffen haben.
Es war ja schon lange vor der Krise mein Motto, und es ist so brennend und dringend wie nie: Prüfe alles, glaube wenig, denke selbst!