01.07.2021

Wir sind zu weit gefahren

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Foto von Stefano Zocca
Wir werden von Leuten regiert, die keine Werte haben außer Macht. Das klingt nur so lange harmlos, bis man erlebt, was diese Leute tun (und NICHT tun) wenn sie erst einmal Macht erlangt haben, dann aber nichts anderes können und kennen außer Machtkampf…
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Ein Autofahrer fährt in die Garage. Doch, was sehen wir da? Das Auto hält nicht an! Der Autofahrer bremst kurz ab. Er scheint, stehen zu bleiben, doch er fährt wieder an. Das Auto fährt gegen die hintere Wand der Garage.

Der Fahrer tritt weiter aufs Gaspedal. Der Motor heult auf. Der Autofahrer hält drauf. Die Räder drehen durch. Es riecht verbrannt. Es qualmt. Der Autofahrer ist bemüht, zu gucken, als solle alles genau so sein. Was stimmt mit ihm nicht?

Wo wir aber von Situationen reden, in denen es gefährlich qualmt, und man sich fragt, was mit den Verantwortlichen nicht stimmt, wären wir bei den Nachrichten des Tages!

Sehen Sie es auch?

Die großen, lauten Nachrichten heute sind ähnliche wie die lauten, großen Nachrichten gestern. Ich entdecke eine Gemeinsamkeit in den aktuellen Meldungen. Teilen Sie meine Beobachtung?

Ich will sie schnell herunterrattern, die Nachrichten, über die wir heute sprechen; ich will vorüberfahren und mit dem Finger drauf zeigen: Frau Baerbock (Essay vom 30.6.2021). Die Gewalt, welche »die Guten« verschuldeten, und also ausblenden wollen (Essay vom 28.6.2021). Die »Ermächtigung« der Regierung (Essay vom 25.6.2021). Das wenig glaubwürdige »Zeichen setzen« (Essay vom 23.6.2021). Die bald immer neuen Virus-Varianten, und mit jeder neuen Variante eine neue »Buchstaben-Panik« (Essay vom 18.6.2021). Ach, man könnte viele Nachrichten erwähnen, auch aus Übersee (etwa die von Trump-Feinden, die zwar Trump aus dem Amt entfernten und durch den grabschenden, dementen aber steuerbaren Rassisten Biden ersetzten, aber noch immer nachharken wollen).

Es sind verschiedene Meldungen. Die Zeit und Ära aber, in der sie passieren, sind dieselbe. Nicht selten sind auch die verantwortlichen Personen dieselben. Ich sehe eine geteilte Mechanik hinter diesen Ereignissen, eine mögliche Gemeinsamkeit in der Motivation. Sehen Sie es auch?

Recht jämmerlicher Vatertag

Einst sollte auf meinem Grabstein stehen, er habe die Welt zum Bessern verändert, oder er sei ein guter Clown gewesen, der die Menschen zu Lachen brachte. Heute wäre ich zufrieden, wenn drauf stünde: »Er war stets bemüht, am Irrsinn nicht selbst irre zu werden.«

»Weil man stur wird, sehr stur mit den Jahren«, so sang Juhnke, und es ist sehr wahr. Jedoch, Sturheit ist nicht die einzige Eigenschaft, die einem mit dem Alter wächst. Da wäre noch eine (nicht immer freiwillige) Bescheidenheit. Man wird bescheiden mit den Jahren. Mancher, der sich aufmachte, die Welt zu erobern, gibt sich damit zufrieden, an eben dieser Welt nicht verrückt zu werden. Der Geist soll nicht vorm Körper in den Abgrund gehen.

Eine Technik, dem Irrewerden zu entgehen, besteht darin, Muster der Dinge zu suchen (wobei mancher irre zu werden schien, als er Muster sah, wo keine waren).

Eine Gemeinsamkeit, die ich hinter vielen Top-Nachrichten dieser Tage zu erkennen meine: Die Verantwortlichen wussten zwar, wie man anfährt, Tempo gewinnt und sogar ankommt – als sie aber am Ziel waren, wussten sie nicht, wie man sich zufrieden gibt.

Frau Baerbock wäre auch ohne die »Unschärfen« in ihrem Lebenslauf an ihr Ziel gekommen. Spätestens aber, als sie jene Vita-Probleme hatte, wäre es eine gute Idee gewesen, das Buch für eine Weile auf Eis zu legen. Jedoch, sie kann und konnte nicht mehr bremsen.

Merkel war bereits die mächtigste Frau (und: Person) Deutschlands und wohl auch Europas. Da ihr Leben aber keine Richtung außer »mehr Macht« kennt, nutzt sie die Corona-Panik, um noch mehr Macht zu erlangen, um sich endlich so weit irgend möglich der lästigen Fesseln demokratischer Reste zu entledigen. Der »Zug Demokratie«, auf dem einige dieser Leute fuhren, stottert und lahmt – ergo fahren diese Passagiere auf andere als demokratische Weise weiter. (Ein ähnliches Sprachbild: Mancher Politiker ist wie ein »Affe mit Maschinengewehr«, der mit aller Kraft nach der Macht strebt, dann nichts Gutes mit ihr anzufangen weiß und sich gewiss nicht zufriedengibt – also strebt er nach mehr Macht, während er ahnungslos und unkontrolliert wild um sich ballert.)

Schwule dürfen in westlichen Gesellschaften ihr Leben nicht nur »legal« nach eigenem Gusto gestalten, sie sind längst kulturell weit prägender, als ihr prozentueller Anteil vermuten ließe. Schwule haben einen Christopher Street Day, Hetero-Männer haben höchstens den recht jämmerlichen Vatertag. Und doch geben sich gewisse »Aktivisten« nicht zufrieden, und kämpfen weiter. Für was? Macht macht Lust auf mehr Macht.

Oder die deutsche Asylpolitik, die ja Hand in Hand geht mit der Leugnung auch nur der logischen Möglichkeit, dass ein Fremder ein böser Mensch sein kann – und die zugleich ein Machtspiel ist. Wenn man jeden Kritiker schrankenloser Einwanderung zum Feind erklärt hat, dann ist jeder weitere Einwanderer ein weiterer »Sieg« über »die Bösen«, und zugleich ein Machtbeweis der Guten. Auf eine perverse Weise sind etwa die Morde von Würzburg und jede andere Gewalttat von Schlepperkunden ein Machtbeweis der Gutmenschen: »Unser Wahn kann Menschen töten, und doch könnt ihr uns nichts antun!«

Schwierige Ratschläge

Wenn einer mit dem Auto in seine Garage fährt, oder auf einen Parkplatz, oder zum schönen Aussichtspunkt auf der Klippe, und wenn er dann weiterfährt, weil er nicht anzuhalten weiß, dann wird er bald ein großes Problem haben.

Wir werden von Individuen gesteuert, die einfach nicht aufhören können. Ein Zyniker könnte unsere Politiker mit einem Piloten vergleichen, der nur das Starten und Abheben gelernt hat, aber nicht das Landen und ebensowenig den ruhigen Weiterflug (wer weiß, der weiß).

Was für ein Paradies könnte unser Land sein – zumindest im Vergleich zu heute und der drohenden Zukunft, wenn Politiker ein menschenartiges Gewissen und etwas staatsmännischen Verstand aufwiesen, so dass sie sagen könnten: »Es ist nicht schlecht, wie es ist – jetzt gilt es aber, das Erreichte zu verteidigen!« – Diese Gestalten wollen ihre Macht mehren, weil sie nichts anderes kennen und können.

»Fester als fest ist ab«, so sagen die Hand- und Heimwerker. Die Fahrt ans Meer wird nicht »erfolgreicher«, wenn man nicht kurz vorm Meer stehenbleibt, sondern immer weiter fährt, bis die Familie im Auto ersäuft, während die teuren Ledersitze irreparablen Wasserschaden erleiden. Unbegrenzte Toleranz schafft die Toleranz ab. Die eigene Wange hinzuhalten (Matthäus 5:39) gehört ohnehin zu den »schwierigen« Ratschlägen der Bibel (ein Rat, der einfacher zu befolgen ist, wenn man keine Kinder hat, dafür aber im Todesfall wiederauferstehen kann); wenn aber kinderlose Politiker die Leben und Leiber der Kinder »hinhalten«, auf dass die Politiker sich im goldenen Licht ihrer vermeintlichen Menschenfreundlichkeit laben können (während ihre Kameraden in den Wohlfahrtskonzernen einen riesigen Reibach machen), dann hat sich das gute Konzept »Nächstenliebe« in sein Gegenteil gedreht, in zynische Verachtung menschlichen Lebens, dann ist das Auto definitiv »zu weit gefahren«.

Die Vermehrung begrenzt

Ja, dies sind fürwahr Zeiten, in denen uns die Politik als Lehrer dient, wie man nicht sein sollte, wenn man glücklich sein will – oder einfach nur ein anständiger Mensch.

Der Mensch ist aufs Streben programmiert, nicht auf Erfolg und Zufriedenheit. Die Evolution hat wenig Interesse daran, dass wir zufrieden sind. Das Wesen (und damit: das praktische Ziel) der Evolution ist das Vermehren der DNA, und die DNA, deren Träger immerzu mehr Macht (und damit: Vermehrung) anstrebt, wird sich durchsetzen. Wir haben die Vermehrung begrenzt, aber nicht unser Streben, und vor allem nicht unsere dauernde Unzufriedenheit.

Ich kenne weit mehr Menschen, die an der Unfähigkeit zur Zufriedenheit kaputtgingen, als solche, die am ausbleibenden Erfolg scheiterten.

Es ist keine natürliche Eigenschaft, zufrieden zu sein. Es ist eine Frage von innerer Bildung und anständigem Charakter, am Ziel auch zufrieden zu sein und in stillem Glück seine Verantwortung zu tragen. (Wer der Merkel, manchem Mitglied der Merkelbande oder einem Staatsfunker jemals bei freier Rede zuhörte, der weiß, dass da wenig innere Bildung oder Charakter arbeitet. Man trifft im Alltag selten so verderbte Gestalten, so vulgär äffische Rohheit, wie jeden Tag in Berliner Fluren.)

Ich will lernen

Unser Land geht kaputt, weil die Mächtigen nicht vom Modus des Machtzugewinns um jeden Preis in den Modus der Bewahrung und Verteidigung ihres Landes schalten können. Werden wir den Motor noch anhalten können? Werden wir aussteigen können, und, wenn ja: Aus welcher Tür?

Unsere erste Aufgabe als Einzelne aber scheint zu sein, nicht dieselben Fehler zu machen wie die. Ich will lernen, zufrieden zu sein. Ich weiß, dass die Natur mich antreibt, unzufrieden zu sein. Zur persönlichen Reife und Menschwerdung gehört, an der einen oder anderen Stelle unserer wunderbaren Natur auch mal »jetzt ist genug« zu sagen.

In bewährten, bekannten Sprachbildern gesagt: Hüte dich vor Menschen, welche keine Zufriedenheit kennen – sie fahren auf den Abgrund zu, und sie werden dich vor deiner Zeit mit hinunter ziehen.

Ordne deine Kreise – und wenn deine Kreise geordnet sind, dann gib dich mit ihrer Ordnung zufrieden, denn das ist, was man das Glück nennt.

Weiterschreiben, Dushan!

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